JudikaturOGH

20Os9/15x – OGH Entscheidung

Entscheidung
13. Juli 2015

Kopf

Der Oberste Gerichtshof als Disziplinargericht für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter hat am 13. Juli 2015 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden, den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Fellinger als weiteren Richter und die Rechtsanwälte Dr. Mörth und Dr. Rothner als Anwaltsrichter in der Disziplinarsache gegen Dr. *****, emeritierter Rechtsanwalt in *****, über die Beschwerden des Genannten gegen die Beschlüsse des Disziplinarrats der OÖ Rechtsanwaltskammer vom 12. 2. 2015 (D 36/02, DV 12/03 und andere) sowie 11. 3. 2015 (D 45/03, DV 10/04 und andere) nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung gemäß § 60 Abs 1 2. Satz OGH Geo. 2005 den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Den Beschwerden wird nicht Folge gegeben.

Text

Gründe:

Mit im Wesentlichen inhaltsgleichen Anträgen vom 9. 12. 2014 und 23. 2. 2015 begehrte der emeritierte Rechtsanwalt Dr. ***** jeweils die Feststellung, dass die über ihn verhängten Strafen der zeitlich befristeten Untersagung der Ausübung der Rechtsanwaltschaft in den Verfahren D 36/02, DV 12/03 und D 41/03, DV 9/04 sowie D 45/03, DV 10/04; D 18/04, DV 9/05; D 41/04, DV 10/05; D 16/04, DV 28/05; D 37/04, DV 29/05; D 42/04, DV 30/05 und D 11/05, DV 31/05, je des Disziplinarrats der OÖ Rechtsanwaltskammer, verbüßt seien bzw als verbüßt zu gelten hätten. Zur Begründung führte der Antragsteller aus, dass er infolge des über ihn eröffneten Insolvenzverfahrens freiwillig am 22. 9. 2006 die Ausübung der Rechtsanwaltschaft zurückgelegt habe. Mit Schreiben vom 26. 8. 2009 hätte er bei der OÖ Rechtsanwaltskammer die Wiedereintragung in die Liste der Rechtsanwälte beantragt, was mit Entscheidung der Obersten Berufungs und Disziplinarkommission vom 3. 8. 2010 rechtskräftig abgewiesen wurde. Damit wäre er gezwungen gewesen, die Rechtsanwaltschaft für die Zeit vom 1. 10. 2010 bis dato nicht auszuüben; dies käme faktisch einer zwangsweisen Verbüßung dieser verhängten Disziplinarstrafen gleich. In Summe hätte der Antragsteller die Ausübung der Rechtsanwaltschaft für die Dauer von mehr als acht Jahren (überwiegend zwangsweise) unterlassen. Die Eintragung in die Liste der Rechtsanwälte könne nach Auffassung des Antragstellers nicht Voraussetzung für die „Verbüßung“ der Strafen sein. Sinn und Zweck dieser Sanktion sei die befristete Fernhaltung des als unzuverlässig befundenen Anwalts von der Ausübung der Anwaltschaft; dies sei beim Antragsteller geschehen.

Mit den nunmehr angefochtenen Beschlüssen wurden die Anträge als unzulässig zurückgewiesen.

Dagegen richten sich die Beschwerden des Antragstellers vom 23. 2. 2015 (20 Os 9/15x) und 16. 3. 2015 (20 Os 10/15v) mit den Anträgen, dem Begehren zur Erlassung eines Feststellungsbescheids Folge zu geben.

Mit Beschluss des Obersten Gerichtshofs vom heutigen Tag wurden die Rechtsmittelverfahren 20 Os 9/15x und 20 Os 10/15v zur gemeinsamen Führung verbunden.

Folgende Sachverhalte liegen den angefochtenen Beschlüssen zu Grunde:

Verfahren D 36/02, DV 12/03 des Disziplinarrats der OÖ Rechtsanwaltskammer:

Mit Erkenntnis dieses Disziplinarrats vom 16. 6. 2003 wurde über Dr. ***** unter Bedachtnahme auf die Erkenntnisse vom 21. 6. 2002, D 39/01, DV 6/02, vom 8. 8. 2003, D 28/01, DV 33/01, und vom 13. 1. 2003, D 20/01, DV 24/01, als Zusatzstrafe die Disziplinarstrafe der Untersagung der Ausübung der Rechtsanwaltschaft für die Dauer von sechs Monaten verhängt, wobei gemäß § 16 Abs 2 DSt die Strafe unter Bestimmung einer Probezeit von zwei Jahren bedingt nachgesehen wurde.

Dieses Erkenntnis ist am 11. 2. 2004 in Rechtskraft erwachsen.

Verfahren D 41/03, DV 9/04 des Disziplinarrats der OÖ. Rechtsanwaltskammer:

Mit Erkenntnis dieses Disziplinarrats vom 20. 12. 2004 wurde über Dr. ***** die Disziplinarstrafe der Untersagung der Ausübung der Rechtsanwaltschaft für die Dauer von sechs Monaten verhängt; gleichzeitig wurde ausgesprochen, dass vom Widerruf der mit Erkenntnis des Disziplinarrats der OÖ Rechtsanwaltskammer vom 16. 6. 2003, D 36/02, DV 12/03, unter Bestimmung einer Probezeit von zwei Jahren bedingt nachgesehenen Disziplinarstrafe der Untersagung der Ausübung der Rechtsanwaltschaft für die Dauer von sechs Monaten Abstand genommen wird.

Die Oberste Berufungs und Disziplinarkommission hat am 6. 3. 2006 zu 10 Bkd 4/05 der Berufung des Disziplinarbeschuldigten teilweise Folge gegeben und das angefochtene Erkenntnis in den Punkten 1., 3. und 6. des Schuldspruchs sowie im Strafausspruch und im Ausspruch der Abstandnahme vom Widerruf der mit Erkenntnis des Disziplinarrats der OÖ Rechtsanwaltskammer vom 16. 6. 2003, D 36/02, DV 12/03, bedingt nachgesehenen Untersagung der Ausübung der Rechtsanwaltschaft für die Dauer von sechs Monaten aufgehoben und die Sache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an den Disziplinarrat der OÖ Rechtsanwaltskammer zurückverwiesen.

Dr. ***** hat per 22. 9. 2006 die Rechtsanwaltschaft zurückgelegt, sodass das Disziplinarverfahren in analoger Anwendung des § 427 Abs 2 2. Satz StPO abgebrochen wurde. Es liegt daher keine rechtskräftige Entscheidung hinsichtlich des Strafausspruchs und des Ausspruchs der Abstandnahme vom Widerruf der bedingt nachgesehenen Untersagung der Ausübung der Rechtsanwaltschaft vor. Die Schuldsprüche gemäß Punkt 2., 4. und 5. des Erkenntnisses vom 20. 12. 2004 sind indes in Rechtskraft erwachsen.

Verfahren D 45/03, DV 10/04 (führender Akt) verbunden mit D 18/04, DV 9/05, D 41/04, DV 10/05, D 16/04, DV 28/05, D 37/04, DV 29/05, D 42/04, DV 30/05, D 11/05, DV 31/05 des Disziplinarrats der OÖ Rechtsanwaltskammer:

Mit Erkenntnis dieses Disziplinarrats vom 7. 11. 2005 wurde über Dr. ***** die Disziplinarstrafe der Untersagung der Ausübung der Rechtsanwaltschaft für die Dauer von sechs Monaten verhängt. Gleichzeitig wurde die mit Erkenntnis des Disziplinarrats der OÖ Rechts-anwaltskammer vom 16. 6. 2003, D 36/02, DV 12/03, für die verhängte Disziplinarstrafe der Untersagung der Ausübung der Rechtsanwaltschaft für die Dauer von sechs Monaten unter Setzung einer Probezeit von zwei Jahren gewährte bedingte Strafnachsicht widerrufen.

Die gegen dieses Erkenntnis vom Disziplinarbeschuldigten eingebrachte Berufung wurde mit Beschluss der Obersten Berufungs und Disziplinarkommission vom 11. 9. 2006, 10 Bkd 1/06, als verspätet zurückgewiesen; dieser Beschluss langte beim Disziplinarrat der OÖ Rechtsanwaltskammer am 25. 9. 2006 ein. Da Dr. ***** per 22. 9. 2006 auf die weitere Ausübung der Rechtsanwaltschaft verzichtet hat, wurde er mit Verfügung vom 31. 10. 2006 verständigt, dass dieses Disziplinarverfahren in analoger Anwendung der Bestimmung des § 412 StPO abgebrochen wurde.

Infolge Rücklegung der Rechtsanwaltschaft konnte das Erkenntnis des Disziplinarrats der OÖ Rechtsanwaltskammer vom 7. 11. 2005, D 45/03, DV 10/04 (ua) nicht vollstreckt werden.

Rechtliche Beurteilung

Der Oberste Gerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 76 Abs 1 DSt kann ein Rechtsanwalt die Feststellung beantragen, dass seine disziplinäre Verurteilung getilgt ist. Dr. ***** wäre als emeritierter Rechtsanwalt zu einem derartigen Antrag legitimiert (10 Bkd 4/91). Allerdings hat er gerade nicht die Feststellung begehrt, dass seine Verurteilungen getilgt wären; auch in seinen Rechtsmitteln hält er ausdrücklich an seinen ursprünglichen Feststellungsbegehren fest, dass nämlich die in den bezeichneten Verfahren ausgesprochenen befristeten Untersagungen der Ausübung der Rechtsanwaltschaft in der Dauer von je sechs Monaten verbüßt wären bzw als verbüßt zu gelten hätten.

Weder das Disziplinarstatut noch die gemäß § 77 Abs 3 DSt sinngemäß anzuwendende Strafprozessordnung kennt eine Bestimmung, die ein solches Feststellungsbegehren zulässig machte.

Da das DSt jedoch Fälle, in denen eine beschlussmäßige Feststellung bestimmter Tatsachen möglich ist, ausdrücklich regelt (vgl oben), ist eine darüber hinaus bestehende an dem AVG unterliegenden Verfahren orientierte (vgl AnwBl 2006/8067) generelle Zulässigkeit von Feststellungsbegehren, welche zur Überflüssigkeit vorhandener und einzelne konkrete Fälle ausdrücklich zulassender gesetzlicher Regelungen führen würde, dem Vorbringen der Beschwerde zuwider zu verneinen.

Der Verwaltungsgerichtshof erblickt zwar ein rechtliches Interesse einer Partei an einer bescheidmäßigen Feststellung selbst in Fällen, in denen die Erlassung eines Feststellungsbescheids im Gesetz nicht ausdrücklich vorgesehen ist (E 20. 2. 2014, Zl 2011/07/0089 ua). In solchen Fällen muss allerdings der Feststellung in concreto die Eignung zukommen, ein Recht oder Rechtsverhältnis für die Zukunft klarzustellen, um dadurch die Gefährdung eines subjektiven Rechts des Antragstellers zu beseitigen (E 19. 3. 1990, Zl 88/12/0103; 24. 10. 2013, 2010/07/0171). Feststellungsbescheide sind generell unzulässig, wenn die strittige Rechtsfrage im Rahmen eines anderen Verwaltungsverfahrens entschieden werden kann (vgl E 25. 4. 1996, 95/07/0216; E 30. 6. 2011, 2007/07/0172).

Im Gegenstand ist dazu auf das Verfahren des Ausschusses der OÖ Rechtsanwaltskammer, AZ 381/13, zu verweisen, in dem ein Bescheid vom 15. 1. 2014 erging, der vom Obersten Gerichtshof mit Beschluss vom 3. 12. 2014, 19 Ob 1/14g 9, in Stattgebung der Berufung des Dr. ***** aufgehoben und zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an den Ausschuss der OÖ Rechtsanwaltskammer zurückverwiesen wurde. In diesem Verfahren sind die hier gegenständlichen Disziplinarstrafen der zeitlichen Untersagung der Ausübung der Rechtsanwaltschaft wie der Antragsteller selbst einräumt mitentscheidend, was zur Folge hat, dass dem Antragsteller ein diesbezügliches Feststellungsinteresse abzusprechen ist.

Schon deshalb konnte den Beschwerden ein Erfolg nicht zukommen.

Im Übrigen sei bemerkt:

Eine Disziplinarstrafe kann nur an einem Rechtsanwalt oder Rechtsanwaltsanwärter, nicht aber an jemandem vollzogen werden, der diese Qualifikation nicht aufweist. Der faktischen Nichtausübung rechtsanwaltschaftlicher Tätigkeit kommt keinerlei punitiver Charakter zu. Und um den Vollzug einer Strafe, nicht um andere Zwecke (mögen diese auch gleichermaßen erreicht werden) geht es im Vollstreckungs Verfahren nach dem DSt.

Schließlich geht der Einwand, dem DSt sei eine Entscheidung durch einen Einzelrichter fremd, ins Leere, weil der Grundsatz, dass in der Sache der Disziplinarrat in Senaten verhandelt und entscheidet (§ 15 Abs 1 DSt; vgl dazu § 41 Abs 1 DSt), eine Zurückweisung eines unzulässigen Antrags durch den Vorsitzenden des Senats nicht ausschließt.

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