JudikaturOGH

7Nc31/14i – OGH Entscheidung

Entscheidung
28. Januar 2015

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Hofrätin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und die Hofräte Dr. Höllwerth, Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Malesich und Dr. Singer als weitere Richter in der beim Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien zu AZ 54 Cg 85/12k anhängigen Rechtssache der klagenden Partei Dr. M***** S*****, vertreten durch Dr. Christoph Gottesmann, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Verlassenschaft nach M***** M*****, vertreten durch die Erbin Dr. J***** C***** M*****, vertreten durch Preslmayer Rechtsanwälte OG in Wien, wegen 113.340 EUR sA und Rechnungslegung, infolge der vom Präsidenten des Oberlandesgerichts Wien angezeigten Befangenheit der Richter des Oberlandesgerichts Wien den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Es wird die Befangenheit sämtlicher Richterinnen und Richter des Oberlandesgerichts Wien festgestellt.

Zur (Verhandlung und) Entscheidung als Rechtsmittelgericht im Verfahren AZ 54 Cg 85/12k des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien wird das Oberlandesgericht Linz als zuständig bestimmt (§ 30 JN).

Text

Begründung:

Die Klägerin im Verfahren AZ 54 Cg 85/12k des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien ist die Vorsitzende des Senats ***** des Oberlandesgerichts Wien, Senatspräsidentin Dr. M***** S*****. Gegen diverse in diesem Verfahren gefasste Beschlüsse wurden unter anderem auch von der Klägerin Rekurse erhoben, die beim Oberlandesgericht Wien im Senat ***** anfielen.

Der Präsident des Oberlandesgerichts Wien legt den Akt dem Obersten Gerichtshof zur Entscheidung gemäß § 23 JN und zur allfälligen Delegation der Rechtssache an ein anderes Gericht gleicher Gattung gemäß § 30 JN vor.

Sämtliche am Oberlandesgericht Wien ernannten Richterinnen und Richter erklärten sich mit der Begründung für befangen, sie hätten mit der Klägerin dienstliche Kontakte und/oder seien mit ihr freundschaftlich oder zumindest kollegial verbunden.

Rechtliche Beurteilung

Ist ein Gericht aus einem der in § 19 JN vorgesehenen Gründe an der Ausübung der Gerichtsbarkeit gehindert, so hat dasselbe diese Verhinderung dem im Instanzenzug übergeordneten Gericht anzuzeigen. Dieses hat über die Befangenheit zu befinden und gegebenenfalls ein anderes Gericht gleicher Gattung zur Verhandlung und Entscheidung der Rechtssache zu bestimmen (§ 30 JN).

Im vorliegenden Fall haben alle Richterinnen und Richter des Oberlandesgerichts Wien Umstände angezeigt, die geeignet sind, ihre volle Unbefangenheit einem Zweifel auszusetzen. Die bekannt gegebenen dienstlichen und/oder privaten persönlichen Beziehungen könnten den aus den äußeren Umständen abgeleiteten Anschein, dass bei der Entscheidung andere als sachliche Motive eine Rolle spielen, begründen. Bei der Selbstanzeige einer Befangenheit durch den Richter ist unter Beachtung des Interesses am Ansehen der Justiz kein strenger Prüfungsmaßstab anzulegen und grundsätzlich die Befangenheit zu bejahen (RIS Justiz RS0045943 [T3]).

Da das Oberlandesgericht Wien durch das Ausscheiden der befangenen Richter beschlussunfähig geworden ist, hat der Oberste Gerichtshof über die Befangenheit zu erkennen (§ 23 JN).

Im Hinblick auf die Befangenheit sämtlicher Richterinnen und Richter des Oberlandesgerichts Wien ist es im Sinn des § 30 Abs 1 JN an der Ausübung der Gerichtsbarkeit gehindert (RIS Justiz RS0113796). Gemäß § 30 Satz 2 JN ist ein anderes Oberlandesgericht als Gericht gleicher Gattung (als Rechtsmittelgericht) zur Entscheidung zu bestimmen.

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