JudikaturOGH

11Os42/14g – OGH Entscheidung

Entscheidung
22. Juli 2014

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 22. Juli 2014 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek, Mag. Michel und Mag. Fürnkranz als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Moritz als Schriftführer, in der Strafsache gegen Thomas H***** wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 11. Dezember 2013, GZ 042 Hv 70/13i 65, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Thomas H***** des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB idF BGBl I 2004/15 (I./), der Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB (richtig: idgF II./), (richtig:) der Verbrechen des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB (III./A./), (richtig:) der Vergehen der sexuellen Belästigung und öffentlichen geschlechtlichen Handlungen nach § 218 Abs 1 Z 1 StGB (III./B./), der Vergehen des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 Z 2 StGB (IV./) sowie des Verbrechens des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach §§ 15, 206 Abs 1, Abs 2 StGB (V./) und des Verbrechens des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen als Beteiligter nach §§ 12 zweiter Fall, 15, 206 Abs 1 StGB (VI./) schuldig erkannt.

Nach dem Inhalt des Schuldspruchs hat er in W***** und L*****

I./ „im Zeitraum Anfang März bis Ende April 2013 Anita L***** mit Gewalt, indem er sie packte, zu Boden zog und dabei ihre Hände von hinten festhielt, um ihre Gegenwehr zu verhindern, zur Duldung einer dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlung genötigt, indem er sie mit einem oder zwei Fingern vaginal penetrierte;

II./ im Zeitraum Anfang März bis Ende April 2013 mit der am 31. August 2001 geborenen, somit unmündigen Anita L***** in zumindest fünf Angriffen dem Beischlaf gleichzusetzende geschlechtliche Handlungen unternommen, indem er sie mit einem oder zwei Fingern vaginal penetrierte;

III./ an unmündigen Personen außer dem Fall des § 206 StGB geschlechtliche Handlungen vorgenommen, und zwar

A./ im Zeitraum Anfang März bis Ende April 2013 an Anita L*****, indem er sie [jeweils US 6] im Brustbereich und [nicht bloß flüchtig US 6] zwischen den Beinen unter der Kleidung berührte;

B./ im Zeitraum September/Oktober 2007 bis 26. April 2008 in mehrfachen Angriffen, die am 27. April 1994 geborene Silvia P*****, durch eine geschlechtliche Handlung an ihr, indem er sie zwischen den Beinen [an der Scheide über der Kleidung US 6] berührte, belästigt [was entgegen den Erwägungen US 10 gar wohl den angeklagten ON 51 (strenger bestraften) Tatbestand nach § 207 Abs 1 StGB verwirklicht (vgl Philipp in WK 2 StGB § 207 Rz 7)];

IV./ unter Ausnützung seiner Stellung als Nachhilfelehrer gegenüber den nachgenannten Minderjährigen geschlechtliche Handlungen vorgenommen, und zwar

a./ im Zeitraum Anfang März bis Ende April 2013 an Anita L***** durch die unter Punkt I./ bis III./A./ angeführten Tathandlungen;

B./ im Zeitraum September/Oktober 2007 bis Juni 2008 an Silvia P***** durch die unter Punkt III./B./ angeführten Tathandlungen sowie weitere Angriffe;

V./ zu einem nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt im Jahr 2009 die am 19. Dezember 1996 geborene, mithin unmündige Nadine Pe***** zur Vornahme einer dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlung mit einer anderen Person zu verleiten versucht, indem er sie im Chat dazu aufforderte, ihrer zweijährigen Schwester einen Orgasmus zu machen, nachdem er ihr vorher erzählt hatte, wie er selbst dies bei einer Zweijährigen gemacht hätte;

VI./ durch die zu Punkt V./ beschriebene Handlung, Nadine Pe***** dazu zu bestimmen versucht, mit einer unmündigen Person, nämlich ihrer zweijährigen Schwester eine dem Beischlaf gleichzusetzende geschlechtliche Handlung zu unternehmen“.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen wendet sich die rechtzeitige (ON 72), auf Z 5, 9 lit b, 10 und 11 des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.

Soweit die Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) kritisiert, die Tatrichter hätten bei den Konstatierungen zu II./ die Aussage des Opfers anlässlich der kontradiktorischen Vernehmung, das Eindringen mit dem Finger sei „zwei Mal oder so etwas“ passiert (ON 42 S 11), nicht berücksichtigt, ist sie angesichts des Schuldspruchs wegen einer gleichartigen Verbrechensmenge (vaginale Penetration in zumindest fünf Fällen) nicht auf eine entscheidende Tatsache gerichtet (RIS Justiz RS0116736; Ratz , WK StPO § 281 Rz 406).

Das Vorbringen zu III./B./ (Z 10) ist keine methodengerechte Ableitung aus dem Gesetz, weil sich durch das am 1. Jänner 2008 in Kraft getretene zuletzt den Tatbestand des § 218 StGB geändert habende Strafprozessreformbegleitgesetz I, BGBl I 2007/93, an der Strafdrohung des genannten Vergehens nichts geändert hat, sodass sich der vom Angeklagten behauptete „Verstoß gegen § 61 StGB“ als nicht erwiderungsfähige Behauptung erweist. Aus welchem Grund die Urteilsannahmen (US 6) zu diesem Schuldspruch für eine rechtsrichtige Subsumtion des Sachverhalts „nicht ausreichend“ sein sollten, vermag die Beschwerde (inhaltlich Z 9 lit a) ebenfalls nicht prozessordnungskonform darzulegen.

Die Rechtsrüge (Z 9 lit b), die ein Verfolgungshindernis behauptet, weil der den Schuldsprüchen V./ und VI./ zu Grunde liegende Sachverhalt von der Staatsanwaltschaft Wien bereits zum AZ 208 St 44/11g überprüft und das Ermittlungsverfahren gemäß § 190 Z 2 StPO eingestellt worden sei, vermisst der Sache nach klärende Feststellungen hiezu. Sie unterlässt es jedoch, ein solche Konstatierungen indizierendes, in der Hauptverhandlung vorgekommenes Sachverhaltssubstrat zu benennen ( Ratz , WK StPO § 281 Rz 600).

Im Übrigen (§ 290 Abs 1 Satz 2 1. Fall StPO) war seinerzeit nur jener Chat bekannt, in dem der Angeklagte seine sexuellen Kontakte mit einem zweijährigen Mädchen schilderte; bloß dazu wurde er auch vernommen. Dass der Beschwerdeführer Nadine Pe***** überdies aufgefordert hätte, dass sie mit ihrer zweijährigen Schwester „etwas“ machen nämlich eine dem Beischlaf gleichzusetzende geschlechtliche Handlung durchführen (vgl zur Tathandlung US 7 iVm US 4) soll, war der Behauptung des Nichtigkeitswerbers zuwider nicht verfahrensgegenständlich und wurde er dazu nicht vernommen (AZ 353 HR 153/11h des Landesgerichts für Strafsachen Wien). Eine Ne bis in idem Problematik liegt daher nicht vor.

Die gegen die Schuldsprüche V./ und VI./ gerichtete Subsumtionsrüge (Z 10) releviert das Fehlen von Konstatierungen zur tatbestandsessentiellen auf Penetration gerichteten Intention des Angeklagten. Den Willen der Tatrichter, diese der insoweit vorgenommenen Subsumtion auch nach § 206 Abs 1 und (im Hinblick auf die zwei unmündigen Tatopfer echt idealkonkurrierend) Abs 2 StGB entsprechenden Feststellungen zu treffen, lässt das Urteil in einer Gesamtschau (vgl insbesondere US 7 im Zusammenhalt mit den rechtlichen Ausführungen US 10 f) jedoch noch hinreichend deutlich erkennen (RIS Justiz RS0117228; vgl Ratz , WK StPO § 281 Rz 19).

In seiner Sanktionsrüge (Z 11) macht der Beschwerdeführer geltend, dass die Tatrichter durch die im Rahmen der Strafbemessung verwendete Formulierung, „... wobei darauf zu verweisen ist, dass Thomas H***** bereits zweimal einschlägig angezeigt wurde, wobei die Anzeigen jeweils nicht zu einer Verurteilung führten. Trotzdem setzte Thomas H***** sein Verhalten fort und intensivierte dies offenbar sogar soweit, dass nunmehr die rechtlichen Voraussetzungen für eine Verurteilung erfüllt sind“ (US 12), dem Angeklagten ein gerichtlich strafbares Verhalten ohne gesetzlichen Schuldnachweis (Art 6 Abs 2 MRK) nachteilig zugerechnet und solcherart beim Ausspruch über die Strafe eine für die Strafbemessung maßgebende entscheidende Tatsache offenbar unrichtig beurteilt hätten (vgl Ratz , WK StPO § 281 Rz 713).

Bei verständiger Lesart zeigt sich jedoch, dass die Tatrichter damit gerade nicht zum Ausdruck brachten, der Angeklagte habe nicht abgeurteilte Straftaten begangen, sondern auf das den Anzeigen zugrundeliegende im Übrigen auch nicht bestrittene (ON 8 S 5, ON 61 S 6) Verhalten des Angeklagten, nämlich der Kontaktaufnahme zu Minderjährigen im Internet, um über sexuelle Phantasien an Unmündigen zu kommunizieren, hinwiesen, das im hier abgeurteilten Fall (arg: „nunmehr“) auch strafrechtliche Relevanz erreicht habe (vgl 14 Os 99/10f).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus sich die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen ergibt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

Rückverweise