3Ob146/14p – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden sowie den Hofrat Univ. Prof. Dr. Neumayr, die Hofrätin Dr. Lovrek und die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei H*****, vertreten durch Mag. Bernhard Österreicher, Rechtsanwalt in Wien, gegen die verpflichtete Partei A*****, wegen Räumungsexekution, infolge außerordentlichen Revisionsrekurses der verpflichteten Partei, vertreten durch den im Verfahren AZ 6 C 345/11k des Bezirksgerichts Meidling bestellten Verfahrenshelfers Mag. Wolfgang Kapek, Rechtsanwalt, 1030 Wien, Schwarzenbergplatz 7, vertreten durch e/n/w/c Natlacen Walderdorff Cancola Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 11. Juli 2014, GZ 38 R 62/14w 18, womit der Rekurs des genannten Verfahrenshelfers gegen den Beschluss des Bezirksgerichts Meidling vom 30. Jänner 2014, GZ 6 E 89/13x 5, zurückgewiesen wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß (§ 78 EO iVm) § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Text
Begründung:
Mit Beschluss vom 30. Jänner 2014 bewilligte das Erstgericht der betreibenden Partei gegen die verpflichtete Partei die zwangsweise Räumung einer Wohnung. Im Titelverfahren war der dort beklagten und nun verpflichteten Partei RA Mag. Wolfgang Kapek als Verfahrenshelfer beigegeben worden.
Der die Räumung bewilligende Beschluss wurde der verpflichteten Partei am 5. Februar 2014 zugestellt. Am 14. Februar 2014 langte beim Erstgericht ein von RA Mag. Kapek namens der Verpflichteten erhobener Rekurs gegen die Bewilligung der Räumung ein. Darin wies RA Mag. Kapek darauf hin, dass der Antragstellerin ausdrücklich Verfahrenshilfe für das Titelverfahren und das anschließende Exekutionsverfahren gewährt worden sei.
Ausgehend von der Rechtsansicht, dass sich die im Titelverfahren der beklagten Partei und nunmehrigen verpflichteten Partei bewilligte Verfahrenshilfe nicht auf das gegen sie betriebene Räumungsexekutionsverfahren erstrecke, veranlasste das Rekursgericht ein Verbesserungsverfahren zum Nachweis der Vertretungsbefugis. RA Mag. Kapek wies erneut auf seine Bestellung zum Verfahrenshelfer für das Titelverfahren und das anschließende Exekutionsverfahren hin.
Daraufhin wies das Rekursgericht den Rekurs als unzulässig zurück. Die im Titelverfahren bewilligte Verfahrenshilfe erstrecke sich nicht auf ein Exekutionsverfahren, das nicht von der die Verfahrenshilfe genießenden Partei eingeleitet worden sei. Der seinerzeit im Titelverfahren bestellte Verfahrenshelfer sei nicht legitimiert, im Exekutionsverfahren Rekurs zu erheben.
Rechtliche Beurteilung
Das Rekursgericht sprach aus, dass der Revisionsrekurs mangels erheblicher Rechtsfrage nicht zulässig sei; nachträglich wurde der Ausspruch ergänzt, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteigt.
Der dagegen von der verpflichteten Partei, vertreten durch den im Titelverfahren bestellten Verfahrenshelfer, erhobene außerordentliche Revisionsrekurs ist nicht zulässig.
1. Im vorliegenden Fall hat das Rekursgericht den von dem im Titelverfahren bestellten Verfahrenshelfer namens der verpflichteten Partei erhobenen Rekurs wegen Fehlens einer allgemeinen Prozessvoraussetzung (der Vertretungsmacht des Einschreiters) zurückgewiesen. Im Streit um die Vertretungsbefugnis ist der Einschreiter als vertretungsbefugt zu behandeln (vgl 6 Ob 569/82 = JBl 1983, 210 [ P. Böhm ]; Zib in Fasching/Konecny 2 § 37 ZPO Rz 6).
2. Beschlüsse, mit denen das Rekursgericht einen Rekurs gegen eine erstinstanzliche Entscheidung zurückgewiesen hat, sind nur dann anfechtbar, wenn (kumulativ) eine erhebliche Rechtsfrage vorliegt und der Entscheidungsgegenstand 5.000 EUR übersteigt (RIS Justiz RS0044501). Als „allgemeine“ Bestimmung der ZPO über das Rechtsmittel des Rekurses gilt § 528 ZPO gemäß § 78 EO auch im Exekutionsverfahren (RIS Justiz RS0002321).
Eine erhebliche Rechtsfrage wird im außerordentlichen Revisionsrekurs nicht dargestellt.
3. Die im Revisionsrekurs vertretene Rechtsansicht lässt sich dahin zusammenfassen, dass das Exekutionsverfahren von der der (nun) verpflichteten Partei im Titelverfahren bewilligten Verfahrenshilfe umfasst sei, wie auch im Beschluss über die Bewilligung der Verfahrenshilfe ausgesprochen worden sei („für das weitere Verfahren einschließlich eines nach Abschluss eines Rechtsstreites eingeleiteten Vollstreckungsverfahrens“). Abgesehen davon, dass eine unterschiedliche Behandlung der betreibenden und der verpflichteten Partei gegen das Gleichbehandlungsgebot verstoßen würde, sei die Formulierung im Verfahrenshilfebewilligungsbeschluss der nötigen Klarheit, wer nun vertretungsbefugt ist, abträglich.
4. Der äußerste Umfang der Verfahrenshilfe ergibt sich nicht aus dem Bestellungsbeschluss, sondern aus § 64 Abs 1 ZPO („Die Verfahrenshilfe kann … umfassen“). Das Gesetz verwendet in der genannten Bestimmung die Formulierung „für einen bestimmten Rechtsstreit und ein nach Abschluß des Rechtsstreits eingeleitetes Vollstreckungsverfahren“. Nichts anderes hat auch das Erstgericht in der im Revisionsrekurs aufgegriffenen Formulierung des Verfahrenshilfebewilligungsbeschlusses zum Ausdruck gebracht.
4.1. Nach der Rechtsprechung ist der der beklagten Partei im Titelverfahren beigegebene Verfahrenshelfer als solcher nicht befugt, die dann verpflichtete Partei in dem zur Erbringung der titulierten Leistung von Betreibenden eingeleiteten Exekutionsverfahren zu vertreten (RIS Justiz RS0035997; zuletzt 3 Ob 45/14k).
4.2. Diese Rechtsprechung wird auch von der Lehre unterstützt. M. Bydlinski (in Fasching/Konecny 2 § 64 ZPO Rz 2) weist darauf hin, dass der gesetzlichen Regelung offensichtlich die Annahme zugrunde liegt, dass die Partei nur einen im Prozess bereits als berechtigt anerkannten Anspruch in der Zwangsvollstreckung (weiter-)verfolgen will; nur dort kann nämlich eine neuerliche Prüfung der Frage einer allfälligen Aussichtslosigkeit oder Mutwilligkeit (auch die Frage der Einbringlichkeit war bereits Verfahrensgegenstand) unterbleiben, wogegen Maßnahmen des Verpflichteten in der Exekution (etwa Rekurse, Aufschiebungsanträge, exekutionsrechtliche Klagen etc) einer ganz eigenen Beurteilung unterliegen. Infolge der sachlichen Begründetheit der Differenzierung ist auch kein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz zu erblicken.
4.3. Diese Überlegungen führen zum Ergebnis, dass ein für den Beklagten im Titelverfahren auch für das nachfolgende Exekutionsverfahren bestellter Verfahrenshelfer dort nur dann vertretungsbefugt ist, wenn der Beklagte obsiegte und einen titulierten Anspruch (seine Kostenforderung) in dem von ihm eingeleiteten Exekutionsverfahren betreibt. Der zitierte Gesetzeswortlaut und die Formulierung im Bestellungsbeschluss beziehen sich nur auf die im Titelverfahren obsiegende Partei.
4.4. Wie bereits das Rekursgericht ausgeführt hat, liegen den Entscheidungen 3 Ob 1081/91 und 3 Ob 261/98v keine Sachverhalte zugrunde, die dem hier zu entscheidenden entsprechen würden.
5. Mangels erheblicher Rechtsfrage ist der außerordentliche Revisionsrekurs zurückzuweisen.