11Os72/15w – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 7. Juli 2015 durch die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner Foregger als Vorsitzende sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Mag. Michel und Mag. Fürnkranz, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Brenner als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Zechner als Schriftführer in der Strafsache gegen Mag. Günther E*****wegen des Verbrechens des schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1, Abs 3 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerden der Staatsanwaltschaft und der Privatbeteiligten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 27. November 2014, GZ 92 Hv 101/13s 32, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.
Der Privatbeteiligten fallen die durch ihr Rechtsmittel verursachten Kosten des Strafverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Mag. Günther E***** gemäß § 259 Z 3 StPO vom Anklagevorwurf freigesprochen, er habe am 25. März 2010 mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz Verfügungsberechtigte der R***** AG durch Vorlage einer falschen Rechnung zur Überweisung von 436.104 Euro als Vorschuss im Rahmen eines Factoring Vertrags, somit zu einer Handlung verleitet, die das Finanzierungsunternehmen in einem 50.000 Euro übersteigenden Betrag am Vermögen schädigte.
Rechtliche Beurteilung
Dagegen richten sich die aus Z 4 des § 281 Abs 1 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerden der Staatsanwaltschaft und der Privatbeteiligten R***** AG.
Den keinen nichtigkeitsrelevanten Verstoß aufzeigenden Verfahrensrügen ist vorweg zu erwidern, dass bei der Prüfung der Berechtigung eines Antrags stets von der Verfahrenslage im Zeitpunkt der Stellung des Antrags und den dabei vorgebrachten Gründen auszugehen ist. Die in den Ausführungen der Nichtigkeitsbeschwerden nachgetragenen Argumente als Versuch einer Fundierung von Anträgen sind prozessual verspätet und können daher keine Berücksichtigung finden (RIS Justiz RS0099618, RS0099117).
Anträge, welche nicht unmissverständlich erkennen lassen, dass sie soweit hier relevant einen für die Schuldfrage erheblichen Umstand betreffen, sind aus § 281 Abs 1 Z 4 StPO unbeachtlich (vgl Ratz , WK StPO § 281 Rz 321).
Zur Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft:
Das Erstgericht ging davon aus, dass der Rechnung Nr 140/2010 zwar ein mit der A***** GmbH abgeschlossener Rahmenvertrag zugrunde lag, die darin angeführte Leistung von der E***** AG aber noch nicht erbracht wurde, weshalb die Einreichung den Bedingungen des Factoring Vertrags widersprach (US 6).
Der Antrag auf Vernehmung der Zeugin Mag. Stefanie S***** zum Beweis dafür, dass zum Zeitpunkt der Rechnungslegung für die Rechnung Nr 140/2010 kein entsprechender Auftrag vorlag (ON 31 S 70), legte nicht dar, weshalb die beantragte Beweisaufnahme das von der Antragstellerin behauptete, für ihren Prozessstandpunkt sprechende Ergebnis erwarten lasse. Dies wäre jedoch umso mehr geboten gewesen, als Mag. Stefanie S***** bereits im Ermittlungsverfahren von Beamten des Landeskriminalamts Wien kontaktiert und aufgefordert worden war, zum behaupteten Bestehen eines Rahmenvertrags Stellung zu nehmen (ON 4 S 129), in Entsprechung dessen die Abrechnungsmodalitäten geschildert und in einem E-Mail darauf hingewiesen hatte, dass allerdings ab einem gewissen Zeitpunkt im Mai aufgrund von Problemen bei Vorlieferanten keine Lieferungen mehr erfolgen konnten, weshalb die En***** GmbH auf eine andere Abrechnung bestanden hätte (ON 4 S 127).
Aus welchem Grund Mag. Stefanie S***** in der Lage sein sollte, über Vorgänge in der E***** AG, wie das Nichtabsenden einer Rechnung, Auskunft zu geben, ließ der darauf gerichtete Beweisantrag ebenso offen. Davon, dass sich die Rechnung Nr 140/2010 nicht in der Buchhaltung bzw im „Tool“ der A***** GmbH befindet, ging das Erstgericht im Übrigen bereits aufgrund der Aussage des Zeugen W***** aus (US 17).
Zur Nichtigkeitsbeschwerde der Privatbeteiligten:
Der Antrag auf Vernehmung des Zeugen Stefan Ai***** zum Beweis dafür, dass die Rechnung Nr 140/2010 in der Buchhaltung der E***** AG nie aufschien, ließ keine Relevanz für die Schuldfrage erkennen (vgl dazu Beilage ./1 zu ON 12 iVm ON 31 S 49). Im Übrigen bezog das Erstgericht das behauptete Beweisergebnis in die Überlegungen ohnehin mit ein (US 20; § 55 Abs 2 StPO).
Die Geltendmachung des Nichtigkeitsgrundes der Z 4 des § 281 Abs 1 StPO setzt voraus, dass über einen in der Hauptverhandlung gestellten Antrag nicht oder nicht im Sinne des Antragstellers entschieden wurde (RIS Justiz RS0099244).
Auf die nach dem ungerügt gebliebenen Protokoll über die Hauptverhandlung nicht von ihr, sondern ausschließlich von der Staatsanwaltschaft gestellten Anträge auf Vernehmung der Zeugen S*****, Z***** und O***** (ON 31 S 70), kann sich die Privatbeteiligte nicht berufen.
Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur (jedoch entgegen der hiezu erstatteten Äußerung des Vertreters der Privatbeteiligten) bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).
Die Kostenersatzpflicht der Privatbeteiligten beruht auf § 390a Abs 1 zweiter Satz StPO.