JudikaturOGH

28Os14/14i – OGH Entscheidung

Entscheidung
16. April 2015

Kopf

Der Oberste Gerichtshof als Disziplinargericht für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter hat am 16. April 2015 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden und den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hradil als weiteren Richter sowie die Rechtsanwälte Dr. Wippel und Dr. Strauss als Anwaltsrichter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Kampitsch als Schriftführer in der Disziplinarsache gegen Mag. *****, Rechtsanwalt in *****, über die Beschwerde des Disziplinarbeschuldigten gegen den Beschluss der Rechtsanwaltskammer Niederösterreich vom 9. September 2014, AZ D 9/12, sowie über die Berufung des Disziplinarbeschuldigten gegen das Erkenntnis des Disziplinarrats der Rechtsanwaltskammer Niederösterreich vom 9. Juli 2012, AZ D 9/12, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Beschwerde gegen den Beschluss der Rechtsanwaltskammer Niederösterreich vom 9. September 2014 wird keine Folge gegeben.

Die Berufung wird als verspätet zurückgewiesen.

Der Disziplinarbeschuldigte hat auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zu ersetzen.

Text

Gründe:

Mit Erkenntnis des Disziplinarrats der Rechtsanwaltskammer Niederösterreich vom 9. Juli 2012, AZ D 9/12, wurde Mag. ***** wegen der Disziplinarvergehen der Berufspflichtenverletzung und Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes schuldig erkannt und unter Bedachtnahme auf mehrere Vorerkenntnisse zur Disziplinarstrafe der Untersagung der Ausübung der Rechtsanwaltschaft für weitere vier Monate als Zusatzstrafe verurteilt. Dem Disziplinarbeschuldigten wurde weiters aufgetragen, die Verfahrenskosten zu ersetzen.

Gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung einer Berufung gegen dieses Erkenntnis stellte der Disziplinarbeschuldigte einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand und erhob gleichzeitig eine Berufung.

Mit Beschluss der Obersten Berufungs und Disziplinarkommission vom 21. Juni 2013 wurde der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand abgewiesen.

Gegen diesen Bescheid richtete sich die auf Art 144 B VG gestützte Beschwerde des Disziplinarbeschuldigten an den VfGH, der in seiner Entscheidung vom 20. Februar 2014, B 998/2013, den Bescheid wegen Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter gemäß Art 83 Abs 2 B VG aufhob.

In der Folge wies der Disziplinarrat der Rechtsanwaltskammer Niederösterreich mit Beschluss vom 9. September 2014 den Antrag des Disziplinarbeschuldigten auf Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung einer Berufung gegen das Erkenntnis des Disziplinarrats der Rechtsanwaltskammer Niederösterreich vom 9. Juli 2012 ab.

Rechtliche Beurteilung

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde des Disziplinarbeschuldigten, der keine Berechtigung zukommt.

Dem Vorbringen des Beschwerdeführers zuwider begründet eine vorangehende Entscheidung in der Sache selbst in Ansehung einer späteren Beschlussfassung über einen Wiedereinsetzungsantrag keine Ausgeschlossenheit des Senats:

Die inhaltliche Vorbefassung in der Schuld und Straffrage bildet nach der Systematik des § 43 Abs 2 und 4 StPO einen Ausschlussgrund für das weitere Verfahren, weil damit der objektive Anschein der Unparteilichkeit bei der Sachentscheidung in Frage steht ( Lässig , WK StPO § 43 Rz 16 ff und Rz 22 ff). N ach ständiger Entscheidungspraxis des EGMR ist aber nicht jede Vorbefassung eines Richters mit einer Sache geeignet, den Anschein der Unparteilichkeit des Entscheidungsträgers in Frage zu stellen ( Lässig , WK StPO § 43 Rz 18 mwN; 13 Ns 20/03). Dass sich ein Richter in einer die Schuldfrage betreffenden Vorentscheidung bzw einer Zwischenerledigung im Disziplinarverfahren auf der Basis der damaligen Prozesslage eine Meinung über den dort zugrunde liegenden Verfahrensgegenstand bilden musste, begründet für sich allein keine Ausgeschlossenheit im Verfahren über eine nachfolgend zu treffende Entscheidung (13 Ns 5/04: Kostenbeschwerde). Gleiches gilt für den vorliegenden Fall der Entscheidung über einen Antrag auf Wiedereinsetzung, weil sich die Beurteilung der Konsequenzen einer Fristversäumung mit der Entscheidung in der Schuld- und Straffrage in keiner Weise überschneidet und solcherart keine Bedenken auslösende Vorbefasstheit vorliegt (vgl dazu etwa die Ausgangslage bei § 364 Abs 2 Z 2 StPO).

Woraus sich darüber hinaus eine Ausgeschlossenheit des Vorsitzenden Dr. Walter S***** bzw der Senatsmitglieder Mag. Sandra C***** und Dr. Reinhard Sc***** im konkreten Verfahren ergeben sollte, legt der Beschwerdeführer nicht dar, zumal der vorliegende Akt das in der Beschwerde erwähnte, nicht näher konkretisierte Schreiben vom 24. Jänner 2013 nicht umfasst.

Soweit die Beschwerde zur Rechtzeitigkeit des Wiedereinsetzungsantrags vorbringt, dass der gemäß § 41 Abs 1 DSt die Rechtskraft des Disziplinarerkenntnisses voraussetzende Kostenbestimmungsbeschluss vom 10. Oktober 2012 dem Verteidiger des Disziplinarbeschuldigten (aufgrund der gemäß § 48 Abs 1 DSt bis zum 19. November 2012 reichenden Rechtsmittelfrist) erst am 9. November 2012 vorgelegt worden sei und diesem somit erst an diesem Tag erstmals auffiel, dass die Berufung gegen das Erkenntnis des Disziplinarrats vom 9. Juli 2012 tatsächlich gar nicht eingebracht worden war, übersieht sie, dass die Zustellung des erwähnten Kostenbestimmungsbeschlusses am 22. Oktober 2012 nachweislich zu eigenen Handen des Verteidigers erfolgte und diesem somit bereits an diesem Tag zur Kenntnis gelangt war.

Damit fiel an diesem Tag aber auch schon das (in der irrigen Annahme des bereits eingebrachten Rechtsmittels bestehende) Hindernis für die tatsächliche Einbringung der Berufung gegen das erwähnte Erkenntnis vom 9. Juli 2012 weg (RIS Justiz RS0101428; RS0101438, RS0101430). Die dadurch ausgelöste 14 tägige Frist zur Einbringung des Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand (§ 364 Abs 1 Z 2 StPO iVm § 77 Abs 2 DSt) endete also bereits am 5. November 2012, sodass der Disziplinarrat der Rechtsanwaltskammer Niederösterreich zu Recht von einer Verfristung des erst am 22. November 2012 eingebrachten Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand ausging.

Solcherart gehen die weiteren Ausführungen zum Grad des Versehens der involvierten Kanzleileiterin des Verteidigers ins Leere.

Damit war aber auch die eingebrachte Berufung als verspätet zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 54 Abs 5 DSt iVm § 38 Abs 2 DSt.

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