JudikaturOGH

11Os61/15b – OGH Entscheidung

Entscheidung
02. Juni 2015

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 2. Juni 2015 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner Foregger, Mag. Michel und Mag. Fürnkranz und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Ableidinger als Schriftführerin in der Strafsache gegen Johann K***** wegen der Verbrechen des sexuellen Missbrauchs einer wehrlosen oder psychisch beeinträchtigten Person nach § 205 Abs 2 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 16. Jänner 2015, GZ 18 Hv 70/14b 27, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Johann K***** des Verbrechens (richtig: der Verbrechen) des sexuellen Missbrauchs einer wehrlosen oder psychisch beeinträchtigten Person nach § 205 Abs 2 StGB schuldig erkannt.

Danach hat er am 16. Februar 2014 in G***** in zwei (getrennten US 3 ff) Angriffen Helga D*****, die wegen einer geistigen Behinderung unfähig ist, die Bedeutung des sexuellen Vorgangs „einzusehen oder“ (US 4: nur fehlende Dispositionsfähigkeit) nach dieser Einsicht zu handeln, unter Ausnützung dieses Zustands missbraucht, indem er sie aufforderte, sein entblößtes Glied mit ihrer Hand bis zum Samenerguss zu massieren, welcher Aufforderung sie jeweils nachkam.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5  und 5a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.

Aktenwidrigkeit (Z 5 fünfter Fall) begründet nur die unrichtige Wiedergabe des Inhalts von Beweismitteln, nicht der Widerspruch zwischen Verfahrensergebnissen und Feststellungen (RIS Justiz RS0099431 [T5, T7 und T15]). Indem der Beschwerdeführer (dSm Z 5 2. Fall) den im Urteil nicht referierten Teil der Aussage des Vaters des Opfers, der Angeklagte hätte „am Tattag“ (tatsächlich: am Tag, „als es die Eisregenschäden im Wald gegeben hat“ ON 18 S 13) sein Haus gar nicht betreten, thematisiert, verkennt er, dass das Erstgericht davon ausging, dass der Vater zum nach dem Anklagevorwurf maßgeblichen Zeitpunkt in seinem Haus gar nicht anwesend war (US 10) und zeigt insgesamt den Nichtigkeitsgrund nicht auf.

Der zur Überzeugung der Tatrichter von der

Glaubwürdigkeit eines Zeugen aufgrund des von diesem in der Hauptverhandlung gewonnenen persönlichen Eindrucks führende kritisch-psychologische Vorgang als solcher ist der Anfechtung mit Mängelrüge entzogen (RIS Justiz RS0106588). Im Übrigen haben den weiteren Beschwerdeausführungen zuwider die Tatrichter die Einschätzung, die Zeugin wäre nicht in der Lage, ihre „Empfindungen und Handlungen … so zu schildern ..., wenn sie es nicht selbst erlebt hätte“, nicht offenbar

unzureichend begründet, indem sie ihre Annahme ohne Verstoß gegen die Kriterien folgerichtigen Denkens und grundlegender menschlicher Erfahrungen auf die Einschätzung der pschologischen Sachverständigen zur Person des Opfers und ihren damit übereinstimmenden, in der Hauptverhandlung gewonnenen persönlichen Eindruck von der Zeugin (US 8 f) stützten.

Ein auf den formalen Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 5a StPO gestützter Einwand kann nur dann erfolgreich sein, wenn Feststellungen als Folge einer qualifiziert naheliegenden Fehlentscheidung bei der Beweiswürdigung erheblichen Bedenken ausgesetzt sind. Die diesem Nichtigkeitsgrund immanente Erheblichkeitsschwelle wird mit dem Vorbringen, die vom Angeklagten angestrebte Schlussfolgerung sei wahrscheinlicher oder überzeugender als die vom Erstgericht gezogene, nicht überschritten, sind doch die Tatrichter weder zu einer logisch zwingenden Begründung noch dazu verhalten, von mehreren möglichen Versionen die für den Beschwerdeführer günstigere zu wählen (RIS Justiz RS0119583; Ratz , WK StPO § 281 Rz 449, 488 ff).

Soweit auch die Tatsachenrüge die Glaubwürdigkeit der Belastungszeugin in Zweifel zieht, darauf verweist, dass diese bereits in der Vergangenheit von ähnlichen Ereignissen berichtet hätte, denen nicht „nachgegangen worden“ sei und argumentiert, es entspräche nicht der „allgemeinen Lebenserfahrung, dass eine Person … derart oft sexuellen Übergriffen ausgesetzt“ sei, gelingt es ihr nicht, beim Obersten Gerichtshof erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde liegenden entscheidenden Tatsachen zu erwecken (RIS Justiz RS0118780, RS0119583).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung gemäß § 285d Abs 1 StPO sofort zurückzuweisen, woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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