JudikaturOGH

11Os33/14h – OGH Entscheidung

Entscheidung
13. Mai 2014

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 13. Mai 2014 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Zehetner als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab und Mag. Lendl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Mag. Michel und Mag. Fürnkranz als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Fellner als Schriftführer, in der Strafsache gegen Tudorel P***** und einen anderen Angeklagten wegen des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Tudorel P***** und Catalin S***** gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Geschworenengericht vom 19. Dezember 2013, GZ 607 Hv 4/13p 379, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Den Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruht, wurden Tudorel P***** und Catalin S***** jeweils des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB (I) und des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB (II) schuldig erkannt.

Danach haben sie am 4. November 2012 in Wien im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter (§ 12 StGB) Dr. Rudolf L*****

I./ vorsätzlich getötet, indem sie in seine Wohnung eindrangen, ihn zu Boden rangen, in Bauchlage mit mehreren Seilen an Armen und Beinen fesselten, eines der Seile straff um den Hals nach hinten zu den Füßen führten und fixierten, ihm ein Leintuch fest um den Kopf wickelten und verknoteten, wodurch der Tod durch Ersticken eintrat;

II./ mit Gewalt fremde bewegliche Sachen mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, indem sie in seine Wohnung eindrangen, ihn zu Boden rangen, in Bauchlage mit mehreren Seilen an Armen und Beinen fesselten, eines der Seile straff um den Hals nach hinten zu den Füßen führten und fixierten, ihm ein Leintuch fest um den Kopf wickelten und verknoteten und dessen Bargeld in Höhe von etwa 100 Euro, zwei USB Sticks, zwei Speicherkarten, einen schwarzen Laptop, ein weißes Netbook der Marke ASUS Eee, eine Laptoptasche, ein Mobiltelefon der Marke Nokia, eine Jacke sowie die Schlüssel für den PKW Dacia Duster mit dem behördlichen Kennzeichen ***** an sich nahmen.

Die Geschworenen haben die jeweils anklagekonform gestellten Hauptfragen 1 (betreffend P*****) und 2 (betreffend S*****) nach dem Verbrechen des Mordes sowie 3 (betreffend P*****) und 4 (betreffend S*****) nach dem Verbrechen des Raubes bejaht und dementsprechend die jeweils bloß für den Fall der Verneinung der Hauptfragen 1 bzw 2 bei Bejahung der Hauptfragen 3 bzw 4 gestellten Eventualfragen 1 (betreffend P*****) und 2 (betreffend S*****) nach dem Verbrechen des schweren Raubes mit Todesfolge unbeantwortet gelassen.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen erhobenen, vom Angeklagten Tudorel P***** auf § 345 Abs 1 Z 10a StPO und vom angeklagten Catalin S***** auf § 345 Abs 1 Z 6 und 10a StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerden verfehlen ihr Ziel.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten P*****:

Der formelle Nichtigkeitsgrund des § 345 Abs 1 Z 10a StPO greift seinem Wesen nach erst dann, wenn aktenkundige Beweisergebnisse vorliegen, die nach allgemein menschlicher Erfahrung gravierende Bedenken gegen die Richtigkeit der bekämpften Urteilsannahmen aufkommen lassen. Eine über die Prüfung erheblicher Bedenken hinausgehende Auseinandersetzung mit der Überzeugungskraft von Beweisergebnissen wie sie die Berufung wegen Schuld des Einzelrichterverfahrens einräumt wird dadurch nicht eröffnet (RIS Justiz RS0119583, RS0118780). Mit dem Hinweis auf die Verantwortung beider Angeklagten, sie hätten sich durch die konkrete Art der Fesselung und Knebelung des Opfers bloß einen Vorsprung für die Flucht ins Ausland verschaffen wollen, dessen Tod jedoch weder ins Kalkül gezogen noch gewollt, gelingt es dem Beschwerdeführer ebensowenig, beim Obersten Gerichtshof erhebliche Bedenken gegen die dem Wahrspruch zu Grunde liegende Annahme einer vorsätzlichen Tötung hervorzurufen wie mit der Behauptung des Fehlens eines Motivs.

Dies gilt auch für die weitere Spekulation der Tatsachenrüge (Z 10a), bei der Tat könne es sich um einen Totschlag (§ 76 StGB) aus Eifersucht oder Scham gehandelt haben. Der Beschwerdeführer unterlässt im Übrigen die Bezeichnung von entsprechenden, in der Hauptverhandlung vorgeführten und eine solche Beurteilung indizierenden Beweisergebnissen durch Angabe von Fundstellen in dem 14 Bände umfassenden Akt (vgl RIS Justiz RS0124172, RS0119424; Ratz , WK-StPO § 345 Rz 11 f und 15), insbesondere von solchen, die selbst unter der Annahme einer im Rechtsmittel angesprochenen „sexuellen Dreierbeziehung“ zwischen dem Beschwerdeführer, seiner „Freundin“ und dem Opfer Anhaltspunkte für einen zur Tatzeit vorliegenden tiefgreifenden Affekt (vgl RIS-Justiz RS0092092, RS0092338) und dessen allgemeine Begreiflichkeit (RIS Justiz RS0092271, RS0092087) böten. Die Erforderlichkeit einer entsprechenden Eventualfrage (vgl RIS Justiz RS0117447) wird im Rechtsmittel auch gar nicht behauptet.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten S*****:

Der Einwand der Fragenrüge (Z 6), eine „konkrete Fragestellung“ nach einer im Zuge des Raubgeschehens („in der Hoffnung ..., dass ohnehin alles irgendwie gut gehen werde“) bloß bewusst fahrlässigen Herbeiführung der Todesfolge sei unterblieben, ist unverständlich, weil ohnehin (jeweils) eine Eventualfrage in Richtung des Verbrechens des schweren Raubes (mit Todesfolge) nach § 143 letzter Fall StGB gestellt worden ist. Worin daher - zumal bei im Rechtsmittel zugestandener Richtigkeit der Instruktion der Geschworenen über den Unterschied zwischen bedingtem Vorsatz und bewusster Fahrlässigkeit (S 2 ff, 11 und 16 der Rechtsbelehrung) - eine Urteilsnichtigkeit liegen soll, ist nicht erkennbar, weshalb sich das Vorbringen einer inhaltlichen Erwiderung entzieht.

Mit seiner Tatsachenrüge (Z 10a) ist der Nichtigkeitswerber hinsichtlich der Argumentation mit den einen Tötungsvorsatz bestreitenden Angaben beider Angeklagten zunächst auf die Erledigung des entsprechenden Beschwerdepunkts des Tudorel P***** zu verweisen. Auch die Negierung eines Tötungsmotivs (trotz im Rechtsmittel eingeräumter guter persönlicher Bekanntschaft des Opfers mit dem Letztgenannten und der dadurch gegebenen Möglichkeit einer späteren Identifzierung) vermag keine Bedenken an der richtigen Lösung der Schuldfrage hervorzurufen.

Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§§ 285d Abs 1, 344 StPO), woraus sich die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen ergibt (§§ 285i, 344 StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Rückverweise