15Os26/14h – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 23. April 2014 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner Foregger, Dr. Michel Kwapinski und Mag. Fürnkranz als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Pichler als Schriftführerin in der Strafsache gegen Franz H***** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Franz H***** und Gheorghe U***** gegen das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt als Schöffengericht vom 12. November 2013, GZ 37 Hv 79/13v 136, ferner über die Beschwerde des Angeklagten H***** gegen den zugleich gefassten Beschluss nach § 494a Abs 1 StPO nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Den Angeklagten H***** und U***** fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil, das auch einen in Rechtskraft erwachsenen Schuldspruch eines weiteren Angeklagten enthält, wurden Franz H***** und Gheorghe U***** jeweils des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB (B.I.; C.I.) und des Vergehens der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs 1 StGB (B.II.; C.II.), Letzterer als Beteiligter nach § 12 dritter Fall StGB schuldig erkannt.
Danach hat
B. Franz H***** am 13. Jänner 2013 in G*****
I. dadurch, dass er mit einer Schirmkappe und einem schwarzen Damenstrumpf getarnt in die Filiale der R*****bank eindrang, unter der Äußerung „Das ist ein Überfall“ eine Gaspistole gegen die dort anwesenden Agnes S***** und Ulrike L***** richtete, L***** sodann zum Öffnen des Tresors zwang, aus diesem Bargeld in Gesamthöhe von 84.500 Euro an sich nahm und unter der gegenüber der Angestellten mit vorgehaltener Gaspistole getätigten Ankündigung, sie für den Fall der Aufnahme seiner Verfolgung oder der Auslösung eines Alarms „zu erschießen“, die Flucht ergriff, durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben (§ 89 StGB) Gewahrsamsträgern der R*****bank G***** eine fremde bewegliche Sache mit dem Vorsatz weggenommen, durch deren Zueignung sich unrechtmäßig zu bereichern, wobei er den Raub unter Verwendung einer Waffe verübte;
II. dadurch, dass er anlässlich des zu B.I. beschriebenen Angriffs das Sparbuch des Wolfram K***** an sich nahm und dem Berechtigten vorenthielt, eine Urkunde, über die er nicht verfügen durfte, unterdrückt, wobei er mit dem Vorsatz handelte, zu verhindern, dass sie im Rechtsverkehr zum Beweis eines Rechts, eines Rechtsverhältnisses oder einer Tatsache gebraucht werde;
C) Gheorghe U***** von Herbst 2012 bis 23. Jänner 2013 in Salzburg und anderen Orten zur Ausführung der zu B.I. und B.II. angeführten strafbaren Handlungen des Franz H***** beigetragen, indem er gemeinsam mit diesem den Tatentschluss fasste, geeignete Tatorte auskundschaftete, das Tatobjekt festlegte sowie das zur Tatbegehung bestimmte Fahrzeug beschaffte.
Dieses Urteil bekämpfen Franz H***** mit einer auf Z 4, 5 und 5a, Gheorghe U***** mit einer auf Z 5a, 9 lit b und 10 jeweils des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde. Die Rechtsmittel verfehlen ihr Ziel.
Rechtliche Beurteilung
Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Franz H*****:
Entgegen dem Vorbringen der Verfahrensrüge (Z 4) wurden durch die Abweisung (ON 135 S 39 f) von drei in der Hauptverhandlung gestellten Beweisanträgen des Beschwerdeführers dessen Verteidigungsrechte nicht geschmälert.
Die (weitere) Ausforschung eines ungarischen Staatsangehörigen namens „Damasz“ oder „Tamas Ko***** zum Beweis dafür, dass dieser der unmittelbare Täter gewesen sei, unterblieb zu Recht, lagen doch zu dieser Person außer dem Namen, dessen Schreibweise nicht sicher war, keinerlei Daten oder Erhebungsansätze vor. Ein vom Gericht ohnehin unternommener Versuch der Ausforschung über Interpol Budapest blieb erfolglos (ON 131).
Ebenfalls keine Beeinträchtigung von Verteidigungsinteressen bewirkte die Abweisung des Antrags auf Durchführung eines Lokalaugenscheins „vor der Wohnung dafür, dass hinsichtlich des Abstands von 300 m die Aussage des Drittangeklagten (Patrick Ho*****) nicht der Richtigkeit entspricht, da sich Häuser und sonstige Wohnstätten dort befinden. Weiters zum Beweis dafür, dass es unmöglich ist, dass der Erstangeklagte die Beute versteckt hat, da ja die Vorgehensweise des Erstangeklagten von vielen Personen hätte gesehen werden können“ (ON 135 S 39). Dieses Begehren ließ nämlich nicht erkennen, weshalb das Beweismittel geeignet sein sollte, eine erhebliche Tatsache unter Beweis zu stellen oder sonst für die Beurteilung des Tatverdachts von Bedeutung sein könnte (§ 55 Abs 2 Z 1 und 2 StPO). Das in der Nichtigkeitsbeschwerde nachgetragene Vorbringen als Versuch einer Fundierung des Antrags erweist sich als prozessual verspätet und ist daher unbeachtlich (RIS Justiz RS0099618).
Auch der Antrag auf „Sehüberprüfung“ der Augen des Angeklagten zum Beweis dafür, dass er Dauerbrillenträger sei und dass es unmöglich sei, „ohne Brille diese strafbare Handlung durchzuführen“, ließ weder erkennen, weshalb das beantragte Beweismittel das behauptete Ergebnis erbringen sollte, noch weshalb eine Seheinschränkung des Erstangeklagten, von der das Gericht ohnehin ausging (US 14; § 55 Abs 2 Z 3 StPO), die Tatausführung unmöglich machen sollte.
Der Mängelrüge zuwider (Z 5 zweiter Fall) haben sich die Tatrichter gar wohl mit Unsicherheiten der Zeugin L***** (US 10 f) und des Zeugen Mag. Ka***** (US 16) bei der Personenbeschreibung des Täters auseinandergesetzt. Das trifft ebenso für die unterschiedlichen Angaben zur Beschaffenheit der Maskierung des Täters zu (US 10 unten). Die Verantwortung des Erstangeklagten wiederum wurde nicht einfach übergangen, sie wurde nur von den Tatrichtern nicht als glaubhaft gewertet (US 10 ff).
Mit der Frage nach einem allfälligen Motiv für den Widerruf des Geständnisses durch den Angeklagten spricht die Beschwerde keine entscheidende Tatsache an (zum Begriff s Ratz , WK-StPO § 281 Rz 399). Insoweit sie die beweiswürdigenden Erwägungen des Erstgerichts zum Wissen des Angeklagten über Details des Ablaufs des Raubüberfalls, zu einem Telefongespräch des Zeugen Daniel Ho***** und zu den dem Gericht übergebenen Briefen kritisiert und eigenständig bewertet, bekämpft sie lediglich die Beweiswürdigung des Erstgerichts nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht zulässigen Berufung wegen Schuld. Auf derselben Ebene verbleiben die Überlegungen zur (Un )Möglichkeit, einen Raubüberfall mit der vom Beschwerdeführer angegebenen Sehbehinderung durchzuführen, und zu dem von ihm ins Spiel gebrachten unbekannten Dritten als tatsächlichem Täter.
Mit dem Hinweis auf die Aussage des Zeugen Mag. Ka*****, der einen jungen Mann vor der Bank weglaufen gesehen habe, die Angabe der Zeugin L*****, der Täter habe Deutsch mit Akzent gesprochen, und mit der neuerlichen Behauptung, dass der Erstangeklagte in physischer Hinsicht nicht in der Lage sei, den gegenständlichen Bankraub ohne Brille zu verüben, gelingt es der Tatsachenrüge (Z 5a) nicht, beim Obersten Gerichtshof erhebliche Bedenken gegen die dem Schuldspruch zugrundeliegenden entscheidenden Tatsachen zu wecken.
Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Gheorghe U*****:
Die Tatsachenrüge (Z 5a) zitiert (selektiv) eine Aussage des Erstangeklagten zur Beteiligung des Zweitangeklagten und folgert daraus, dass diesem kein Beitrag in Bezug auf die Fassung des Tatentschlusses, das Auskundschaften und Festlegen des geeigneten Tatorts sowie die Verwendung einer Waffe „zugeordnet“ werden könne. Sie spricht damit angesichts der darüber hinaus konstatierten Beitragshandlungen (US 2, 7, 8 f) keine entscheidende Tatsache an und übersieht zudem, dass der Erstangeklagte in derselben Vernehmung (ON 28) auch deponiert hat, dass sie den Raubüberfall auf eine Bank gemeinsam geplant hatten und U***** das Fluchtfahrzeug organisiert habe. Solcherart vermag die Rüge keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Schuldspruch zugrunde liegenden Feststellungen zu erwecken.
Die Rechtsrüge (Z 9 lit b) spekuliert darüber, es sei „seitens des Zweitangeklagten davon auszugehen“ gewesen, dass „der Erstangeklagte seine Tatausführung durch den Rückzug des Zweitangeklagten gesichert aufgibt“. Sie benennt hiezu aber keine Beweisergebnisse, die Feststellungen in diese Richtung indizieren würden, und macht auch nicht klar, weshalb es entgegen § 16 Abs 1 StGB zur Straflosigkeit genügen sollte, dass sich der Beteiligte der Tatausführung enthält, und nicht vielmehr eine Verhinderung derselben notwendig wäre.
Die Subsumtionsrüge (Z 10) hält nicht an den erstgerichtlichen Urteilsannahmen fest, indem sie in Bezug auf das Entsorgen der Tatwaffe meint, es handle sich bloß um eine „nachträgliche Hilfeleistung“, die übrigen konstatierten Beitragshandlungen des Zweitangeklagten (US 7 und 8 f) aber übergeht.
Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO). Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen und die Beschwerde (§§ 285i, 498 Abs 3 StPO).
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.