14Os42/14d – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 17. Juni 2014 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp als Vorsitzenden, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger und Mag. Marek sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und Dr. Oshidari in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Kotanko als Schriftführerin in der Strafsache gegen Karl G***** wegen des Verbrechens der vorsätzlichen Gemeingefährdung nach § 176 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt als Schöffengericht vom 5. Dezember 2013, GZ 38 Hv 32/13i 51, sowie seine Beschwerde gegen den gemeinsam mit dem Urteil gefassten Beschluss auf Erteilung einer Weisung nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Karl G***** des Verbrechens der vorsätzlichen Gemeingefährdung nach § 176 Abs 1 StGB schuldig erkannt.
Danach hat er am 20. November 2012 in G***** und an anderen Orten Österreichs anders als durch eine der in den §§ 169, 171 und 173 StGB mit Strafe bedrohten Handlungen dadurch eine Gefahr für Leib oder Leben (§ 89 StGB) einer größeren Zahl von Menschen und für fremdes Eigentum in großem Ausmaß herbeigeführt, dass er aufgrund seines für andere Verkehrsteilnehmer und Sicherheitsorgane unvorhersehbaren und unberechenbaren Verhaltens die Gefahr von Massenkarambolagen mit einer Beteiligung von jedenfalls mehr als zehn Personen und einem dadurch verursachten Sachschaden von über 50.000 Euro herbeiführte, indem er als Lenker eines Personenkraftwagens in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand trotz regen Gegenverkehrs bei streckenweisem Nebel als „Geisterfahrer“ auf der A2 Südautobahn etwa von Straßenkilometer 67,000 im Gemeindegebiet von G***** bis zum Straßenkilometer 8,500 im Gemeindegebiet von W***** auf der Richtungsfahrbahn Graz unzulässigerweise in Richtung Wien fuhr, sein Fahrzeug sodann widerrechtlich wendete und die Autobahn über die Ausfahrt W***** verließ, wobei er drei von Polizeibeamten errichtete Straßensperren missachtete und passierte, eine Vielzahl weiterer Fahrzeuglenker zur Durchführung von Notbremsungen und Ausweichmanövern veranlasste und eine Kollision eines entgegenkommenden Fahrzeugs mit der Mittelleitwand verursachte, wodurch der Lenker dieses PKWs und dessen Beifahrer Verletzungen leichten Grades erlitten.
Rechtliche Beurteilung
Die dagegen aus den Gründen der Z 4, 5 und 5a des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten verfehlt ihr Ziel.
Der Verfahrensrüge (Z 4) zuwider wurde der Antrag auf „Vernehmung de(s)r ausgeforschten Fahrzeughalter zur Frage, ob sie im Zeitpunkt der Tatbegehung an der Tatörtlichkeit, bzw. im Bereich der Tatörtlichkeit mit ihrem Fahrzeug unterwegs waren“, zum Beweis dafür, dass „auch andere Personen mit der gleichen Wahrscheinlichkeit als Täter in Frage kommen“ (ON 50 S 37), ohne Verletzung von Verteidigungsrechten abgewiesen (ON 50 S 37 f), weil ein Gelegenheitsverhältnis weiterer Fahrzeuglenker von den Tatrichtern einerseits als erwiesen angenommen wurde und andererseits die Täterschaft des Beschwerdeführers nicht ausschließen würde, womit der Antrag sich nicht auf für die Schuld- oder die Subsumtionsfrage entscheidende Tatsachen bezog.
Soweit das Begehren (der Sache nach) auf den Nachweis gerichtet war, dass es sich bei dem gesuchten Geisterfahrer nicht um den Beschwerdeführer handelte, ließ das Vorbringen, das sich gerade noch deutlich genug erkennbar auf sämtliche Halter von „dunklen Audi-Limousinen“ mit Mödlinger Kennzeichen bezog, auf deren Ausforschung (durch Anfrage an die Bezirkshauptmannschaft Mödling) ein unmittelbar zuvor gestellter und unter einem abgewiesener Antrag gerichtet war (ON 50 S 35 f), nicht erkennen, warum die begehrte Beweisaufnahme das behauptete Beweisergebnis erwarten lasse, sodass er auf eine im Erkenntnisverfahren unzulässige Erkundungsbe-weisführung abzielte (RIS-Justiz RS0118444; Ratz , WK-StPO § 281 Rz 327, 330).
Dass die Tatrichter ihre Überzeugung von der Täterschaft des Angeklagten schwergewichtig aus den für glaubwürdig erachteten Angaben des Zeugen Peter S***** ableiteten, obwohl dieser in der Beweiswürdigung ausführlich erörtert einräumte, das von ihm verfolgte Fahrzeug des „Geisterfahrers“ zwei Mal für mehrere Sekunden aus den Augen verloren und bei Beginn der Verfolgungsfahrt nur erkannt zu haben, dass dessen Kennzeichen mit „MD“ oder „WD“ begann (US 5 f), entspricht den Gesetzen folgerichtigen Denkens ebenso wie grundlegenden Erfahrungssätzen und ist solcherart unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit (Z 5 vierter Fall) nicht zu beanstanden (RIS-Justiz RS0116732).
Dass die übrigen Zeugen keine konkreten Angaben zu Marke und Kennzeichen des Fahrzeugs machen konnten, mit dem der Geisterfahrer unterwegs war, steht den kritisierten Urteilsfeststellungen nicht entgegen, womit der diesbezügliche Einwand von Urteilsunvollständigkeit (nominell Z 5 vierter Fall, der Sache nach Z 5 zweiter Fall) ins Leere geht.
Die in diesem Zusammenhang sinnentstellt isoliert zitierte Formulierung im Urteil, wonach es sich bei dem „von sämtlichen Zeugen beschriebenen Geisterfahrer“ um den Angeklagten handelte, bezog sich entgegen dem ersichtlich vertretenen Rechtsmittelstandpunkt unmissver-ständlich bloß auf deren übereinstimmende Aussagen zum Ablauf der Geisterfahrt (US 5), womit auch von aktenwidriger Begründung (Z 5 fünfter Fall; vgl dazu RIS-Justiz RS0099431) keine Rede sein kann.
Die Tatsachenrüge (Z 5a) erschöpft sich darin, in teilweiser Wiederholung des Vorbringens der Mängelrüge aus von den Tatrichtern erörterten Prämissen (nämlich Details der Aussage des Zeugen Peter S*****) und auf Basis urteilsfremder Überlegungen zur Häufigkeit von schwarzen Limousinen mit dem Kennzeichen „MD“ im Tatortbereich für den Beschwerdeführer günstigere Schlüsse zu ziehen als das Erstgericht und bekämpft solcherart in unzulässiger Weise die tatrichterliche Beweiswürdigung nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung (RIS-Justiz RS0117499, RS0099647).
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Kompetenz des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde gegen die zwar gesetzwidrig, aber sanktionslos im Urteil erfolgte (vgl Schroll in WK² StGB § 50 Rz 16, RIS-Justiz RS0101841), inhaltlich einen Beschluss darstellende Erteilung einer Weisung folgt (§§ 285i, 498 Abs 3 StPO).
Die Kostenersatzpflicht beruht auf § 390a Abs 1 StPO.