JudikaturOGH

15Os134/14s – OGH Entscheidung

Entscheidung
18. Februar 2015

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 18. Februar 2015 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel Kwapinski, Mag. Fürnkranz und Dr. Mann als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Humer als Schriftführerin im Verfahren zur Unterbringung des Vasili S***** in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 10. Juni 2014, GZ 4 Hv 121/13y 46, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wies das Landesgericht für Strafsachen Graz den Antrag der Staatsanwaltschaft auf Unterbringung des Vasili S***** in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 1 StGB ab.

Dem Antrag zufolge habe der Genannte in Graz unter dem Einfluss eines die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustands (§ 11 StGB), welcher auf einer geistigen oder seelischen Abartigkeit von höherem Grad, und zwar einer ausgeprägten emotional instabilen Persönlichkeitsstörung vom Borderline Typ und einer schizoaffektiven Störung und Depression, beruht,

1./ Justizwachebeamte der Justizanstalt Graz Karlau mit Gewalt an seiner Verlegung in einen anderen Haftraum zu hindern versucht, und zwar

a./ am 30. März 2013 durch das Versetzen von Schlägen und Tritten gegen Harald K*****, Helmut Kl*****, Martin H*****, Christoph U*****, Mario So***** sowie Jürgen Hö*****;

b./ am 31. März 2013 durch das wiederholte Schleudern seiner Holzpantoffel gegen Christoph U***** und Heimo N***** sowie das Versetzen von Schlägen und Tritten gegen Harald K*****, Helmut Kl*****, Martin H*****, Christoph U*****, Mario So***** sowie Heimo N*****;

2./ durch die zu 1./a./ und b./ angeführte Gewalt die genannten Justizwachebeamten vorsätzlich am Körper zu verletzen versucht, wobei er die Taten an Beamten während und wegen der Vollziehung ihrer Aufgaben begangen habe und die Tatvollendung aufgrund der Verwendung von Schutzausrüstungen durch die genannten Beamten gescheitert sei.

Gegen dieses Urteil richtet sich die auf die Z 5 und Z 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft.

Rechtliche Beurteilung

Der sich lediglich auf I./a./ und b./ beziehenden Mängelrüge (Z 5 erster und dritter Fall) zuwider sind die Urteilskonstatierungen zu I./a./, wonach einerseits Vasili S***** während der Fixierung um sich geschlagen und getreten habe, „dies aber ohne die Justizwachbeamten gezielt zu schlagen bzw zu treten“ (US 4 erster Absatz), und andererseits nicht festgestellt werden könne, dass der Betroffene seine Verbringung zur ärztlichen Untersuchung am 30. März 2013 durch das Versetzen von Schlägen bzw Tritten gegen die Beamten K*****, Kl*****, H*****, U*****, So***** oder Hö***** zu verhindern suchte (US 4 letzter Absatz und US 5 erster Absatz erster Satz), weder widersprüchlich noch undeutlich, weil die erstgenannte Feststellung keine (der zweitgenannten Konstatierung entgegenstehende) Aussage zur Intention des Betroffenen enthält und die Frage, ob ausgeführte Schläge oder Tritte gezielt oder nicht gezielt und überdies in Verletzungsabsicht erfolgten, keine entscheidende Tatsache betrifft (RIS Justiz RS0095752; RS0106268; Fabrizy , StGB 11 § 269 Rz 4a; Danek in WK² StGB § 269 Rz 67).

Auch zu I./b./ liegt kein Widerspruch im Sinn der Z 5 dritter Fall des § 281 Abs 1 StPO vor, weil sich die Feststellung einer Verzögerungs oder Verhinderungsabsicht (US 4 erster Absatz vorletzter Satz) insbesondere im Licht einer Gesamtbetrachtung sämtlicher zu diesem Vorfall getroffenen Konstatierungen (US 4 letzter Absatz, US 5 erster Absatz, US 8 und 10 jeweils dritter Absatz) erkennbar bloß auf den nicht tatbestandsrelevanten passiven Widerstand des Betroffenen während der Fixierung bezieht (US 4; RIS Justiz RS0099636; RS0117402 [T17]; RS0095738; Danek in WK² StGB § 269 Rz 60).

Ein Feststellungsmangel wird geltend gemacht, indem unter Hinweis auf einen nicht durch Feststellungen geklärten, jedoch indizierten Sachverhalt eine vom Erstgericht nicht gezogene rechtliche Konsequenz angestrebt wird, weil dieses ein Tatbestandsmerkmal, einen Ausnahmesatz (§ 281 Abs 1 Z 9 lit a bis c StPO) oder eine andere rechtliche Unterstellung bei der rechtlichen Beurteilung nicht in Anschlag gebracht hat (RIS Justiz RS0118580). Dem wird die Anklagebehörde nicht gerecht, indem sie betreffend die subjektive Tatseite schlicht andere als die von den Tatrichtern getroffenen Feststellungen fordert.

Da die (im Wege der Mängelrüge erfolglos bekämpfte) Urteilsannahme eines nicht feststellbaren, auf die Verhinderung der „Verbringung zur ärztlichen Untersuchung am 30. März 2013 bzw in einen anderen Beobachtungsraum am 31. März 2013“ gerichteten Vorsatzes (US 4 letzter Absatz und US 5 erster Absatz erster Satz) und die nominell gar nicht bekämpfte Konstatierung, dass ein „Vorsatz hinsichtlich eines Widerstandes“ nicht festgestellt werden könne (US 5 erster Absatz zweiter Satz), einer antragsgemäßen Unterbringung des Betroffenen in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 1 StGB wegen der zu I./ angeführten Handlungen jedenfalls entgegenstehen, geht das weitere Vorbringen der Nichtigkeitsbeschwerde betreffend das Fehlen von Feststellungen zum Vorliegen einer tiefgreifenden Bewusstseinsstörung im Sinn des § 11 StGB und zur Gefährlichkeitsprognose ins Leere.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokurator schon bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

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