1Ob24/15h – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ. Prof. Dr. Bydlinski, Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger und die Hofrätin Dr. Hofer Zeni Rennhofer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. M***** R*****, 2. M***** R*****, 3. H***** A***** H*****, 4. A***** M*****, 5. I***** F*****, 6. W***** O*****, 7. M***** O*****, 8. B***** F*****, 9. J***** O*****, 10. H***** O*****, alle ohne Beschäftigungsangabe, vertreten durch tusch.flatz.dejaco.rechtsanwälte gmbh, Feldkirch, gegen die beklagte Partei Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur, Singergasse 17 19, 1011 Wien, wegen jeweils 18.538,67 EUR (erst bis fünftklagende Parteien) und je 3.707,73 EUR (sechst bis zehntklagende Parteien) je sA, infolge der „außerordentlichen“ Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 17. Dezember 2014, GZ 4 R 184/14m 23, mit dem das Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom 18. August 2014, GZ 17 Cg 11/14 17, abgeändert wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Akt wird dem Erstgericht zurückgestellt.
Text
Begründung:
Die Erst bis Fünftkläger sind die Geschwister des am 19. 6. 2004 verstorbenen E***** R*****. Die Sechst bis Zehntkläger sind die eingeantworteten (gesetzlichen) Erben einer weiteren Schwester des E***** R*****. Die Erst bis Fünftkläger und deren verstorbene Schwester gehör(t)en zu den Opfern der sogenannten „Vorarlberger Testamentsaffäre“.
Die Erst bis Fünftkläger begehrten zuletzt je 18.528,67 EUR sA und die Sechst bis Zehntkläger je 3.707,73 EUR sA aus dem Titel der Amtshaftung. Ihnen seien aufgrund von Testamentsmanipulationen Anwalts und andere Kosten entstanden, weil sie sich in den Verlassenschaftsverfahren nach E***** R***** und W***** R***** rechtsanwaltlich vertreten hätten lassen müssen. Ohne die Manipulationen hätten sie im Verlassenschaftsverfahren nach W***** R***** überhaupt keine Kosten gehabt; die Bestellung eines Verlassenschaftskurators in diesem Verfahren hätte sich erübrigt. Von den Gesamtkosten hätten die Erst bis Fünftkläger sowie die Rechtsvorgängerin der Sechst bis Zehntkläger jeweils ein Sechstel getragen.
Das Erstgericht erkannte die Beklagte schuldig, an die Erst bis Fünftkläger jeweils 17.338,60 EUR sA und an die Sechst bis Zehntkläger jeweils 3.467,72 EUR sA zu zahlen. Das Mehrbegehren wies es ab.
Dieses Urteil änderte das Berufungsgericht dahin ab, dass es das Klagebegehren zur Gänze abwies. Es sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei.
Die dagegen erhobene „außerordentliche“ Revision der Kläger legte das Erstgericht dem Obersten Gerichtshof direkt vor. Eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofs kommt (derzeit) aber nicht in Betracht.
Rechtliche Beurteilung
1. Eine Revision ist nach § 502 Abs 3 ZPO außer im Fall des § 508 Abs 3 ZPO jedenfalls unzulässig, wenn der Entscheidungsgegenstand in zweiter Instanz an Geld oder Geldeswert zwar 5.000 EUR, nicht aber insgesamt 30.000 EUR übersteigt und das Berufungsgericht die ordentliche Revision nach § 500 Abs 2 Z 3 ZPO für nicht zulässig erklärt hat.
2. Gemäß § 55 Abs 1 Z 2 und Abs 5 JN sind bei Beurteilung der Revisionszulässigkeit Ansprüche, die von mehreren Klägern geltend gemacht werden und jeweils 30.000 EUR nicht übersteigen, nur bei Vorliegen einer materiellen Streitgenossenschaft nach § 11 Z 1 ZPO zusammenzurechnen. Eine solche Streitgenossenschaft liegt auf Klägerseite vor, wenn die Kläger in Ansehung des Streitgegenstands in Rechtsgemeinschaft stehen was hier nicht der Fall ist oder aus demselben tatsächlichen Grund oder solidarisch berechtigt sind. Eine Berechtigung aus demselben tatsächlichen Grund im Sinn des § 11 Z 1 ZPO setzt einen einheitlichen rechtserzeugenden Tatbestand voraus, ohne dass für einen Streitgenossen noch weitere rechtserzeugende Tatsachen für die Ableitung des Anspruchs hinzutreten (RIS Justiz RS0035450).
3. Im vorliegenden Fall begehren die Kläger Schadenersatz aus dem Titel der Amtshaftung, weil ihnen aufgrund der Testamentsmanipulationen jeweils Anwalts und andere Kosten entstanden sind. Die Kläger verlangen somit den Ersatz des Schadens, den jeder der Erst bis Fünftkläger und die Rechtsvorgängerin der Sechst bis Zehntkläger selbst durch das rechtswidrige Verhalten unter anderem der damals am Bezirksgericht Dornbirn tätigen Personen erlitten hat. Wie im Fall mehrere aus einem Unfallereignis Geschädigter (vgl dazu RIS Justiz RS0110982) liegen insoweit auch hier lediglich gleichartige, auf einem im Wesentlichen gleichartigen tatsächlichen Grund beruhende Ansprüche im Sinne des § 11 Z 2 ZPO vor, nicht jedoch solche, die die Kläger als materielle Streitgenossen erscheinen ließen, wie dies § 55 Abs 1 Z 2 JN fordert (vgl 2 Ob 215/99b; 1 Ob 143/04t; RIS Justiz RS0112432 [T1]; RS0035470 [T7]). Eine Zusammenrechnung der von den Erst bis Fünftklägern geltend gemachten Ansprüchen sowie der von der Rechtsvorgängerin der Sechst bis Zehntkläger abgeleiteten Forderung findet daher nicht statt.
4. Die Sechst bis Zehntkläger leiten die von ihnen geltend gemachten Ansprüche nicht aus einer unmittelbaren Schädigung durch die Manipulation von Testamenten ab, sondern machen auf sie im Erbweg übergegangene Ansprüche und damit eine Forderung der Erblasserin geltend. Geht eine Forderung eines Erblassers auf mehrere Miterben über, so sind diese nach der Einantwortung als Streitgenossen nach § 11 Z 1 zweiter Fall ZPO anzusehen (RIS-Justiz RS0035470). Die Ansprüche der Sechst bis Zehntkläger sind damit zusammenzurechnen. Die Zulässigkeit der Revision ist daher für alle Kläger als formelle Streitgenossen (RIS Justiz RS0035710) gesondert, für die Sechst bis Zehntkläger untereinander aber gemeinsam zu beurteilen.
5. Der Wert des Entscheidungsgegenstands in zweiter Instanz übersteigt damit zwar auch hinsichtlich der Sechst bis Zehntkläger 5.000 EUR, in keinem Fall aber 30.000 EUR. Das Rechtsmittel wäre daher auch wenn es als „außerordentliches“ bezeichnet wird dem Berufungsgericht (allenfalls nach Verbesserung) vorzulegen gewesen. Ob die im Schriftsatz enthaltenen Ausführungen, wonach die Revision zulässig sei, den Erfordernissen des § 508 Abs 1 ZPO entsprechen, bleibt der Beurteilung der Vorinstanzen vorbehalten (RIS Justiz RS0109623 [T5, T8]; RS0109501 [T12]).
Aus diesen Erwägungen ist der Akt dem Erstgericht zurückzustellen.