12Os98/14z – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 9. April 2015 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé und Dr. Oshidari sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel Kwapinski und Dr. Mann als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Moelle als Schriftführerin in der Strafsache gegen Rolf J***** wegen der Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Schöffengericht vom 23. April 2014, GZ 17 Hv 181/13p 54, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil, das auch einen Freispruch von weiteren Vorwürfen enthält, wurde Rolf J***** der Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB (I./) und der Vergehen des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 Z 1 StGB (III./) schuldig erkannt.
Danach hat er in M*****, D***** und K***** mit der am 7. August 1997 geborenen Sabrina J***** zu nicht näher bestimmbaren Zeitpunkten im Zeitraum 2006 bis zum 6. August 2011,
I./ also mit zum Tatzeitpunkt Unmündigen, in mehreren Angriffen den Beischlaf und eine dem Beischlaf gleichzusetzende geschlechtliche Handlung unternommen, indem er mit ihr den Geschlechts und Oralverkehr vollzog;
III./ mit seiner zu den Tatzeitpunkten unmündigen Stieftochter durch die zu I./ beschriebenen Taten geschlechtliche Handlungen vorgenommen.
Rechtliche Beurteilung
Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, der keine Berechtigung zukommt.
Dem der Sache nach erhobenen Einwand unvollständiger Begründung (Z 5 zweiter Fall) zuwider hat das Erstgericht wie die Beschwerde ohnedies selbst einräumt die sexuell motivierten Tathandlungen des Angeklagten zum Nachteil der Sabrina J*****, die zu seiner Verurteilung am 18. März 2013 zu AZ 17 Hv 25/13x des Landesgerichts Klagenfurt wegen pornographischer Darstellungen Minderjähriger nach § 207a Abs 1 Z 1 StGB und Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 Z 1 StGB führten, eingangs des Urteils festgehalten (US 3 f), sodass es nicht verpflichtet war, anlässlich seiner Einschätzung, wonach kein Motiv habe eruiert werden können, weshalb das Tatopfer ihren Stiefvater derart schwer zu Unrecht belasten sollte (US 9), neuerlich explizit darauf Bezug zu nehmen.
Der Sinn des formellen Nichtigkeitsgrundes der Z 5a liegt keineswegs darin, den Obersten Gerichtshof zu veranlassen, beweiswürdigende Überlegungen des Rechtsmittelwerbers im Einzelnen gegen jene der Tatrichter abzuwägen, ohne sich im Gegensatz zu diesen einen unmittelbaren Eindruck von den vorgeführten Beweisen verschaffen zu können. Nur was gleichsam den Ausruf provoziert: „Dieser Überzeugung kann man vernünftigerweise denn doch nicht sein!“, also nach allgemein menschlicher Erfahrung gravierende Bedenken gegen die Richtigkeit der bekämpften Urteilsannahmen aufkommen lässt, kann mit diesem Nichtigkeitsgrund aufgrund deutlich und bestimmt bezeichneter, aktenkundiger Beweise geltend gemacht werden. Unterhalb dieser (besonderen) Erheblichkeitsschwelle bleibt die Beweiswürdigung allein den Tatrichtern vorbehalten (vgl auch Art 91 B VG; RIS Justiz
RS0116733 [T3]).
Eine über die Prüfung solcher erheblicher Bedenken hinausgehende Auseinandersetzung mit der Überzeugungskraft von Beweisergebnissen wie sie die Berufung wegen Schuld des Einzelrichterverfahrens einräumt wird dadurch also nicht eröffnet. Die diesem Nichtigkeitsgrund immanente Erheblichkeitsschwelle wird mit dem Vorbringen, die vom Angeklagten angestrebte Schlussfolgerung sei wahrscheinlicher oder überzeugender als die vom Erstgericht gezogene, nicht überschritten, sind doch die Tatrichter weder zu einer logisch zwingenden Begründung noch dazu verhalten, von mehreren möglichen Versionen die für den Beschwerdeführer günstigere zu wählen (RIS Justiz RS0119583 [insbesondere T6]; Ratz , WK StPO § 281 Rz 449, 488 ff).
Das Erstgericht nahm als erwiesen an, dass es zumindest seit Mai 2008, als die Familie J***** in der D***** in K***** wohnte, zu drei zeitlich nicht näher einordenbaren sexuellen Übergriffen durch den Angeklagten kam, im Zuge derer er mit Sabrina J***** den Beischlaf vollzog (US 5). Unter Berücksichtigung dessen, dass sie keine genauen inhaltlichen und zeitlichen Angaben zu den Tathandlungen machen konnte, gründeten die Tatrichter diese ersichtlich zu Gunsten des Nichtigkeitswerbers getroffenen Konstatierungen auf die Schilderung dieser konkreten Vorfälle durch Sabrina J***** in ihren handschriftlichen Aufzeichnungen und ihrer kontradiktorischen Vernehmung (vgl ON 15 S 3 und S 7 sowie ON 21 S 15 f und S 33 f iVm US 6 f).
Der Hinweis des Beschwerdeführers auf das urologische Gutachten Dris. Josef B*****, wonach er jedenfalls ab dem Jahr 2009 mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit unter einer erektilen Dysfunktion gelitten habe (ON 37 S 19, ON 46 S 6 f), ist daher ungeachtet der selektiv aus dem Gesamtzusammenhang gelösten Angaben des Tatopfers, wonach es angeblich drei- bis fünfmal pro Woche zu derartigen Übergriffen gekommen wäre, Oralverkehr demgegenüber insgesamt („wahrscheinlich“) nur zweimal stattgefunden hätte (ON 21 S 28), und eines angenommenen Tatzeitraums bis 6. August 2011, letzteres schon wegen dessen Beginns im Jahr 2006, nicht geeignet, erhebliche Bedenken im oben aufgezeigten Sinn gegen die Richtigkeit der dem Schuldspruch zu Grunde liegenden, als erwiesen angenommenen Tathandlungen zu wecken. Gleiches gilt für den Einwand, die erhobenen Vorwürfe müssten schon deshalb schlicht erfunden sein, weil die Angaben der zwischenzeitig im 16. Lebensjahr stehenden Zeugin trotz der Einschätzung des Schöffensenats, sie habe mit der zeitlichen Zuordnung des (angeblich) Geschehenen Probleme nicht den geringsten Anhaltspunkt dafür böten, dass die behaupteten sexuellen Übergriffe (angesichts seiner erektilen Dysfunktion) zuletzt seltener geworden oder gar aufgehört hätten.
Soweit das Rechtsmittelvorbringen daraus, dass „dem vermeintlichen Opfer einer dreistelligen Zahl vorgeworfener Beischlafshandlungen überhaupt nur zwei“ (gemeint wohl: drei) „geglaubt werden“, massive Zweifel des Schöffensenats selbst gegenüber der Darstellung der Sabrina J***** ortet, unternimmt es den (unzulässigen) Versuch, ohne direkte Bezugnahme auf aktenkundige Beweismittel erhebliche Bedenken aus den Entscheidungsgründen selbst abzuleiten (RIS Justiz
RS0117961).
Die Kritik, die beweiswürdigenden, unter Zugrundelegung der Ausführungen des urologischen Sachverständigen angestellten Erwägungen des Erstgerichts zu einer möglichen Verwendung mechanischer Hilfsmittel zwecks Erlangung einer Erektion fänden keine Deckung in den Angaben der Sabrina J*****, bezieht sich überdies mangels Angabe genauer Tatzeitpunkte durch das Tatopfer bloß auf hypothetisch angestellte, somit keine notwendige Bedingung für die Feststellung einer entscheidenden Tatsache darstellende (vgl Ratz , WK StPO § 281 Rz 410) Überlegungen der Tatrichter.
Wenn die Beschwerde aus der Verantwortung des Angeklagten im Rahmen seiner polizeilichen Vernehmung am 4. Februar 2012 (im Verfahren 17 Hv 25/13x des Landesgerichts Klagenfurt), noch „Geschlechtsverkehr und anderes, aber mit Handicap“ mit seiner Frau zu haben (ON 6 S 137), sowie aus der Weigerung des Tatopfers im Rahmen der Hauptverhandlung, weitere Fragen, unter anderem zu einer Veränderung der Erektionsfähigkeit Rolf J*****s im Laufe des Tatzeitraums, zu beantworten (ON 53 S 8), im Wege eigenständiger Beweiswerterwägungen andere, für ihn günstigere Schlussfolgerungen zu ziehen trachtet als das Erstgericht (US 7 ff), wendet sie sich bloß nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässigen Schuldberufung gegen die tatrichterliche Beweiswürdigung.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung gemäß § 285d Abs 1 StPO sofort zurückzuweisen, woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.