9ObA128/14k – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Mag. Ziegelbauer und Dr. Hargassner sowie die fachkundigen Laienrichter KR Mag. Paul Kunsky und Harald Kohlruss als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei P***** L*****, vertreten durch Dr. Karl Hepperger, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen die beklagten Parteien 1. O***** GmbH Co KG und 2. O***** GmbH, beide *****, beide vertreten durch Dr. Thomas Praxmarer, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen 67.460 EUR brutto abzüglich 4.782,99 EUR netto sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen vom 19. September 2014, GZ 15 Ra 69/14f 42, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision der klagenden Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Die beklagten Parteien haben die Kosten ihrer Revisionsbeantwortung selbst zu tragen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
1. Vom Berufungsgericht bereits verneinte Mängel des Verfahrens erster Instanz können im Revisionsverfahren nicht neuerlich geltend gemacht werden (RIS Justiz RS0042963). Dieser Grundsatz kann auch nicht durch die Behauptung, das Berufungsverfahren sei - weil das Berufungsgericht diesen Verfahrensmangel nicht aufgegriffen habe - nichtig, umgangen werden. Welchen Nichtigkeitsgrund das Berufungsgericht verletzt haben soll, wird in der Revision auch nicht dargelegt.
2. Ob die Voraussetzungen für eine gerechtfertigte vorzeitige Auflösung des Dienstverhältnisses erfüllt sind, insbesondere ob der Tatbestand der Vertrauensunwürdigkeit verwirklicht wurde, kann nur aufgrund der Umstände des Einzelfalls beurteilt werden (8 ObA 87/13x; 9 ObA 21/14z; RIS Justiz RS0106298; RS0029547 [T28]; RS0103201). Eine krasse Fehlbeurteilung des Berufungsgerichts, die ein korrigierendes Eingreifen des Obersten Gerichtshofs erfordern würde, vermag der Kläger in seiner außerordentlichen Revision nicht aufzuzeigen.
Der Tatbestand der Vertrauensunwürdigkeit iSd § 27 Z 1 letzter Fall AngG erfasst Handlungen oder Unterlassungen eines Angestellten, die mit Rücksicht auf ihre Beschaffenheit und auf ihre Rückwirkung auf das Arbeitsverhältnis den Angestellten des dienstlichen Vertrauens seines Arbeitgebers unwürdig erscheinen lässt, weil dieser befürchten muss, dass der Angestellte seine Pflichten nicht mehr getreulich erfüllen werde, sodass dadurch die dienstlichen Interessen des Arbeitgebers gefährdet sind (RIS Justiz RS0029547).
Dem im Außendienst tätigen Kläger wurde mit schriftlicher Weisung der Beklagten vom 12. 7. 2012 klar und unmissverständlich das Kassieren von Geldbeträgen bei Kunden untersagt. Konkreter Anlassfall dieser Weisung war ein vom Kläger bereits am 23. 3. 2012 von einem Kunden entgegengenommener, aber bis 12. 7. 2012 der Beklagten noch immer nicht abgeführter Geldbetrag von 1.236,67 EUR. Entgegen dieser Anordnung der Beklagten, die vom Kläger auch gar nicht als ungerechtfertigt beurteilt wird, kassierte der Kläger bei Kunden am 4. 2. 2013 einen Betrag von 622,26 EUR, den er der Beklagten erst am 28. 2. 2013 übergab, sowie im Winter 2013 Beträge von 200 EUR und am 18. 2. 2013 von 252 EUR, die er bislang noch nicht bei der Beklagten ablieferte. Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, schon dieses Verhalten mache den Kläger vertrauensunwürdig und begründe die Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung des Klägers, ist vertretbar. Ob das dem Kläger bereits am 12. 9. 2008 schriftlich erteilte Inkassoverbot von der Beklagten in der Folge „sozusagen aufgehoben“ wurde, weil sie akzeptiert habe, dass der Kläger entgegen dieser Verwarnung weiter Beträge bei Kunden kassiert und der Beklagten abgeliefert habe, ohne dass die Beklagte dies beanstandet hätte, ist angesichts der neuerlichen Verwarnung vom 12. 7. 2012 mit Androhung der Entlassung bei neuerlichem Zuwiderhandeln nicht entscheidend. Die vom Kläger relevierte Frage, „in wie weit ein Dienstnehmer einen diesbezüglich wankelmütigen Dienstgeber überhaupt ernst nehmen müsse“, geht am relevanten Sachverhalt vorbei.
Von einem verhältnismäßig geringfügigen Zuwiderhandeln, wie es immer wieder vorkommt und bei der Beurteilung der Vertrauensunwürdigkeit nicht ins Gewicht fällt, kann hier nicht gesprochen werden. Der Entscheidung 14 ObA 25/87, die vom Kläger ins Treffen geführt wird, lag ein gänzlich anderer Sachverhalt zugrunde.
In der außerordentlichen Revision wird zwar zutreffend ausgeführt, dass bei Prüfung des Entlassungsgrundes der Vertrauensunwürdigkeit an das Verhalten des Angestellten ein objektiver Maßstab anzulegen ist und es nicht auf das subjektive Empfinden des Dienstgebers ankommt (RIS Justiz RS0029733; RS0029833). Soweit der Kläger eine Auseinandersetzung der Vorinstanzen mit der Frage, ob die Geschäftsführer der Beklagten ausreichend Grund hatten, zu befürchten, dass ihre Belange durch den Kläger gefährdet seien, verlässt er jedoch diese von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze.
Die Argumentation des Klägers, „bei der vorliegenden ungerechtfertigten Entlassung handle es sich um einen jener tragischen Fälle, wo auf unfaire Art und Weise versucht werde, einen langjährigen, treuen und loyalen Angestellten knapp vor Fälligwerden einer (hohen) Abfertigung loszuwerden“, um sich Sonderzahlungen, Abfertigung und sonstige Zahlungen „ersparen zu können“, weicht vom festgestellten Sachverhalt ab.
3. Da der Revisionswerber zu der vom Berufungsgericht vertretbar angenommenen Entlassung wegen Vertrauensunwürdigkeit keine erhebliche Rechtsfrage aufzeigt, muss auf die weiteren Überlegungen zu einer Entlassung des Klägers wegen Verletzung des Konkurrenzverbots nicht mehr eingegangen werden.
Mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO ist die außerordentliche Revision des Klägers zurückzuweisen.
Den Beklagten stehen für die ihnen nicht freigestellte Revisionsbeantwortung (§ 508a Abs 2 letzter Satz ZPO) keine Kosten zu (RIS Justiz RS0043690 [T6, T7]).