11Os58/14k – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 26. August 2014 durch die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek als Vorsitzende sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Mag. Michel, Dr. Michel Kwapinski und Mag. Fürnkranz als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Anscheringer als Schriftführer, in der Strafsache gegen André H***** wegen des Verbrechens des schweren Betruges nach §§ 12 zweiter Fall, 146, 147 Abs 3, 15 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts St. Pölten als Schöffengericht vom 26. März 2014, GZ 35 Hv 93/13w 56, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde André H***** des Verbrechens der Verleumdung nach § 297 Abs 1 zweiter Strafsatz StGB (I.) und des Verbrechens des schweren Betruges nach §§ 12 zweiter Fall, 146, 147 Abs 3, 15 StGB (II.) schuldig erkannt.
Danach hat er in S*****
I. Matthias A***** durch die Behauptung, der Genannte hätte ihm von hinten die linke Hand verdreht, wodurch er einen Trümmerbruch des linken Speichenköpfchens sowie einen Bruch des Kronenfortsatzes der linken Elle erlitten habe, der Gefahr einer behördlichen Verfolgung ausgesetzt, indem er ihn einer von Amts wegen zu verfolgenden, mit einer ein Jahr übersteigenden Freiheitsstrafe bedrohten Handlung, nämlich des Vergehens der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs 1, 84 Abs 1 StGB falsch verdächtigte, wobei er wusste (§ 5 Abs 3 StGB), dass die Verdächtigung falsch war, nämlich
A) am 17. September 2004 vor AI K***** der Kriminialpolizeilichen Abteilung S***** im Zuge des unter anderem gegen Matthias A***** zu AZ II/2031/04 Kop geführten Ermittlungsverfahrens;
B) am 14. April 2005 vor dem zuständigen Richter des Landesgerichts St. Pölten im Zuge des unter anderem gegen Matthias A***** zu AZ 9 Hv 47/05b geführten Hauptverfahrens;
II. zwischen Juni 2007 und Jänner 2010 mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, den von ihm bevollmächtigten Rechtsanwalt durch Erteilung eines Auftrags zur Klageführung gegen Matthias A***** mit dem sinngemäßen Vorbringen, dieser hätte ihm im Zuge einer Auseinandersetzung am 31. Juli 2004 vor dem Lokal „C*****“ in S***** von hinten die linke Hand verdreht, wodurch er einen Trümmerbruch des linken Speichenköpfchens sowie einen Bruch des Kronenfortsatzes der linken Elle erlitten habe, woraus ihm Schadenersatzansprüche erwachsen seien, obgleich die Verletzungen tatsächlich nicht von A***** herbeigeführt worden war, dazu bestimmt, Richter zur Fällung eines klagestattgebenden Urteils in der Rechtssache André H***** gegen Matthias A***** zu AZ 2 Cg 81/07h des Landesgerichts St. Pölten im Ausmaß von zuletzt 181.000 Euro, mithin durch Täuschung über Tatsachen zu einer Handlung
A) verleitet, und zwar die zuständige Einzelrichterin des Landesgerichts St. Pölten durch Einbringen der Klage am 6. Juli 2007 über einen Betrag von 117.800 Euro sowie durch Ausdehnen der Klage am 29. Mai 2008 auf einen Betrag von 181.000 Euro, wovon ein Zuspruch in Höhe von 16.412,60 Euro erging, die A***** an H***** zahlte, wodurch jener in diesem Betrag am Vermögen geschädigt wurde;
B) im Umfang des Mehrbegehrens von 164.587,40 Euro, um das Matthias A***** am Vermögen geschädigt hätte werden sollen, zu verleiten versucht, wobei es aufgrund der Abweisung des Mehrbegehrens beim Versuch geblieben ist, und zwar
1. die zuständige Einzelrichterin des Landesgerichts St. Pölten im Zuge der zu oben II.A) genannten Tathandlung;
2. die Richter des zuständigen Senats des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht zu AZ 13 R 137/09a durch Einbringen einer Berufung am 9. Juni 2009;
3. die Richter des zuständigen Senats des Obersten Gerichtshofs zu AZ 10 Ob 1/10k durch Einbringen einer außerordentlichen Revision am 4. Jänner 2010.
Rechtliche Beurteilung
Dagegen richtet sich die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten aus § 281 Abs 1 Z 5, 9 lit b und 10 StPO.
Die Mängelrüge behauptet Undeutlichkeit der Feststellungen (Z 5 erster Fall) zum verletzungskausalen Vorfall (US 5) und fehlende bzw unzureichende Begründung für diesen Ausspruch (Z 5 vierter Fall). Sie verkennt dabei, dass Gegenstand der Mängelrüge das Aufzeigen formeller Urteilsdefizite mit dem primären Ziel der Einhaltung der von § 258 Abs 2 StPO gesetzten Grenzen für die richterliche Beweiswürdigung ist, um insbesondere deren willkürliche Ausübung hintanzuhalten ( Ratz , WK StPO § 281 Rz 397). Eine darüber hinausgehende Bekämpfung der tatrichterlichen Erwägungen mit eigenständigen Ausführungen zum Beweiswert einzelner Verfahrensergebnisse nach Art der Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld des Einzelrichterprozesses kennt das Rechtsmittelverfahren nach kollegialgerichtlich ergangenen Urteilen nicht.
Auf dieser Ebene jedoch bewegt sich das Vorbringen des Beschwerdeführers, indem er Zeugenaussagen anders würdigt als das Erstgericht und daran anknüpfend die Feststellungen zum verletzungskausalen Vorfall (Sturz nach Rangelei mit Manfred F***** unabhängig von der Auseinandersetzung mit Matthias A***** US 4, 5) in Frage stellt.
Die Einlassung des Angeklagten hat das Schöffengericht nach eingehender Erörterung unter Verwertung des persönlichen Eindrucks in der Hauptverhandlung verworfen (US 10 f).
Die Spekulationen des Nichtigkeitswerbers über die Arbeitsweise des dem gegenständlichen Hauptverfahren beigezogenen medizinischen Sachverständigen und die Möglichkeit der Herbeiführung der festgestellten Verletzung auch durch ein Verdrehen des Armes zeigen keine Formalmängel der bekämpften Entscheidung (hier US 11 ff) auf, wobei er teilweise dem Experten aktenwidrig Antworten im Sinne seiner gezielt in Richtung Entlastung vorgelegten Fragen unterstellt (ON 55 S 54 ff).
Dass das Erstgericht bei durchgängigem Ausweisen einer (Zusatz )Freiheitsstrafe von 30 Monaten und eines bedingt nachgesehenen Strafteils von 20 Monaten (US 3 und 19; vgl auch das Hauptverhandlungsprotokoll ON 55 S 62) in US 19 einen rechnerisch unrichtigen unbedingten Part der teilbedingt verhängten Freiheitsstrafe (US 3) auswirft, tangiert den Schuldspruch nicht und entzieht sich dieser offenkundige Schreibfehler daher dem Aufgreifen mit Mängelrüge.
In seinen materiell rechtlichen Rügen (Z 9 lit b, nominell auch 10) behauptet der Beschwerdeführer absolut untauglichen Versuch zu Faktum II.B) und daran anknüpfend Verjährung des gegen ihn erhobenen Verleumdungsvorwurfs.
Seine Argumentation mit der Erfolglosigkeit der von ihm ergriffenen zivilprozessualen Rechtsmittel also einer ex post Betrachtung lässt indes eine methodisch korrekte Ableitung des gewünschten Ergebnisses auf Basis von Gesetz, Lehre und Judikatur (RIS Justiz RS0098852) vermissen, womit die Rechtsrüge nicht zur prozessordnungsgemäßen und damit einer Erledigung nach §§ 286 f StPO zugänglichen Darstellung gelangt.
Von einer Denkunmöglichkeit der Tatvollendung (vgl Hager/Massauer in WK² StGB §§ 15, 16 Rz 70 ff) so sei der Vollständigkeit halber (§ 290 Abs 1 Satz 2 erster Fall StPO) klargestellt kann im Gegenstand keine Rede sein.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Erledigung der Berufung folgt (§ 285i StPO).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.