22Os2/15g – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof als Disziplinargericht für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter hat am 1. Juli 2015 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp als Vorsitzenden, die Anwaltsrichter Dr. Waizer und Dr. Mascher sowie den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Sailer in der Disziplinarsache gegen M***** F*****, ehemals niedergelassener europäischer Rechtsanwalt in K*****, wegen der Disziplinarvergehen der Berufspflichtenverletzung und der Beeinträchtigung von Ehre oder Ansehen des Standes über die Berufung des Disziplinarbeschuldigten gegen das Erkenntnis des Disziplinarrats der Tiroler Rechtsanwaltskammer vom 27. Mai 2014, AZ D 11 23, 1DV 12 06, D 12 39, 1DV 13 19, in nichtöffentlicher Sitzung nach Anhörung der Generalprokuratur gemäß § 60 Abs 1 zweiter Satz OGH Geo. 2005 den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Das Verfahren über die Berufung wird abgebrochen.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde M***** F***** der Disziplinarvergehen der Berufspflichtenverletzung und der Beeinträchtigung von Ehre oder Ansehen des Standes schuldig erkannt, weil er als niedergelassener europäischer Rechtsanwalt vom 12. Mai 2010 bis 30. September 2011 nicht dafür Sorge getragen hatte, dass seine Kanzlei in K***** dauerhaft besetzt war, sodass es nicht möglich gewesen war, Zustellungen an ihn zu üblichen Postzeiten vorzunehmen, keine Vorkehrungen getroffen hatte, dass RSa und RSb Sendungen unter seiner Kanzleianschrift in K***** zugestellt werden konnten und seiner Residenzpflicht nicht entsprochen hatte sowie vom 12. Mai 2010 bis 30. September 2011 keine Vorkehrungen getroffen hatte, dass vom Gericht elektronisch gefertigte Sendungen seiner Kanzlei zugestellt werden können.
Rechtliche Beurteilung
Gegen den Schuldspruch dieses Erkenntnisses richtet sich die Berufung des Disziplinarbeschuldigten.
Mit Schreiben vom 11. Mai 2015 teilte die Rechtsanwaltskammer M***** mit, dass der Disziplinarbeschuldigte zwischenzeitlich nicht mehr zur Rechtsanwaltschaft zugelassen ist.
Voraussetzung für die Eintragung in die Liste der niedergelassenen europäischen Rechtsanwälte ist die Bescheinigung der Zugehörigkeit des europäischen Rechtsanwalts zu diesem Beruf (§ 10 Abs 2 Z 2 und § 11 Abs 1 ElRAG).
Das Ruhen oder Löschen der Genehmigung zur Berufsausübung im Herkunftsstaat zieht für den Betreffenden unmittelbar das einstweilige oder endgültige Verbot nach sich, im Inland seine Tätigkeit als niedergelassener europäischer Rechtsanwalt auszuüben (§ 17 Abs 4 ElRAG).
Wie sich aus der Mitteilung der Rechtsanwaltskammer M***** ergibt, ist die Berechtigung des Disziplinarbeschuldigten zur Ausübung der Rechtsanwaltschaft in Deutschland (zwischenzeitlich) erloschen, sodass er auch im Inland nicht mehr als Rechtsanwalt tätig sein darf. Dieser Umstand zieht nach sich, dass er auch nicht mehr der Disziplinargewalt der innerösterreichischen Organe des Rechtsanwaltsstandes unterliegt (§ 17 Abs 1 ElRAG; § 23 RAO).
Das Verfahren ist daher in sinngemäßer Anwendung des § 427 Abs 2 zweiter Satz (§ 197 Abs 1) StPO iVm § 77 Abs 3 DSt abzubrechen (RIS Justiz RS0072282, RS0054824; Feil/Wenning , Anwaltsrecht 8 975).
Die Zuständigkeit des Senats (und nicht bloß des Vorsitzenden allein) zur Entscheidung über die (vorläufige) Verfahrensbeendigung gründet sich auf § 59 Abs 1 DSt iVm § 5 erster und zweiter Satz OGHG (25 Os 1/14f; 23 Os 4/14g).