JudikaturOGH

20Os3/15i – OGH Entscheidung

Entscheidung
26. Juni 2015

Kopf

Der Oberste Gerichtshof als Disziplinargericht für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter hat am 26. Juni 2015 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshof Dr. Schwab als Vorsitzenden, den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Fellinger als weiteren Richter und die Rechtsanwälte Dr. Grassner und Dr. Haslinger als Anwaltsrichter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Kampitsch als Schriftführer in der Disziplinarsache gegen Mag. *****, Rechtsanwalt in *****, wegen des Disziplinarvergehens der Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes über die Berufung des Disziplinarbeschuldigten gegen das Erkenntnis des Disziplinarrats der Oberösterreichischen Rechtsanwaltskammer vom 10. März 2014, AZ D 54/13 (DV 44/13), TZ 28, nach mündlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Mag. Koenig, und des Kammeranwaltstellvertreters der Oberösterreichischen Rechtsanwaltskammer Mag. Kammler zu Recht erkannt:

Spruch

Aus Anlass der Berufung wird das angefochtene Erkenntnis aufgehoben und in der Sache selbst erkannt:

Mag. ***** wird von dem wider ihn erhobenen Disziplinarvorwurf, er habe nachts zum 8. Juni 2013 seine Ehegattin im Zuge eines Streits tätlich attackiert und dadurch im Gesicht verletzt, aus welchem Anlass zu AZ 46 BAZ 504/14b der Staatsanwaltschaft Linz ein Ermittlungsverfahren gegen ihn eingeleitet und darüber hinaus seitens der Landespolizeidirektion Oberösterreich, Bezirkspolizeikommando Freistadt, Polizeiinspektion Pregarten, ein Betretungsverbot und die Wegweisung von der ehelichen Wohnung erlassen wurde, freigesprochen .

Mit seiner Berufung wird der Disziplinarbeschuldigte auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Rechtliche Beurteilung

Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde Rechtsanwalt Mag. ***** wegen des aus dem Spruch dieser Entscheidung ersichtlichen Disziplinarvergehens der Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes schuldig erkannt und über ihn die Disziplinarstrafe einer Geldbuße in Höhe von 3.000 Euro verhängt. Außerdem wurde der Disziplinarbeschuldigte gemäß § 38 Abs 2 DSt zum Ersatz der Verfahrenskosten verpflichtet.

Gegen diese Verurteilung richtet sich die fristgerechte Berufung des Disziplinarbeschuldigten wegen Nichtigkeit, Schuld und Strafe mit den Anträgen, das angefochtene Erkenntnis aufzuheben und einen Freispruch zu fällen; in eventu eine mildere Disziplinarstrafe zu verhängen.

Der Kammeranwalt erstattete keine Gegenausführung zur Berufung.

Der Rechtsmittelwerber hat auf eine Teilnahme am Gerichtstag verzichtet.

Aus Anlass der vom Disziplinarbeschuldigten erhobenen Berufung überzeugte sich der Oberste Gerichtshof vom Vorliegen einer nicht gerügten, daher von Amts wegen wahrzunehmenden materiellen Nichtigkeit (§ 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO) des angefochtenen Erkenntnisses.

Verfahrensgegenständlich ist der Vorwurf eines Disziplinarvergehens nach § 1 Abs 1 2. Alternative DSt, also der Beeinträchtigung von Ehre oder Ansehen des Standes.

Nach ständiger Rechtsprechung ist der Inhalt des Begriffs der „Standespflichten“ aus den allgemeinen gesellschaftlichen Anschauungen und gefestigten Gewohnheiten des jeweiligen Berufsstandes abzuleiten (VfSlg 11.776; ZfVB 1999/1571 = VfSlg 15.232).

Danach begeht ein Rechtsanwalt, der einen Ehestreit hat, nicht bereits dadurch ein Disziplinarvergehen iSd § 1 Abs 1 DSt. Dies wäre erst dann der Fall, wenn durch Art und Weise der Führung dieses Streits das vom Rechtsanwalt gesetzte Verhalten eine Qualifikation aufweist, die von den allgemeinen gesellschaftlichen Anschauungen und gefestigten Gewohnheiten des jeweiligen Berufsstandes nicht (mehr) toleriert wird.

Das angefochtene Erkenntnis (ES 4) stellt fest, dass „es entweder vor oder nach einem von Andrea B***** verursachten Verkehrsunfall mit Sachschaden zu einer Streiterei zwischen dem Disziplinarbeschuldigten und seiner Gattin“ kam und der Disziplinarbeschuldigte „seine Gattin Andrea B***** tätlich attackierte, die dadurch eine Verletzung in Form einer Rötung unterhalb des rechten Auges erlitt“ .

Dies ist auch unter Einbeziehung der übrigen Entscheidungsgründe nicht ausreichend, die erfolgte Verurteilung zu tragen. Die festgestellte „tätliche Attacke“ ist zwar vom Wortsinn eine vorsätzliche Körperverletzung, kann aber verschiedenste Begleitumstände gehabt haben.

Zu für eine rechtsrichtige Verurteilung unbedingt erforderlichen weiteren Feststellungen zum Hergang und den Folgen des Streits sah sich der erkennende Disziplinarrat aber nicht in der Lage, weil vor allem aufgrund der Aussageverweigerung der Ehegattin des Disziplinarbeschuldigten im letztlich eingestellten Ermittlungsverfahren die Verfahrensergebnisse solche Feststellungen schlicht nicht zuließen. Mit weiteren Beweisprodukten kann nach Lage der Dinge auch nicht gerechnet werden.

Da der festgestellte Sachverhalt somit den rechtlichen Schluss auf einen durch „unqualifiziertes Benehmen im Privatleben“ (vgl Feil/Wennig Anwaltsrecht 8 DSt § 1 S 858) verwirklichten Verstoß gegen Ehre oder Ansehen des Rechtsanwaltsstandes nicht zulässt, sah sich der Oberste Gerichtshof von Amts wegen dazu veranlasst, die zum Nachteil des Disziplinarbeschuldigten erfolgte unrichtige Rechtsanwendung spruchgemäß zu korrigieren.

Eines Eingehens auf das erhobene Rechtsmittel bedurfte es somit nicht.

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