11Os70/14z – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 16. September 2014 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Mag. Michel und Mag. Fürnkranz als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Dr. Breuß als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Novica S***** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1, Abs 3, 148 zweiter Fall, § 15 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Predrag M***** sowie die Berufungen dieses Angeklagten und des Angeklagten Novica S***** und die diese Angeklagten betreffenden Berufungen der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Schöffengericht vom 18. März 2014, GZ 36 Hv 168/13b 226, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.
Dem Angeklagten Predrag M***** fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Predrag M***** wurde mit dem angefochtenen Urteil - soweit im Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerde relevant - des Verbrechens des schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 und Abs 3, § 15 StGB schuldig erkannt.
Danach hat er mit dem Vorsatz, sich oder einen Dritten durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, Nachgenannte durch Täuschung über Tatsachen unter Verwendung falscher Beweismittel zu Handlungen verleitet und zu verleiten versucht, die einen 50.000 Euro übersteigenden Schaden herbeiführen hätten sollen, und zwar
(A) 2) gemeinsam mit Novica S***** und der abgesondert verfolgten Gordana Sa*****, indem sie im März 2009 in I***** durch unrichtiges Ausfüllen eines Unfallberichts gegenüber der A***** Versicherung vorgaben, S***** habe als Lenker des auf Sa***** zugelassenen Fahrzeugs am 16. März 2009 mit dem von Predrag M***** gelenkten und gehaltenen Fahrzeug einen von der Haftpflichtversicherung zu ersetzenden Schaden am Fahrzeug des M***** in Höhe von 7.052,56 Euro verursacht, wodurch der A***** Versicherung ein Schaden in dieser Höhe entstand;
(D) gemeinsam mit Novica S***** und einem unbekannten Täter in zehn Fällen zwischen 29. Mai 2013 und 31. Mai 2013 zur unberechtigten Überweisung von Geldbeträgen von Konten der im Ersturteil angeführten Unternehmen, indem Predrag M***** und Novica S***** den unbekannten Täter anwiesen, bei der Bank U*****, Filiale I*****, von ihnen gefälschte Überweisungsbelege durch Abstempeln und Einwerfen in eine Box zur weiteren Bearbeitung zu übermitteln, welcher Aufforderung der unbekannte Täter nachkam, wodurch Mitarbeiter der Bank U***** veranlasst werden sollten, einen Geldbetrag in Höhe von insgesamt 102.486 Euro auf das Konto des S***** bei der B*****, welches dieser nach dem gemeinsamen Tatplan für die betrügerischen Transaktionen zur Verfügung stellte, zu überweisen, wobei es weil die Mitarbeiter des Bankinstituts Verdacht schöpften jeweils beim Versuch blieb.
Rechtliche Beurteilung
Dagegen wendet sich Predrag M***** mit einer aus Z 4, 5 und 5a des § 281 Abs 1 StPO ergriffenen Nichtigkeitsbeschwerde.
Der ohne die erforderliche Angabe von Fundstellen in den (umfangreichen) Akten und deshalb an sich nicht prozessförmig ausgeführten (vgl RIS Justiz RS0124172) Verfahrensrüge (Z 4) zuwider wurden Verteidigungsrechte durch die Abweisung vom Beschwerdeführer gestellter Beweisanträge nicht verletzt.
Jener auf „Einvernahme der Ehefrau Dragica M*****“ zum Beweis dafür, „dass der Zweitangeklagte jeden Kontakt mit serbischen Staatsbürgern meidet, weil während des jugoslawischen Bürgerkrieges sein Cousin und viele seiner Freunde von serbischen Kämpfern gefoltert und getötet worden waren und er insbesondere mit dem Erstangeklagten keinerlei freundschaftlichen Kontakt hatte,“ sowie zum Nachweis, „dass am 26. Mai 2013 der beste Freund des Zweitangeklagten Marinko Ma***** bei einem Motorradunfall in H***** ums Leben kam und der Zweitangeklagte durch diesen Unfall in eine depressive Phase verfiel, das Eröffnungsfest seines Lokals am 28. Mai 2013 wegen des Begräbnisses am 29. Mai 2013 absagte, sich in dieser Zeit nur zu Hause aufhielt oder sich um die Gäste kümmerte,“ verfiel zu Recht der Ablehnung, weil ein freundschaftlicher Kontakt unter Mittätern ebenso unerheblich ist wie die Tatsache, ob sich der Beschwerdeführer rund um die Tatzeit der dem Schuldspruch D zugrunde liegenden Taten in einer depressiven Phase befand, zumal das Erstgericht auch gar nicht davon ausgegangen ist, dass der Beschwerdeführer selbst die gefälschten Überweisungsbelege am 29. Mai 2013 beim Bankinstitut einwarf (US 21).
Davon, dass Novica S***** die Bankkarte zum Konto, das den Betrügereien laut Schuldspruch D dienen sollte, nicht als gestohlen gemeldet hat, sind die Tatrichter ausgegangen (ON 225 S 19), womit sich die zu diesem Nachweis begehrte Vernehmung eines informierten Vertreters der B***** und zum weiteren erneut unerheblichen - Nachweis, dass „auch nach dem 31. Mai vom Erstangeklagten Behebungen durchgeführt worden waren“, schon deshalb erübrigte.
Den Antrag auf „Einholung eines graphologischen [gemeint wohl: schriftkundlichen] Gutachtens zum Beweis dafür, dass der Zweitangeklagte die Überweisungsbelege, welche bei der U***** vom 29. bis 31. Mai zum Zweck der Überweisung von Beträgen auf das Konto des Erstangeklagten abgestempelt und eingeworfen worden waren, nicht ausgefüllt und unterschrieben hat“, hat das Erstgericht mit dem zutreffenden Hinweis auf bei gemeinsamer Tatbegehung mangelnde Entscheidungsrelevanz eigenhändigen Ausfüllens durch den Angeklagten abgelehnt (ON 225 S 19).
Gleichermaßen zu Recht unterblieb die begehrte „Einholung einer Auskunft der Sozialversicherung zum Beweis dafür, dass der Erstangeklagte bei der Firma N***** GmbH, G*****, C*****, W*****, V***** angestellt war und darum über die Bankverbindungen dieser Firmen Bescheid wusste“, weil nicht dargelegt wurde, inwiefern die Tatsache einer Beschäftigung des Novica S***** bei den genannten Unternehmen für oder gegen eine Täterschaft des Beschwerdeführers sprechen sollte.
Das die Beweisanträge ergänzende Rechtsmittelvorbringen hat mit Blick auf das aus dem Wesen des beanspruchten Nichtigkeitsgrundes resultierende Neuerungsverbot auf sich zu beruhen.
Dem erneut ohne Fundstellenbezeichnung (RIS Justiz RS0124172) nominell undifferenziert (vgl zum unterschiedlichen Bezugspunkt von Mängel und Tatsachenrüge Ratz , WK StPO § 281 Rz 471) aus Z 5 und 5a des § 281 Abs 1 StPO erstatteten Vorbringen ist vorauszuschicken, dass der zur Überzeugung der Tatrichter von der Glaubwürdigkeit von Zeugen aufgrund des persönlichen Eindrucks führende kritisch psychologische Vorgang als solcher einer Anfechtung mit Nichtigkeitsbeschwerde entzogen ist (RIS Justiz RS0106588).
Die Beurteilung der Überzeugungskraft von Aussagen kann jedoch unter dem Gesichtspunkt von Unvollständigkeit mangelhaft erscheinen, wenn sich das Gericht mit gegen die Glaubwürdigkeit oder Unglaubwürdigkeit sprechenden Beweisergebnissen nicht auseinandergesetzt hat. Dafür müssen aber die diese Bewertung angeblich ernsthaft in Frage stellenden, gleichwohl unerörtert gebliebenen Tatumstände deutlich und bestimmt bezeichnet werden. Der Bezugspunkt besteht überdies nicht in der Annahme der Glaubwürdigkeit oder Unglaubwürdigkeit, sondern ausschließlich in den Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen (vgl Ratz , WK StPO § 281 Rz 431 f).
Dies missachtet die gegen den Schuldspruch A/2 gerichtete Rüge, die mit Spekulationen zur Motivation des Novica S*****, die ursprünglich geleugnete (mit dem vorgetäuschten Unfall am 16. März 2009 zusammenhängende) Tat später zu gestehen, und dem Vorwurf fehlender Auseinandersetzung mit dessen Aussage, wonach nicht jeder der von ihm der Versicherung gemeldeten Unfälle fingiert gewesen sei, und unterbliebener Berücksichtigung eines Gutachtens, wonach sich der angebliche Unfall am 16. März 2009 grundlegend von anderen von S***** vorgetäuschten mit dem Beschwerdeführer in keinem Zusammenhang stehenden Unfällen unterscheide, bloß die tatrichterliche Beweiswürdigung nach Art einer im schöffengerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld bekämpft.
Gleiches gilt für den (das nicht entscheidende Motiv betreffenden vgl RIS Justiz RS0088761) Einwand fehlender Berücksichtigung der Lebensumstände und der persönlichen Beziehung des Beschwerdeführers zu Novica S*****, die die Schuldspruchgruppe D betreffenden Behauptungen fehlender Naivität, wohl aber Geldnot und Spielsucht des S***** und die Hinweise auf dessen Unkenntnis der konkreten Auszahlungsmodalitäten nach Erlangung der durch die Taten ohnedies nicht lukrierten Beträge, dessen Beschäftigung bei zwei der die versuchte Abbuchung betreffenden Unternehmen, einer fehlenden Meldung der Bankkarte als verloren sowie für die Mutmaßung, der Beschwerdeführer hätte Überweisungsbelege mit größerer Sorgfalt erstellt und schließlich den Verweis auf die Ergebnislosigkeit einer „Hausdurchsuchung in den Räumen“ des Beschwerdeführers.
Denn auch solcherart setzt die Rüge im Übrigen erneut ohne Angabe entsprechender Fundstellen im Aktenmaterial (RIS Justiz RS0124172) den tatrichterlichen Erwägungen überwiegend bloß eigene Beweiswerterwägungen entgegen, was wiederum auf eine im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässige Bekämpfung der Beweiswürdigung hinausläuft (RIS-Justiz RS0098471 [T2, T5]).
Soweit sich der Beschwerdeführer im statthaften Bereich des Vorbringens zu einer Tatsachenrüge bewegt, indem er ihn entlastende Verfahrensergebnisse hervorstreicht, vermag er beim Obersten Gerichtshof keine erheblichen Bedenken iSv § 281 Abs 1 Z 5a StPO zu erwecken.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war demnach bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§ 285i StPO).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.