JudikaturOGH

11Os28/14y – OGH Entscheidung

Entscheidung
13. Mai 2014

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 13. Mai 2014 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Zehetner als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab und Mag. Lendl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Mag. Michel und Mag. Fürnkranz als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Fellner als Schriftführer, in der Strafsache gegen Boris G***** wegen des Verbrechens der Untreue nach § 153 Abs 1 und 2 zweiter Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 29. Oktober 2013, GZ 11 Hv 38/10a 116, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Boris G***** des Verbrechens der Untreue nach § 153 Abs 1 und Abs 2 zweiter Fall StGB schuldig erkannt.

Danach hat er in Wien seine ihm durch Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen, nämlich seine Zeichnungsberechtigung als Prokurist betreffend die Konten der M***** GmbH dadurch wissentlich missbraucht und der genannten Gesellschaft einen 50.000 Euro übersteigenden Vermögensnachteil zugefügt, dass er nachstehende Geldbeträge in Höhe von insgesamt 101.969,44 Euro behob und bestimmungswidrig für Zwecke der B***** GmbH sowie für eigene Zwecke verwendete, und zwar

1./ am 18. November 1992 vom Konto Nr ***** der Bank Austria einen Betrag von 500.000 ATS;

2./ vom Konto Nr ***** der Bank Austria

a./ am 5. Februar 1993 einen Betrag von 9.000 US-Dollar (umgerechnet 102.600 ATS);

b./ am 12. Februar 1993 einen Betrag von 29.000 US-Dollar (umgerechnet 225.530 ATS);

3./ vom Konto Nr ***** der Bank Austria

a./ am 3. März 1993 einen Betrag von 435.000 ATS

b./ am 4. März 1993 einen Betrag von 30.000 ATS

c./ am 24. März 1993 einen Betrag von 110.000 ATS.

Vom darüber hinausgehenden Vorwurf, er habe auch dadurch, dass er am 13. Oktober 1992 100.000 ATS (1./a./), am 14. Oktober 1992 300.000 ATS (1./b./) sowie am 22. Oktober 1992 einen Betrag von 195.000 ATS (1./c./) vom Konto Nr ***** der Ersten Österreichischen Sparkassen Bank und am 26. Februar 1993 einen Betrag von 7.000 US Dollar (umgerechnet 80.598 ATS) vom Konto Nr ***** der Bank Austria (2./) behob und für Zwecke der B***** GmbH verwendete, seine ihm durch Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen, wissentlich missbraucht und der genannten Gesellschaft einen Vermögensnachteil zugefügt, wurde Boris G***** gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.

Rechtliche Beurteilung

Dieses Urteil bekämpfen sowohl der Angeklagte als auch die Staatsanwaltschaft mit Nichtigkeitsbeschwerde, wobei sich der Angeklagte aus den Gründen des § 281 Abs 1 Z 5 und 9 lit a StPO gegen den Schuldspruch, die Staatsanwaltschaft aus § 281 Abs 1 Z 5 und 9 lit a StPO gegen den zugleich ergangenen Freispruch vom Vorwurf 1./b./ und 1./c./ wendet.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten:

Die Einlassung des Angeklagten, wonach er aufgrund einer Kooperationsvereinbarung der M***** GmbH und der B***** GmbH zur Verwendung der Mittel einer Gesellschaft für die andere berechtigt gewesen sei, wurde - der Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) zuwider nicht übergangen, sondern von den Tatrichtern als unglaubwürdig verworfen (US 8).

Dass das Schöffengericht das Sachverständigengutachten von Prof. Mag. Dr. Thomas K***** (ON 66, ON 115 S 4 ff) für ausreichend und überzeugend erachtete, auch wenn die Erstellung schon längere Zeit zurücklag, unterliegt als Akt freier Beweiswürdigung nicht der Anfechtung aus Z 5 des § 281 Abs 1 StPO (RIS Justiz RS0097433).

Inwieweit die gutachterlichen Ausführungen zu einer im Jahresabschluss der B***** GmbH ausgewiesenen Forderung von 2.240.590,56 ATS gegenüber der M***** GmbH (ON 66 S 431, ON 115 S 6) konkreten, den Schuldspruch tragenden Konstatierungen als erörterungsbedürftig (Z 5 zweiter Fall) entgegenstehen sollten, macht das Rechtsmittel nicht deutlich.

Das aus § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO erstattete, ausschließlich gegen die Entscheidung über privatrechtliche Ansprüche gerichtete Vorbringen spricht keinen Anfechtungsgegenstand der Rechtsrüge ( Ratz , WK StPO § 281 Rz 582), sondern vielmehr einen Berufungspunkt an (§ 283 Abs 1 StPO).

Zur Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft:

Die Mängelrüge moniert zu den den Freispruch zu 1./b./ und 1./c./ tragenden (Negativ-)Konstatierungen (US 6), dass die Tatrichter aus den Verfahrensergebnissen insbesondere aus der Expertise des Sachverständigen Prof. Mag. Dr. Thomas K***** (vgl dazu US 8 ff, 11) nicht andere, von ihr dargestellte Schlussfolgerungen gezogen haben.

Die Überzeugung des Erstgerichts, in Ansehung der vom Konto Nr ***** der Ersten Österreichischen Sparkassen Bank vorgenommenen Transaktionen vom 14. Oktober 1992 (1./b./) und vom 22. Oktober 1992 (1./c./) nicht feststellen zu können, dass der Angeklagte insofern eine ihm durch Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen, wissentlich missbraucht habe (US 6), blieb jedoch nicht unbegründet (Z 5 vierter Fall), sondern wurde auf die Erwägung gestützt, dass weder die insoweit auch nicht übergangene (US 11) Darstellung des Zeugen DI V***** zum Verwendungszweck der am Konto Nr ***** der Ersten Österreichischen Sparkassen Bank eingelangten Gelder der italienischen E***** überzeugte, noch dem Sachverständigen insofern eine abschließende Einschätzung möglich war (US 11), weshalb eine darauf bezogene Feststellung nicht mit der für ein Strafverfahren erforderlichen Sicherheit zu treffen sei. Dass dieser von den Tatrichtern aus den Verfahrensresultaten gezogene Schluss „zwingend“ sein muss, wird von den Verfahrensvorschriften nicht verlangt (RIS Justiz RS0098471).

Insofern erübrigt sich auch ein Eingehen der Rechtsrüge (Z 9 lit a), welche aus Sicht der Anklagebehörde indizierte Feststellungen einfordert und eine rechtliche Beurteilung des Sachverhalts nach § 133 Abs 1 und 2 erster Fall StGB anstrebt.

Die Nichtigkeitsbeschwerden des Angeklagten sowie der Staatsanwaltschaft waren daher wie bereits die Generalprokuratur zutreffend ausführte bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus sich die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen ergibt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

Die Generalprokuratur regt unter Hinweis auf die Tatzeiten und das rechnerische Ende der zehnjährigen Verjährungsfrist (§ 57 Abs 3 zweiter Fall StGB) die amtswegige Kassation des schuldig sprechenden Teiles des Ersturteils an (§ 290 Abs 1 StPO).

Lässt die Urteilsanalyse aus der Sicht des Rechtsmittelgerichts die Beurteilung zu, dass die Tatrichter entscheidende Feststellungen treffen wollten, liegt eine allenfalls amtswegige aufzugreifende materiell-rechtliche Nichtigkeit nicht vor. In diesem Umfang kann zur Ausdeutung des Urteils auch auf den Akteninhalt zurückgegriffen werden ( Ratz , WK StPO § 281 Rz 19).

Aus US 13 ist in diesem Sinn ersichtlich, dass das Erstgericht die lang andauernde Gerichtsanhängigkeit (vgl AB Bogen S 3s ff; gerichtliche Verfolgungshandlungen seit Juni 1999) durch den Hinweis auf „mehrere Jahre andauernde Ausschreibung des Angeklagten zur Verhaftung bzw zur Aufenthaltsermittlung“ als verjährungshemmenden Umstand (§ 58 Abs 3 Z 2 StGB) in Rechnung gestellt und damit der Sache nach das Vorliegen des Strafaufhebungsgrundes der Verjährung ausgeschlossen hat. Der Oberste Gerichtshof sah sich daher zu einem Vorgehen nach § 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO nicht veranlasst.

Rückverweise