JudikaturOGH

1Ob164/14w – OGH Entscheidung

Entscheidung
22. Oktober 2014

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ. Prof. Dr. Bydlinski, Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger und die Hofrätin Dr. Hofer Zeni Rennhofer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei L*****, vertreten durch Mag. Daniel Leodolter, Rechtsanwalt in Salzburg, gegen die beklagte Partei Land Salzburg, vertreten durch Loimer Scharzenberger Preis, Rechtsanwälte Partnerschaft in Salzburg, wegen 5.716 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Endurteil des Landesgerichts Salzburg als Berufungsgericht vom 10. Juli 2014, GZ 53 R 109/14g 17, mit dem das Teilurteil des Bezirksgerichts Salzburg vom 3. März 2014, GZ 32 C 395/13f 13, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 559,15 EUR (darin 93,19 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Die Klägerin als Verwahrerin und die Beklagte schlossen am 16. 2. 2010 einen Rahmenvertrag („Verwahrungsvertrag“) ab, in dem sich die Klägerin verpflichtete, die Haltung von entlaufenen, ausgesetzten, zurückgelassenen, beschlagnahmten, abgenommenen oder für verfallen erklärten Tieren nach Maßgabe der räumlichen Kapazitäten über Auftrag einer Bezirksverwaltungsbehörde unter näher geregelten Voraussetzungen und Bedingungen, zu denen auch bestimmte Vergütungssätze gehören, zu übernehmen. Die Vereinbarung enthält in Punkt „II. Übernahme von Tieren“ noch folgende Regelung: „Werden aufgefundene Tiere ohne Auftrag einer Bezirksverwaltungsbehörde beim Verwahrer abgegeben, ist diese unverzüglich unter Anschluss des ausgefüllten Fundformulars zu benachrichtigen oder hat eine unverzügliche Bekanntgabe auf der Internetseite des Landes www.fundtiere.salzburg.at zu erfolgen. Die Zustimmung der Bezirksverwaltungsbehörde gilt als erteilt, wenn nicht binnen drei Tagen ab Einlangen des Fundformulars oder Bekanntgabe im Internet eine anderslautende Anweisung erfolgt.“ Im Jahr 2011 wurde auf der Liegenschaft der Klägerin eine „Welpenklappe“ eingerichtet, in die jedermann anonym Tiere abgeben konnte, die bis zu ihrem Auffinden vor Kälte, Wind und Feuchtigkeit geschützt waren. Über die Einrichtung einer solchen Welpenklappe war vor oder bei Abschluss des Vertrags nie gesprochen worden. Die Klägerin und ihre Tochter kontrollierten ca drei Mal täglich die Welpenklappe und nahmen darin befindliche Tiere in ihre Betreuung. Daten der aufgefundenen Tiere wurden regelmäßig noch am Tag der Auffindung mit dem Vermerk „Welpenklappe“ in die Fundtierdatenbank eingegeben. Mit Schreiben vom 2. 9. 2011 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass Tiere, die in der Welpenklappe abgegeben worden seien, nicht vom Verwahrungsvertrag umfasst wären und dass auch keinerlei Auftrag seitens einer Bezirksverwaltungsbehörde oder des Landes zur Einrichtung einer „Welpenklappe“ oder der Übernahme von Tieren auf diesem Weg erteilt worden sei oder erteilt werden werde. Zwischen 15. 9. 2011 und 30. 9. 2011 stellte die Klägerin für ihrer Darstellung nach zwischen 15. 8. 2011 und 1. 9. 2011 in der Welpenklappe aufgefundene Tiere Rechnungsbeträge in der Gesamthöhe des Klagebetrags in Rechnung.

Die Klägerin begehrte die Zahlung von 5.716 EUR samt Zinsen und brachte dazu im Wesentlichen vor, dass es keinen sachlichen Grund gebe, zwischen in der Welpenklappe und in der Nähe der Welpenklappe ausgesetzten Tieren zu differenzieren. Auf die Veröffentlichung der Tiere in der Datenbank sei binnen drei Tagen keine Anweisung erfolgt, sodass gemäß Punkt II. des Vertrags die Zustimmung der Bezirksverwaltungsbehörde als erteilt gelte. Die Beklagte habe auch nicht umgehend reagiert, da ihr bereits am 15. 8. 2011 durch die erstmalige Veröffentlichung in der Tierdatenbank bekannt gewesen sei, dass es sich um Tiere handle, die in der Welpenklappe ausgesetzt worden seien.

Die Beklagte wandte im Wesentlichen ein, die in der Welpenklappe aufgefundenen Tiere seien nicht vom Vertrag umfasst, zumal es sich nicht um „ausgesetzte“ Tiere gemäß § 30 Abs 2 TSchG handle. Mangels konkreter Benennung eines Finders und der sonst notwendigen Eintragungen in der Fundtierdatenbank könne auch nicht nachvollzogen werden, ob es sich dabei tatsächlich um „verlorene und entlaufene“ Tiere und somit um Fundtiere im eigentlichen Sinn handle, welche Gegenstand des Vertrags seien. Die Beklagte habe auch unverzüglich mit Schreiben vom 2. 9. 2011 reagiert. Weiters wandte die Beklagte hilfsweise eine Gegenforderung ein.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren mit Teilurteil statt und erklärte, dass über die eingewendete Gegenforderung mit Endurteil entschieden werde. Die ersten vier Rechnungen im Gesamtbetrag von 2.476 EUR seien schon deshalb berechtigt, weil keine anderslautende Weisung erteilt worden sei und damit die im Verwahrungsvertrag vereinbarte Zustimmung der Bezirksverwaltungsbehörde vorliege. Für die weiteren beiden Rechnungen über 1.440 EUR und 1.800 EUR sei die vereinbarte dreitägige Frist hingegen eingehalten worden; auch für diese Tiere sei aber jedenfalls die vertragsgemäße Vergütung zu leisten, handle es sich doch um Fundtiere im Sinne eines Überbegriffs für entlaufene, ausgesetzte und zurückgelassene Tiere, auch wenn sie in einer Welpenklappe abgelegt worden seien.

Das Berufungsgericht änderte diese Entscheidung in ein Endurteil im Sinne einer gänzlichen Klageabweisung ab und erklärte die ordentliche Revision für zulässig. Um beurteilen zu können, ob auch Tiere, die in oder in der Nähe der Welpenklappe abgelegt wurden, unter den Vertrag fielen und insoweit auch die vertraglich vorgesehene Zustimmungsfiktion greife, bedürfe es einer Vertragsauslegung, die nach § 914 ABGB zu erfolgen habe. Wenngleich die gesamten vertraglichen Regelungen im Lichte des § 30 TSchG zu sehen seien, komme es doch auf die Vertragsausgestaltung im Einzelfall vorrangig an. Vertragspunkt II. sehe betreffend die Übernahme von Tieren ausdrücklich den Auftrag einer Bezirksverwaltungsbehörde vor. Gehe man von § 30 TSchG aus, so erfasse die Zuständigkeit der Bezirksverwaltungsbehörde weder die Entgegennahme von Tieren noch die Ausforschung des Eigentümers. Erst wenn von der Sicherheitsbehörde bzw vom Bürgermeister nach den einschlägigen Bestimmungen des SPG der Eigentümer nicht ermittelt werden könne, sei die Bezirksverwaltungsbehörde zu verständigen, die Vorkehrungen treffen müsse, dass das Tier an eine Person oder Institution übergeben wird, die eine artgerechte Tierhaltung gewährleisten kann. Bedenke man, dass § 30 TSchG dem Tierhalter vor allem nicht die Möglichkeit eröffnen solle, sich der Pflichten für ein Tier als Halter dadurch zu entledigen, dass er es aussetzt oder sich sonst seiner anonym entledigt, sei Punkt II. des Vertrags dahin zu verstehen, dass neben dem ausdrücklichen Auftrag einer Bezirksverwaltungsbehörde nur solche Tiere erfasst sein sollten, die durch einen Dritten beim Verwahrer abgegeben werden. Es habe hier eine Ausnahmebestimmung für aufgefundene Tiere geschaffen werden sollen, die durch Dritte beim Verwahrer abgegeben werden, wobei schon das vorgesehene Ausfüllen eines Fundformulars und das Einstellen des Fundes auf einer Internetseite deutlich machten, dass sich Dritte beim Abgeben der Tiere als Finder deklarieren und nähere Angaben zu den Umständen des Auffindens des Tieres machen sollten. Gerade mit der mit Zustimmung der Klägerin erfolgten Errichtung der Welpenklappe sei aber auch gegenüber Tierhaltern gleichsam das Angebot abgegeben worden, nicht nur Fundtiere im eigentlichen Sinn in Verwahrung zu nehmen, sondern auch Tiere, deren sich der Überbringer als Halter durch Dereliktion entledigen will. Vom Regelungsinhalt des Verwahrungsvertrags und auch im Lichte des § 30 TSchG könne aber nicht davon ausgegangen werden, dass die Übernahme von derart zur Klägerin gelangten Tieren der vertraglichen Absicht der Parteien entsprochen habe. Es wäre vielmehr Sache der Klägerin gewesen, vor Einrichtung der Welpenklappe mit der Beklagten Kontakt aufzunehmen und die Einbeziehung derartiger Tiere in den Vertrag entsprechend zu regeln. Es bestehe daher keine Verpflichtung der Beklagten zur Kostentragung aus dem Verwahrungsvertrag für in der Welpenklappe aufgefundene Tiere. Dies gelte auch für die in der Nähe der Welpenklappe ausgesetzten Katzen; auch hier fehle es am Abgeben der Tiere durch einen Dritten beim Verwahrer. Wenngleich eine Vertragsauslegung stets im Einzelfall zu erfolgen habe, so dürfe nicht übersehen werden, dass einem nach § 30 Abs 2 TSchG abgeschlossenen Rahmenvertrag durchaus Bedeutung für die grundsätzliche Vertragsgestaltung auch in anderen Fällen zukommen könne, weshalb der behandelten Rechtsfrage durchaus die in § 502 Abs 1 ZPO genannte Bedeutung zukomme.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen erhobene Revision der Klägerin ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Zulässigkeitsausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig. Wie das Berufungsgericht an anderer Stelle seiner Entscheidung zutreffend dargelegt hat, kommt es hier auf die Vertragsausgestaltung im Einzelfall an, die regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage begründet (vgl dazu nur RIS Justiz RS0044358; RS0042871). Die Entscheidung im vorliegenden Fall hat aber auch schon deshalb keine Bedeutung für die „grundsätzliche Vertragsgestaltung auch in anderen Fällen“, weil eben ausschließlich über den Inhalt des konkret zu beurteilenden Vertrags abzusprechen ist, nicht aber auch darüber, welche Vertragsgestaltungen sonst in Betracht kämen und welche Rechtsfolgen sich bei abweichenden Vertragsgestaltungen ergeben würden.

Die Auslegung eines Vertrags wie auch die ergänzende Vertragsauslegung ist regelmäßig von den besonderen Umständen des Einzelfalls abhängig, womit eine im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO erhebliche Rechtsfrage nicht zu lösen ist. Der Ausnahmefall einer groben Fehlbeurteilung durch das Berufungsgericht, die vom Obersten Gerichtshof aus Gründen der Rechtssicherheit zu korrigieren wäre, liegt nicht vor. Die vom Berufungsgericht im vorliegenden Fall vorgenommene Vertragsauslegung ist ohne Weiteres vertretbar, wird dabei doch zutreffend berücksichtigt, welche Fallkonstellationen der Vertrag eindeutig regeln sollte, und zudem dargestellt, inwieweit sich die hier zu beurteilende Konstellation von diesen Grundfällen unterscheidet.

Wenn in Punkt II. des Vertrags davon gesprochen wird, dass „aufgefundene Tiere“ ohne Auftrag einer Bezirksverwaltungsbehörde beim Verwahrer abgegeben werden, liegt es nahe, dass damit an jene Fälle gedacht ist, in denen Tiere von einem (unbeteiligten) Dritten aufgefunden und in der Regel persönlich beim Verwahrer, hier also bei der Klägerin, abgegeben werden. Ein solcher Dritter hat regelmäßig auch keine Veranlassung, sich in die Anonymität zu begeben und es zu vermeiden, sich als Finder zu deklarieren. Dieses Ziel haben vielmehr in erster Linie Tiereigentümer bzw halter, die sich ihrer eigenen Tiere und dabei vor allem unerwünschten Nachwuchses entledigen wollen. Dann handelt es sich aber nicht um „entlaufene, ausgesetzte oder zurückgelassene“ Tiere, solange sie sich noch in der Gewahrsame des Halters befinden. Wenn nun das Berufungsgericht im Ergebnis die Auffassung vertreten hat, die Einrichtung einer Welpenklappe könne die Bereitschaft mancher Tierbesitzer fördern, sich ihrer Tiere anonym zu entledigen, was von der öffentlichen Hand auch nach den Maßstäben des TSchG nicht finanziell gefördert werden solle, kann darin keine bedenkliche Vertragsauslegung gesehen werden. Zutreffend hat das Berufungsgericht auch darauf hingewiesen, dass es der Klägerin freigestanden wäre, vor der Errichtung der Welpenklappe bzw der Duldung ihrer Errichtung mit der Beklagten Kontakt aufzunehmen, um die Einbeziehung solcher Tiere in den Vertrag zu regeln bzw die Klarstellung zu erreichen, ob die Beklagte auch für solche der Klägerin anonym übergebene Tiere eine Zahlungspflicht übernehmen will.

Hat nun das Berufungsgericht in vertretbarer Auslegung die Auffassung vertreten, dass in der Welpenklappe deponierte Tiere von vornherein von der vertraglichen Vereinbarung nicht erfasst sind, ist es auch nicht entscheidend, ob die betreffende Bezirksverwaltungsbehörde innerhalb von drei Tagen auf die Bekanntgabe der Übernahme solcher Tiere in die Obhut der Klägerin reagiert hat.

Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 50 Abs 1 iVm § 41 Abs 1 ZPO. Die Beklagte hat in ihrer Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels hingewiesen, weshalb sich ihr Schriftsatz als zweckentsprechende Rechtsverteidigungsmaßnahme darstellt.

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