12Os44/14h – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 8. Mai 2014 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner Foregger, Mag. Michel und Dr. Michel Kwapinski als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Pichler als Schriftführerin in der Strafsache gegen Anton H***** wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Schöffengericht vom 21. Jänner 2014, GZ 38 Hv 80/13a 35, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Anton H***** des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB (idF BGBl 2004/15) schuldig erkannt.
Danach hat er am 17. November 2012 in K***** Roswitha F*****, indem er mit mehreren Fingern in ihre Scheide eindrang, sich auf sie legte, ihre Beine auseinander drückte, ihre Hände über dem Kopf fixierte und mit seinem Geschlechtsteil mehrfach vaginal und anal in sie eindrang und, als sie aus der Nase zu bluten begann, ihren Oberkörper wiederholt nach unten drückte und sie erneut vaginal penetrierte, mit Gewalt gegen ihren Willen und heftigen Widerstand zur Duldung des Beischlafs genötigt.
Rechtliche Beurteilung
Die dagegen aus § 281 Abs 1 Z 5, 5a und 9 lit a StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten verfehlt ihr Ziel.
Dem Beschwerdevorbringen (Z 5 dritter Fall) zuwider besteht kein Widerspruch zwischen der Feststellung, dass der Angeklagte die Hände des Opfers mit beiden Händen über dem Kopf fixiert hat und jener, dass er das Band des Stringtangas zur Seite gezogen hat. Von einem pausenlos erfolgten Festhalten „mit beiden Händen“ ist nämlich keine Rede.
Der Begründungsmangel der Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) liegt vor, wenn das Gericht bei der für die Feststellung entscheidender Tatsachen angestellten Beweiswürdigung erhebliche, in der Hauptverhandlung vorgekommene Verfahrensergebnisse unberücksichtigt lässt. Mit Blick auf das Gebot zur gedrängten Darstellung der Urteilsgründe (RIS Justiz RS0106642) ist das Erstgericht aber nicht zu einer extensiven Erörterung jedes Aussagedetails verpflichtet. Angesichts der von ihr beschriebenen anfänglichen Gegenwehr und ihrer wiederholten Aufforderung, von ihr abzulassen, konnte die weitere Aussage der Zeugin Roswitha F*****, nicht zu wissen, wie der Angeklagte die Situation eingeschätzt habe, nachdem sie zufolge des aufgetretenen Nasenblutens ihren Widerstand aufgegeben habe, unerwähnt bleiben.
Der leugnenden Verantwortung des Angeklagten, wonach der Geschlechtsverkehr im Einvernehmen mit dem Opfer stattgefunden habe, haben die Tatrichter keinen Glauben geschenkt (US 8). Ein Eingehen auf dessen Aussage, wonach Roswitha F***** weder Schmerzen noch Ablehnung geäußert habe, konnte daher sanktionslos unterbleiben.
Der Tatsachenrüge (Z 5a) zuwider sind die geringfügigen Widersprüche in den Aussagen des Opfers vor Polizei und Gericht ebenso wenig wie ihre dazu abgegebene Erklärung geeignet, beim Obersten Gerichtshof erhebliche Bedenken gegen die erstgerichtliche Lösung der Schuldfrage zu wecken. Gleiches gilt für die unterschiedlichen Angaben des Opfers und jener Zeugen, denen es von dem Vorfall berichtete, dazu, ob sich das Tatgeschehen auf der Couch im Wohnzimmer oder auf dem Bett im Schlafzimmer zugetragen hat (US 7).
Das gerichtsmedizinische Gutachten zu den im Geschlechtsbereich des Opfers konstatierten Verletzungen und Entzündungen und die Aussagen der Zeuginnen Astrid N***** und Silvia A***** zum Vortatverhalten von Täter und Opfer lassen den Schuldspruch ebenso wenig als hochgradig bedenklich erscheinen wie der unbestrittene Umstand, dass sich Roswitha F***** freiwillig in das Bett des Angeklagten gelegt hat.
Indem die Rechtsrüge (Z 9 lit a) lediglich kritisiert, dass das Erstgericht auch die noch ohne Gewaltanwendung erfolgte, zum Aufwachen des Opfers führende digitale Penetration als tatbestandsmäßig beurteilte, nimmt sie nicht wie bei Geltendmachung materieller Nichtigkeit jedoch stets geboten am Urteilssachverhalt in seiner Gesamtheit Maß. Fest steht nämlich, dass der Angeklagte in einem Zug auch einen gewaltsam erzwungenen Geschlechts- und Analverkehr an seinem Opfer vorgenommen hat.
Bleibt anzumerken, dass dem Urteil der Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 11 erster Fall StGB anhaftet, weil das Erstgericht das Tatgeschehen zwar zutreffend § 201 Abs 1 StGB idF BGBl 2004/15 unterstellt hat, aber fälschlich von einem Strafsatz von einem bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe ausgegangen ist (US 12). § 201 Abs 1 StGB idF BGBl 2004/15 sah nämlich lediglich einen solchen von sechs Monaten bis zu zehn Jahren vor. Diesen bei der Sanktionsfindung unterlaufenen Fehler wird das Berufungsgericht zu korrigieren haben, weil dieses bei der Entscheidung über die Berufung an die in der Rechtsmittelschrift vorgetragenen Gründe nicht gebunden ist und daher keine dem Angeklagten zum Nachteil gereichende Bindung an den Ausspruch des Erstgerichts über das anzuwendende Strafgesetz nach § 295 Abs 1 erster Satz StPO besteht (RIS-Justiz RS0118870).
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bei nichtöffentlicher Beratung gemäß § 285d Abs 1 StPO sofort zurückzuweisen, woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§ 285i StPO).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.