JudikaturOGH

12Os42/14i – OGH Entscheidung

Entscheidung
08. Mai 2014

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 8. Mai 2014 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner Foregger, Mag. Michel und Dr. Michel Kwapinski als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Pichler als Schriftführerin im Verfahren zur Unterbringung des Martin L***** in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Betroffenen gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 19. Dezember 2013, GZ 15 Hv 143/13i 33, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde die Unterbringung des Martin L***** in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 1 StGB angeordnet.

Danach hat er am 4. Oktober 2013 in O***** unter dem Einfluss eines die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustands (§ 11 StGB) der auf einer geistigen oder seelischen Abartigkeit höheren Grades, nämlich einer Demenz mit paranoider Komponente beruht, eine Person, die wegen einer Geisteskrankheit unfähig war, die Bedeutung des Vorgangs einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, unter Ausnützung dieses Zustands dadurch missbraucht, dass er an seiner Ehegattin Margaretha L*****, welche an einer Demenz vom Alzheimertyp mit weit fortgeschrittener Hirnabbausymptomatik leidet, eine dem Beischlaf gleichzusetzende geschlechtliche Handlung vornahm, indem er mit einem Vibrator ihre Scheide penetrierte, also eine mit einer ein Jahr übersteigenden Freiheitsstrafe bedrohte Tat begangen, die ihm, wäre er zurechnungsfähig gewesen, als Verbrechen des sexuellen Missbrauchs einer wehrlosen oder psychisch beeinträchtigten Person nach § 205 Abs 1 StGB zuzurechnen gewesen wäre.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen vom Betroffenen erhobene und auf § 281 Abs 1 Z 5 und 5a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde verfehlt ihr Ziel.

In seiner Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) kritisiert der Beschwerdeführer, das Gericht sei auf die Ausführungen des Sachverständigen, wonach er nicht ausschließen könne, dass Martin L***** tatsächlich der Überzeugung war, der Vibrator könnte ein Mittel gewesen sein, um Schmerzen zu lindern (ON 32 S 29), beweiswürdigend nicht eingegangen.

Die Tatrichter haben aber die Verantwortung des im Übrigen zur Penetration nicht geständigen Betroffenen, der angab, seine Frau habe den Vibrator zur Schmerzlinderung selbst in ihre Hose gesteckt bzw er habe sie im Nacken- und Bauchbereich massiert, ohnedies gewürdigt und wenn auch zur Begründung der festgestellten Ausnützung des Zustands der Wehrlosigkeit seine Verantwortung, dass „ihr dies gut tue“ nicht unerwähnt gelassen, diese Angaben aber als bloße Schutzbehauptung gewertet (US 7 ff). Diesen Urteilsannahmen stehen die im Rechtsmittel zitierten Ausführungen des Sachverständigen, zumal dieser im Ergebnis zur Intention der inkriminierten Handlungen ohnehin keine Aussage treffen konnte, nicht entgegen, sodass das Gericht nicht verhalten war, die diesbezüglichen Ausführungen des Sachverständigen gesondert zu erörtern.

Die Tatsachenrüge (Z 5a) will nur geradezu unerträgliche Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen (das sind schuld- oder subsumtionserhebliche Tatumstände, nicht aber im Urteil geschilderte Begleitumstände, oder im Rahmen der Beweiswürdigung angestellte Erwägungen) und völlig lebensfremde Ergebnisse der Beweiswürdigung durch konkreten Verweis auf aktenkundige Beweismittel (bei gleichzeitiger Bedachtnahme auf die Gesamtheit der tatrichterlichen Beweiswerterwägungen) verhindern. Mit dem neuerlichen Hinweis auf die Ausführungen des Sachverständigen und auf die attestierte geistige Erkrankung des Betroffenen und dessen Denk- und Merkfähigkeit mit dem Ziel, die Annahmen zur subjektiven Tatseite des Betroffenen zu erschüttern, werden erhebliche Bedenken nicht geweckt, beschränkt sich die Rüge im Ergebnis doch darauf, den vom Erstgericht aus der Verantwortung des Betroffenen gezogenen Schlüssen eigene Beweiswerterwägungen entgegenzusetzen. Wie die Zeugin Margaretha L***** am Tattag bekleidet war, ist als bloßer Begleitumstand ohne notwendige Bedingung für getroffene Feststellungen hinsichtlich einer entscheidenden Tatsache (vgl Ratz , WK-StPO § 281 Rz 410) ohnedies unbeachtlich.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung des Betroffenen folgt (§ 285i StPO).

Zu einem amtswegigen Vorgehen hinsichtlich der dem Urteil betreffend die (unangefochtene) Konfiskation des zur Begehung der verfahrungsgegenständlichen vorsätzlichen Straftat verwendeten Vibrators anhaftenden materiellen Nichtigkeit (§ 281 Abs 1 Z 11 erster Fall StPO; RIS Justiz RS0129178) besteht kein Anlass, weil ein konkreter Nachteil (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO) für den Betroffenen im Hinblick auf die von ihm in der Hauptverhandlung im Beisein seines Verteidigers (ON 32 S 1) erteilte Zustimmung zur Konfiskation und damit zum Eigentumsentzug (ON 32 S 31) nicht vorliegt (vgl Ratz , WK StPO § 290 Rz 22; 14 Os 169/13d).

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