23Os5/14d – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof als Disziplinargericht für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter hat am 11. November 2014 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp als Vorsitzenden, die Anwaltsrichter Mag. Brunar und Dr. Mascher sowie den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Sailer in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Tagwerker als Schriftführerin in der Disziplinarsache gegen Dr. Wilfried W***** wegen der Vergehen der Berufspflichtenverletzung und der Beeinträchtigung von Ehre oder Ansehen des Standes über die Beschwerden des Disziplinarbeschuldigten gegen die Beschlüsse des Disziplinarrats der Vorarlberger Rechtsanwaltskammer vom 10. April 2014, AZ D 21/13, DV 3/14 (ON 7) und dessen Vorsitzenden vom 4. Juli 2014 (ON 10) nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Beschwerde gegen den Beschluss des Vorsitzenden wird Folge gegeben und dieser ersatzlos aufgehoben.
Der Beschwerde gegen den Beschluss des Disziplinarrats wird dahin Folge gegeben, dass der Ausspruch der Zurückweisung des Antrags auf Ablehnung der Untersuchungskommissärin wegen Befangenheit (I) ersatzlos aufgehoben wird. Im Übrigen wird ihr nicht Folge gegeben.
Text
Gründe:
Mit Beschluss des Disziplinarrats der Vorarlberger Rechtsanwaltskammer vom 10. April 2014, AZ D 21/13, DV 3/14 (ON 7), wurden Anträge des Disziplinarbeschuldigten auf Ablehnung der Untersuchungskommissärin wegen Befangenheit (I) und auf „Rückverweisung der Disziplinarsache an den Ausschuss der Vorarlberger Rechtsanwaltskammer“ (II) zurückgewiesen und ein Einleitungsbeschluss gefasst (III).
Dagegen erhob der Disziplinarbeschuldigte Beschwerde unter gleichzeitiger Ablehnung der Mitglieder des Disziplinarrats.
Diese Beschwerde wies der Vorsitzende des Disziplinarrats der Vorarlberger Rechtsanwaltskammer mit Beschluss vom 4. Juli 2014 (ON 10) zurück.
Der gegen den letztgenannten Beschluss gerichteten Beschwerde kommt Berechtigung zu, weil gemäß § 48 DSt zur Entscheidung über das Rechtsmittel der Beschwerde gegen Beschlüsse des Disziplinarrats der Oberste Gerichtshof berufen ist. Eine Kompetenz des Senatsvorsitzenden des Disziplinarrats (vgl § 15 Abs 1 DSt) zur Vorprüfung der Zulässigkeit einer gegen einen vom Disziplinarrat gefassten Beschluss gerichteten Beschwerde besteht nicht. Sein Beschluss war daher ersatzlos zu kassieren.
Rechtliche Beurteilung
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Disziplinarrats vom 10. April 2014 (ON 7) ist teilweise berechtigt:
Nach § 26 Abs 5 DSt hat über das Vorliegen von Ausschließungs und Befangenheitsgründen der Präsident des Disziplinarrats zu entscheiden. Das gilt auch betreffend die Befangenheit des Untersuchungskommissärs, der gemäß § 27 Abs 1 DSt ein Mitglied des Disziplinarrats zu sein hat.
Die Zurückweisung des Antrags auf Ablehnung der Untersuchungskommissärin laut Punkt I des angefochtenen Beschlusses, die der Disziplinarrat damit begründete, dass ein solches Begehren im DSt nicht vorgesehen wäre, ist daher nicht nur verfehlt, sondern auch von einem nicht dazu berufenen Gremium beschlossen worden und war daher aufzuheben. Eine neuerliche Entscheidung über die allfällige Befangenheit der Untersuchungskommissärin hat fallbezogen aber im Hinblick auf den bereits vorliegenden Einleitungsbeschluss, gegen den gemäß § 28 Abs 2 letzter Satz DSt kein Rechtsmittel zulässig ist, nicht mehr stattzufinden.
Zutreffend hat der Disziplinarrat aber erkannt, dass eine Rückverweisung der Disziplinarsache an den Ausschuss der Vorarlberger Rechtsanwaltskammer im DSt nicht vorgesehen ist. Gemäß § 21 leg cit ist der Kammeranwalt nämlich nicht nur im Auftrag des Ausschusses der Rechtsanwaltskammer, sondern auch von Amts wegen dazu berufen, in Disziplinarsachen der Rechtsanwälte tätig zu werden. Eine (neuerliche) Befassung des Ausschusses ist im Fall der Einleitung eines Disziplinarverfahrens nicht vorgesehen.