JudikaturOGH

12Os49/14v – OGH Entscheidung

Entscheidung
11. Juni 2014

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 11. Juni 2014 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner Foregger, Mag. Michel und Dr. Michel Kwapinski als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Fellner als Schriftführer in der Strafsache gegen Mathias M***** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB über den Antrag des Angeklagten Mathias M***** auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Anmeldung der Nichtigkeitsbeschwerde und der Berufung gegen das Urteil des Landesgerichts Feldkirch als Jugendschöffengericht vom 17. Februar 2014, GZ 20 Hv 107/13s 101, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Wiedereinsetzung wird bewilligt.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auch Schuldsprüche anderer Angeklagter und einen Privatbeteiligtenzuspruch enthaltenden Urteil wurde Mathias M***** des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB schuldig erkannt und unter Anwendung des § 36 StGB nach § 142 Abs 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt.

Nach der am 17. Februar 2014 erfolgten Urteilsverkündung und ihm erteilter Rechtsmittelbelehrung nahm der Angeklagte M***** eine Bedenkzeit von drei Tagen in Anspruch (ON 100 S 35). Die Anmeldefrist endete somit am 20. Februar 2014 (§ 284 Abs 1 StPO).

Am 26. Februar 2014 stellte der Verteidiger via WebERV den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Anmeldung der Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung (wegen des Ausspruchs über die Strafe) sowie der Berufung wegen des Ausspruchs über die privatrechtlichen Ansprüche (ON 106). Zur Begründung brachte er vor, dass einer in seiner Rechtsanwaltskanzlei beschäftigten Sekretärin insofern ein Fehler unterlaufen sei, als sie die Absendung der von ihm am 17. Februar 2014 diktierten, am 18. Februar 2014 im WebERV System erstellten und am 19. Februar 2014 zum Senden via WebERV freigegebenen Rechtsmittelanmeldung irrtümlich unterlassen habe. Dies habe er aufgrund des Fehlens der Sendebestätigung im Handakt erst am 24. Februar 2014 bemerkt. Es handle sich um die erste Fristversäumung seiner Kanzlei. Im Hinblick auf die sonstige Zuverlässigkeit der Sekretärin mit mehrjähriger Berufserfahrung liege kein Überwachungsverschulden vor.

Rechtliche Beurteilung

Dem Antrag kommt Berechtigung zu.

Die Richtigkeit des Vorbringens ist durch den mit einem handschriftlichen „ok“ versehenen Auszug aus dem WebERV, wonach der Schriftsatz mit 18. Februar 2014 datiert und den 19. Februar 2014 als letztes Bearbeitungsdatum ausweist, sowie eine eidesstattliche Erklärung der Mitarbeiterin Monika P***** bescheinigt, die ihr Versehen betreffend die Abfertigung der am 19. Februar 2014 zum Senden freigegebenen Rechtsmittelanmeldung ebenso bestätigt wie den Umstand, dass es sich dabei um den ersten derartigen Fall gehandelt habe.

Gemäß § 364 Abs 1 Z 1 StPO ist die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand unter anderem gegen die Versäumung der Frist zur Anmeldung eines Rechtsmittels zu bewilligen, wenn nachgewiesen wird, dass es aufgrund eines unvorhersehbaren und unabwendbaren Ereignisses unmöglich war, die Verfahrenshandlung vorzunehmen, es sei denn, dass dem Beschuldigten oder seinem Vertreter ein Versehen nicht bloß minderen Grades zur Last liegt.

Das dem Verteidiger zuzurechnende Verschulden eines Kanzleiangestellten steht der Bewilligung der Wiedereinsetzung dann nicht entgegen, wenn es sich um ein einmaliges Versehen handelt, das angesichts der Verlässlichkeit und Bewährung der Kanzleikraft nicht zu erwarten war, und dem Verteidiger nicht die Verletzung der von ihm zu erwartenden Sorgfalts-, Organisations- und Kontrollpflichten vorgeworfen werden muss (RIS-Justiz RS0101310, RS0101329 [T15]). Der Rechtsanwalt darf grundsätzlich darauf vertrauen, dass der einem Kanzleiangestellten für einen bestimmten Tag angeordnete, bloß manipulative Vorgang der Postaufgabe eines Schriftstücks tatsächlich erfolgt. Einer weiteren Kontrolle bedarf es nicht (RIS-Justiz RS0122717). Die Auslösung der Versendung eines Schriftsatzes via WebERV steht der Postaufgabe gleich.

Demnach war in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, zumal sie innerhalb von 14 Tagen nach dem Aufhören des Hindernisses, nämlich dem Erkennen der unterbliebenen Absendung, beantragt und die versäumte Anmeldung der Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung zugleich mit dem Antrag nachgeholt wurde.

Bleibt anzumerken, dass die Zustellung der Urteilsausfertigung an den Verteidiger des Angeklagten Mathias M***** am 28. März 2014 (ON 116) fallbezogen den durch die mit Bewilligung der Wiedereinsetzung wirksam gewordene Anmeldung der Nichtigkeitsbeschwerde ausgelösten Lauf der vierwöchigen Frist des § 285 Abs 1 StPO nicht beeinflusst.

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