8ObA28/14x – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Prof. Dr. Spenling als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte Hon. Prof. Dr. Kuras und Mag. Ziegelbauer, und die fachkundigen Laienrichter Mag. Dr. Rolf Gleißner und Peter Schönhofer als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Dipl. Inf. (FH) M***** B*****, vertreten durch Fellner, Wratzfeld Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei V***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Holzmann RechtsanwaltsgmbH in Innsbruck, wegen 1.) 226.325,50 EUR brutto sA und 2.) Feststellung (Streitwert: 220.350 EUR), über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Teilzwischenurteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen vom 27. Februar 2014, GZ 15 Ra 8/14k 68, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
I. Die in diesem Umfang als Rekurs zu wertende außerordentliche Revision wird, soweit sie sich gegen den Beschluss des Berufungsgerichts richtet, mit dem dieses die Entscheidung des Erstgerichts über das Feststellungsbegehren aufgehoben hat, zurückgewiesen.
II. Im Übrigen wird die außerordentliche Revision gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
I. Das Berufungsgericht hat nicht ausgesprochen, dass der Rekurs gegen den von ihm gefassten Aufhebungsbeschluss zulässig ist. Das ungeachtet seiner Bezeichnung in diesem Umfang als Rekurs zu behandelnde Rechtsmittel ist daher ohne dass auf seinen Inhalt einzugehen ist gemäß § 519 Abs 1 Z 2 ZPO als unzulässig zurückzuweisen (RIS Justiz RS0043898).
II.1 Die Revisionswerberin erkennt selbst, dass die Beweiswürdigung der Vorinstanzen im Revisionsverfahren nicht bekämpft werden kann (RIS Justiz RS0043371). Ein Mangel des Berufungsverfahrens läge nur dann vor, wenn sich das Berufungsgericht mit der Beweiswürdigungsrüge nicht oder nur so mangelhaft befasst hätte, dass keine nachvollziehbaren Überlegungen über die Beweiswürdigung angestellt und im Urteil festgehalten sind (4 Ob 355/98d ua). Davon kann aber angesichts der eingehenden Auseinandersetzung des Berufungsgerichts mit der Tatsachenrüge überhaupt nicht die Rede sein. Der Oberste Gerichtshof ist daher an die Tatsachenfeststellungen der Vorinstanzen gebunden.
II.2 Die Beklagte wurde vor ihrer Umwandlung in eine GmbH als Aktiengesellschaft geführt, der Kläger war zum Zeitpunkt seiner Entlassung deren hauptberuflicher Vorstand (Alleinvorstand). Durch den Verweis im Vorstandsvertrag des Klägers auf die Entlassungsgründe des Angestelltengesetzes ist, wovon die Vorinstanzen ohnedies ausgegangen sind, auch die dazu ergangene Rechtsprechung maßgeblich (9 ObA 68/99m).
II.3 Nach ständiger Rechtsprechung kann die Frage, ob das Verhalten eines Angestellten bei Anlegung eines objektiven Maßstabs geeignet ist, das Vertrauen des Arbeitgebers so weit zu erschüttern, dass ihm die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr zumutbar ist, immer nur aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalls beurteilt werden (RIS Justiz RS0106298; RS0103201). Mangels einer über den Anlass hinausreichenden Aussagekraft von Einzelfallentscheidungen steht die Revision zu ihrer Überprüfung nach § 502 Abs 1 ZPO nicht offen, es sei denn, dem Berufungsgericht wäre bei seiner Entscheidung eine krasse Fehlbeurteilung unterlaufen, die ausnahmsweise zur Wahrung der Rechtssicherheit einer Korrektur bedürfte. Eine solche Fehlbeurteilung zeigt die Revision nicht auf.
II.4 Die Vorinstanzen haben berücksichtigt, dass an das Verhalten eines Vorstands einer Aktiengesellschaft hinsichtlich seiner Vertrauenswürdigkeit ein besonders strenger Maßstab anzulegen ist (9 ObA 68/99m; RIS Justiz RS0029652 ua). Maßgeblich ist, ob für den Dienstgeber vom Standpunkt vernünftigen dienstlichen und geschäftlichen Ermessens die objektiv gerechtfertigte Befürchtung besteht, dass seine Interessen und Belange durch den Angestellten gefährdet sind (RIS Justiz RS0029547).
Die Beklagte vertritt auch in der Revision den Standpunkt, dass der Kläger aufgrund der in Prüfberichten festgestellten (geringfügigen und nicht gesundheitsschädlichen) Pestizidrückstände in den im Verfahren näher bezeichneten Lebensmitteln gemäß Art 91 der Verordnung 889/2008/EG der Kommission (die Durchführungsvorschriften zur VO 834/2007/EG des Rates über die ökologische/biologische Produktion und die Kennzeichnung von ökologischen/biologischen Erzeugnissen hinsichtlich der ökologischen/biologischen Produktion, Kennzeichnung und Kontrolle enthält) verpflichtet gewesen wäre, dafür Sorge zu tragen, dass die Lebensmittel nicht mit Bio Kennzeichnung in Verkehr gebracht bzw zurückgerufen werden. Allerdings übergeht sie den vom Berufungsgericht hervorgehobenen Umstand, dass diese Prüfberichte den Hinweis enthielten, dass noch überprüft werden muss, ob Ware gleicher Qualität wie die geprüfte Probe die Anforderungen an Erzeugnisse erfüllt, die mit einem Hinweis auf den ökologischen Landbau in den Verkehr gebracht werden. Der Kläger holte auch umgehend nach Kenntnis der Verdachtslage das Gutachten eines Sachverständigen ein und befasste, über dessen Rat, die nach den Verfahrensergebnissen dafür zuständige Zertifizierungsstelle des niederländischen Lieferanten. Diese gab die Erklärung ab, dass die Lebensmittel mit dem Hinweis auf die biologische Herstellung verkauft werden dürfen, sodass der Sachverständige den Rat erteilte, die Ware nicht zurückzurufen.
Die darauf beruhende Rechtsansicht des Berufungsgerichts, dass der Kläger nach der Stellungnahme der Zertifizierungsstelle und dem Rat des von ihm beigezogenen Sachverständigen an der Tauglichkeit der Ware nicht mehr zweifeln habe müssen, ist daher zumindest vertretbar. Vor diesem Hintergrund ist auch die Annahme vertretbar, dass ihm die allenfalls unrichtige Auslegung des Art 91 der VO 889/2007/EG ebensowenig vorwerfbar ist, wie die Unterlassung einer Berichterstattung an den Aufsichtsrat. Dass in weiterer Folge ein Rückruf dann doch erforderlich wurde und wie die Beklagte geltend macht mit der Unterlassung eines früheren Rückrufs ein Imageschaden für die Beklagte verbunden gewesen sei, ändert daran nichts.
Das Berufungsgericht hat daher das Vorliegen des geltend gemachten Entlassungsgrundes in vertretbarer Weise verneint, sodass sich die Revision als nicht zulässig erweist.