JudikaturOGH

14Os9/15b – OGH Entscheidung

Entscheidung
03. März 2015

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 3. März 2015 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und Dr. Oshidari sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Humer als Schriftführerin in der Strafsache gegen Daniel M***** wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 und Abs 2 erster Fall StGB und weiterer strafbarer Handlungen über dessen Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung gegen das Urteil des Landesgerichts Linz als Schöffengericht vom 8. Oktober 2014, GZ 22 Hv 37/14b 69, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Daniel M***** eines Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 und Abs 2 erster Fall StGB und mehrerer Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB (A./I./), jeweils eines Verbrechens der schweren Nötigung nach §§ 15 Abs 1, 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 StGB (A./II./) und der absichtlichen schweren Körperverletzung nach §§ 15 Abs 1, 87 Abs 1 StGB (A./III./4./), sowie der Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 und Abs 2 erster Fall StGB (A./III./1./), der Freiheitsentziehung nach § 99 Abs 1 erster Fall StGB (A./III./2./), der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs 1, 84 Abs 2 Z 3 StGB (A./III./3./), der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB (A./IV./) und der Sachbeschädigung nach § 125 StGB (B./) schuldig erkannt.

Danach hat er in L*****

A./ Nicole S*****

I./ mit Gewalt zur Duldung des Beischlafs sowie einer dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlung genötigt, wobei die Taten „in einem Fall“ eine schwere Körperverletzung, nämlich eine posttraumatische Belastungsstörung verbunden mit einer länger als 24 Tage dauernden Gesundheitsschädigung zur Folge hatten, und zwar

1./ in der „Weihnachtszeit“ 2012, indem er sie mit seinen Händen auf einer Matratze niederdrückte, dann mit seinem erigierten Penis in ihre Scheide eindrang und den Geschlechtsverkehr trotz ihrer mehrfach artikulierten Ablehnung bis zum Samenerguss fortsetzte;

2./ am 25. November 2013, indem er ihr Faustschläge versetzte, ihren Kopf packte, zu seinem erigierten Penis zog und gegen ihren Willen zuerst den Oral- und anschließend den Vaginalverkehr vollzog;

3./ „im Anschluss“ an die zu A./I./2./ geschilderte Tat, indem er sich auf die am Rücken Liegende setzte, mit seiner Hand ihren Hals packte und immer wieder zudrückte, wenn sie ihren Kopf wegdrehen wollte, und so gegen ihren Willen den Oral- und anschließend den Vaginalverkehr durchführte;

II./ am 23. November 2013 durch gefährliche Drohung mit dem Tod, nämlich die Äußerung: „Wenn du nicht leise bist, werde ich dich heute noch umbringen, hier herinnen, ich bring dich um!“ zur „Abstandnahme mit ihm im Lokal lautstark zu streiten“ zu nötigen versucht;

III./ am 25. November 2013

1./ gefährlich mit dem Tod bedroht, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen, indem er zu ihr sagte, sie werden beide die Wohnung heute Nacht nicht lebend verlassen, wobei er zuvor mehrere Messer in den Räumen versteckt hatte;

2./ die persönliche Freiheit entzogen, indem er „zwischen den Tätlichkeiten plötzlich“ ihre im vierten Stock befindliche Wohnung versperrte, eine Kette vor die Tür hängte und sämtliche Schlüssel und ihr Mobiltelefon an sich nahm, sodass sie keine Möglichkeit hatte, aus der Wohnung zu fliehen;

3./ vorsätzlich am Körper verletzt, wobei er ihr - weil sich die zahlreichen Angriffe über Stunden erstreckten besondere Qualen zufügte, indem er sie

a./ wiederholt mit seinen Fäusten schlug, wodurch sie eine Prellung und Abschürfungen am Kopf sowie Hämatome im Gesicht und an der Nase samt Nasenbluten erlitt;

b./ nach der zu A./III./3./a./ angeführten Tat würgte und ihr mit dem Plastikgriff eines 30 Zentimeter langen Fleischermessers mehrmals auf den Hinterkopf schlug, sie sodann weiter würgte, ihr Faustschläge versetzte und sie unterhalb des Armes biss, wodurch sie ein frontales Galea Hämatom und ein Weichteilhämatom, Abschürfungen und Hämatome im Halsbereich, eine Prellung des Brustkorbs und des Bauches sowie eine Bisswunde an der rechten Brustseite erlitt;

4./ eine schwere Körperverletzung (§ 84 Abs 1) absichtlich zuzufügen versucht, indem er ihr kurze Zeit nach den zu A./III./3./ angeführten Taten mehrere Faustschläge versetzte und - nachdem sie in das Badezimmer geflüchtet war und er die Glasfüllung der Türe eingetreten hatte - einen Glassplitter in die rechte Gesichtshälfte stach, wodurch sie eine Schnittwunde an der rechten Wange erlitt;

IV./ am 14. Juli 2013 vorsätzlich am Körper verletzt, indem er ihr einen Schlag ins Gesicht durch den sie gegen eine Metallstange des Bettes prallte und Schläge gegen den Körper versetzte, wodurch sie einen roten Fleck im Brustbereich, blaue Flecken unter dem linken Achselbereich sowie eine zirka ein Zentimeter lange Rissquetschwunde am Kopf erlitt;

B./ fremde Sachen zerstört, wobei er einen Schaden in unbekannter, 3.000 Euro nicht übersteigender Höhe herbeiführte, und zwar

1./ die Glasfüllung einer Badezimmertür der „W*****“;

2./ das Mobiltelefon der Nicole S*****.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus § 281 Abs 1 Z 5 und 9 lit a StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten verfehlt ihr Ziel.

Mit dem zu A./I./ erhobenen Einwand, die erstrichterlichen Konstatierungen, wonach der Angeklagte mit Nicole S***** „ungewollten Geschlechtsverkehr vollzogen“ habe, seien „unzutreffend“, weil sich beide bereits in der Vergangenheit in aufrechter Lebensgemeinschaft befunden hätten, „fast täglich“ einvernehmlichen Geschlechtsverkehr gehabt hätten und es daher „lebensnah“ sei, dass der Angeklagte das Einverständnis des Opfers annahm, wird kein Begründungsdefizit im Sinn der Z 5 angesprochen, sondern der Sache nach in unzulässiger Weise die Beweiswürdigung des Schöffengerichts bekämpft.

Auch die Behauptung, Nicole S***** habe die „erste angebliche Vergewaltigung“ erst ein Jahr später angezeigt, sodass ihr „die Glaubwürdigkeit abzusprechen“ sei und ihr „widersprüchliches Verhalten“ vom Angeklagten als Einverständnis zum Geschlechtsverkehr verstanden werden durfte, erschöpft sich in einer (in dieser Form unzulässigen) Beweiswürdigungskritik.

Durch eigenständige Beweiswerterwägungen zu den Aussagen des Angeklagten und der Zeugin Nicole S***** unter Berufung auf den Zweifelsgrundsatz wird kein Begründungsmangel aufgezeigt (vgl RIS Justiz RS0102162

,

RS0106588).

Warum eine Suchtmittelbeeinträchtigung des Opfers am 25. November 2013 „nicht außer Acht gelassen“ werden dürfe, lässt die Beschwerde offen.

Ebenso keiner Erwiderung zugänglich ist die zu A./I./1./2./ und 3./ aufgestellte Behauptung, die „festgestellten Spuren“ könnten auch von einer „am Vortag jedenfalls von beiden gewollten geschlechtlichen Handlung“ stammen.

Der weiteren Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) zuwider hat das Schöffengericht ohne Verstoß gegen die Kriterien logischen Denkens und empirischer Grundsätze (RIS Justiz RS0118317) dargelegt, warum es die Angaben der Zeugin Nicole S***** als glaubwürdig und jene des Angeklagten als nicht überzeugend erachtete (US 13 ff). Unter dem Aspekt der Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) übersieht der Beschwerdeführer im Übrigen, dass das Erstgericht dem Gebot gedrängter Darstellung der Entscheidungsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) folgend nicht verhalten war, die als „Schutzbehauptung“ gewertete Verantwortung des Angeklagten in den Entscheidungsgründen detailliert zu erörtern (RIS Justiz RS0106642).

Indem die Rechtsrüge (Z 9 lit a) zu A./I./1./ den Vorsatz des Angeklagten, Nicole S***** mit Gewalt zur Duldung des Beischlafs zu nötigen, in Abrede stellt, übergeht sie die (gegenteiligen) Urteilsannahmen (US 6) und verfehlt damit die verfahrenskonforme Darstellung materieller Nichtigkeit (RIS Justiz RS0099810).

Die Überlegungen, Nicole S***** könnte den Angeklagten „lediglich aus Rache und Wut über die erfolgten Körperverletzungen“ der Begehung einer Vergewaltigung bezichtigt haben, und die diagnostizierte posttraumatische Belastungsstörung „könnte (…) eine Auswirkung des jahrelangen Drogenkonsums sein“, richten sich abermals in unzulässiger Form gegen die erstrichterliche Beweiswürdigung.

Zu A./III./2./ leitet die Rechtsrüge (Z 9 lit a) aus der vom Erstgericht (im Rahmen der Beweiswürdigung) referierten Verantwortung des Angeklagten, Nicole S***** habe in der Wohnung 16 SIM Karten und 12 Mobiltelefone aufbewahrt (US 19), ab, diese sei „durch die Möglichkeit zur Flucht bzw. zum Hilferuf“ nicht in ihrer persönlichen Freiheit verletzt worden. Dabei nimmt sie neuerlich nicht an den Urteilskonstatierungen Maß, denen zufolge der Angeklagte seinem Opfer das einzige funktionstüchtige Mobiltelefon weggenommen hat (US 9 und 11).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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