JudikaturOGH

15Os64/14x – OGH Entscheidung

Entscheidung
27. Mai 2014

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 27. Mai 2014 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek als Vorsitzenden sowie durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner Foregger, Dr. Michel Kwapinski und Mag. Fürnkranz als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Pichler als Schriftführerin in der Strafsache gegen Benjamin R***** wegen der Verbrechen des Mordes nach §§ 15, 75 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Geschworenengericht vom 19. März 2014, GZ 22 Hv 6/14b 53, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in seinem Schuldspruch und demzufolge auch im Strafausspruch aufgehoben und die Sache im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Innsbruck als Geschworenengericht mit dem Auftrag verwiesen, seiner Entscheidung den unberührt gebliebenen Wahrspruch zu Grunde zu legen.

Im Übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde zurückgewiesen.

Mit ihren Berufungen werden die Staatsanwaltschaft und der Angeklagte auf die kassatorische Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Benjamin R***** aufgrund des Wahrspruchs der Geschworenen des Verbrechens der Brandstiftung nach §§ 15, 169 Abs 1 StGB (I./) sowie mehrerer Verbrechen des Mordes nach §§ 15, 75 StGB (II./) schuldig erkannt.

Danach hat er am 2. September 2013 in I***** versucht,

I./ an einer fremden Sache, nämlich an dem im Eigentum der I***** GmbH Co KG stehenden Mehrparteienwohnhaus an der Adresse J*****, ohne Einwilligung der Eigentümerin vorsätzlich eine Feuersbrunst zu verursachen, indem er cirka 13 feucht gepresste und anschließend getrocknete Papierknäuel im ersten Obergeschoss am Fußboden des aus Holz errichteten Stiegenhauses unmittelbar im Antrittsbereich zum Treppenlauf in das Erdgeschoss entzündete sowie weitere elf Papierknäuel auf dem Stiegenhauspodest und noch einige derartige Knäuel auf den Stufen unterhalb der Brandstelle zum Abbrand bereit legte;

II./ seine Mitbewohner im Haus J*****, jedenfalls aber Melanie und David M*****, Sieglinde Me***** und Reinhard Re***** vorsätzlich zu töten, und zwar durch die unter I./ geschilderte Tat.

Die Geschworenen hatten die anklagekonform an sie gestellte Hauptfrage nach dem Verbrechen der Brandstiftung nach §§ 15, 169 Abs 1 StGB und jene (s aber § 312 Abs 2 StPO, wonach für jede strafbare Handlung eine eigene Hauptfrage zu stellen ist) nach den Verbrechen des Mordes nach §§ 15, 75 StGB bejaht. Weitere Fragen waren nicht gestellt worden.

Rechtliche Beurteilung

Den Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit einer auf § 345 Abs 1 Z 4, 5 und 6 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.

Die Fragenrüge (Z 6) führt zutreffend aus, dass zu beiden Hauptfragen jeweils eine Zusatzfrage nach Zurechnungsunfähigkeit gemäß § 11 StGB und eine Eventualfrage nach § 287 StGB zu stellen gewesen wären. Der Angeklagte hat sich worauf die Nichtigkeitsbeschwerde hinweist in der Hauptverhandlung nämlich der Sache nach in Richtung eines die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Rauschzustands („eliminierten Zustand“) verantwortet (ON 52 S 3, 12, 13). In diesem Fall ist eine dem Drei Fragen Schema entsprechende Fragestellung (Zusatzfrage in Richtung des § 11 StGB und Eventualfrage nach § 287 StGB) geboten (RIS Justiz RS0100558; Schindler , WK StPO § 313 Rz 36). Plausibilitätserwägungen sind dabei nicht anzustellen, weil die Beweiswürdigung allein den Geschworenen vorbehalten ist (RIS Justiz RS0100477).

Das Geschworenengericht wird seiner Entscheidung den unberührt gebliebenen Wahrspruch (Bejahung der oben genannten Hauptfragen) zu Grunde zu legen haben.

Da sich das aus Z 4 und 5 erstattete Vorbringen ausschließlich auf die Frage der Zurechnungsfähigkeit des Angeklagten bezieht, erübrigt es sich darauf einzugehen.

Soweit die Fragenrüge (Z 6) die Unterlassung der Stellung einer Eventualfrage in Richtung des Verbrechens des Totschlags nach § 76 StGB reklamiert, lässt sie die gebotene Ausrichtung am Verfahrensrecht vermissen. Zur prozessförmigen Darstellung des Nichtigkeitsgrundes hätte es nämlich des Hinweises auf ein Verfahrensergebnis der Hauptverhandlung bedurft, das auf einen allgemein begreiflichen tiefgreifenden Affekt zur Tatzeit und auch auf einen währenddessen entstandenen vorsätzlichen Tötungsentschluss des Angeklagten hingewiesen hätte (vgl Ratz , WK StPO § 345 Rz 23, 43). Dem wird die Beschwerde mit dem Vorbringen, „fairerweise“ wäre „in den Fragenkatalog aufzunehmen gewesen, ob die zur Hauptfrage 2 dargestellte Tat aufgrund einer allgemein begreiflichen, heftigen Gemütsbewegung im Sinne des § 76 StGB begangen wurde“, nicht gerecht. In diesem Umfang war die Nichtigkeitsbeschwerde daher zurückzuweisen.

Mit ihren Berufungen waren der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft auf die kassatorische Entscheidung zu verweisen.

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