JudikaturOGH

9ObA15/14t – OGH Entscheidung

Entscheidung
26. Februar 2014

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Kuras und Dr. Hargassner sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Peter Zeitler und Mag. Manuela Majeranowski als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei F***** D*****, vertreten durch Freimüller/Obereder/Pilz Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, wider die beklagte Partei Ö***** Aktiengesellschaft, *****, vertreten durch Kunz Schima Wallentin Rechtsanwälte OG in Wien, wegen Feststellung (21.800 EUR), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 15. November 2012, GZ 10 Ra 49/12t 25, mit dem das Urteil des Arbeits und Sozialgerichts Wien vom 18. Oktober 2011, GZ 28 Cga 52/10m 19, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Das mit Beschluss vom 29. Mai 2013, 9 ObA 15/13s, unterbrochene Verfahren wird von Amts wegen fortgesetzt.

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.329,84 EUR (darin 221,64 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der am 9. 1. 1955 geborene Kläger arbeitet zuletzt als Fahrdienstleiter seit 27. 12. 1974 (nach einem Betriebsübergang) bei der Beklagten.

Ausgehend von der Rechtslage vor Einführung des Bundesbahn-Pensionsgesetzes (BB PG) 2001, BGBl I 2001/86, hätte der Kläger aufgrund der Bundesbahn-Pensionsordnung 1966, BGBl 1966/313, in Verbindung mit der Dienstordnung mit Ablauf des 3. 1. 2008 über eigenes Ansuchen in den Ruhestand versetzt werden können. Der Ruhegenuss hätte dabei 3.796,62 EUR betragen.

Durch Einführung des Bundesbahn Pensions-gesetzes (BB PG) mit dem Pensionsreformgesetz 2001, BGBl I 2001/86, wurde das Pensionsantrittsdatum für den Kläger durch Anhebung des Pensionsantrittsalters gemäß § 2 Abs 1 Z 3 BB PG bis zum Ablauf des 3. 7. 2009 hinausgeschoben. Der Ruhebezug hätte 3.639,03 EUR betragen. Das BB PG 2001 brachte zwei konkret relevante Veränderungen: Zum einen wurde für diese Pensionsantrittsvariante eine Wartefrist von 18 Monaten eingeführt und zum anderen für die Bemessung der Ruhegenussberechnungsgrundlage die Durchrechnung der besten 216 Monate normiert.

Mit der Novelle zum BB PG durch das Budgetbegleitgesetz 2003, BGBl I 2003/71, wurde die Wartefrist auf 60 Monate (§ 2 Abs 1 Z 3 BB PG) und die Durchrechnung auf 480 Monate (§ 4 Z 3 BB PG) erhöht. Gleichzeitig wurde der Steigerungsbetrag für den Ruhegenuss von 1,7 % jährlich auf 1,229 % gesenkt (§ 8 Abs 1 BB PG). Die Pensionsantrittsvariante nach § 2 Abs 1 Z 3 BB PG hat neben der nunmehr geltenden Wartezeit die Voraussetzung, dass die Anwartschaft auf Ruhegenuss im Höchstausmaß erreicht wurde. Das Höchstausmaß liegt bei 83 % (§ 5 Abs 1 BB PG). Durch die Senkung des Steigerungsbetrags erhöht sich somit auch das Pensionsantrittsalter der dritten Variante in § 2 Abs 1 BB PG. Nach dieser Rechtslage kann der Kläger frühestens am 3. 1. 2014 über eigenes Ansuchen in den Ruhestand versetzt werden. Der Ruhebezug wird 3.661,45 EUR betragen. Für den Kläger gelten jedoch Übergangsbestimmungen: Zum einen beträgt die Wartefrist gemäß § 54a Abs 2 BB PG 44 Monate, zum anderen erfolgt eine Durchrechnung anhand der 164 besten Monate (§ 53a Abs 2 BB PG).

Auf den fiktiven Zeitpunkt des 4. 1. 2014 bezogen errechnen sich folgende Ruhebezüge: Nach der Rechtslage vor Inkrafttreten des BB PG würde der Bezug bei 3.976,39 EUR liegen, nach der Rechtslage des BB PG idF BGBl I Nr 2002/119 bei 3.859,34 EUR und nach der nunmehrigen Rechtslage bei 3.661,45 EUR. Dies bedeutet ein Minus von 7,92 % in Bezug auf die Rechtslage vor dem BB PG und von 5,13 % auf jene vor dem Budgetbegleitgesetz 2003.

Mit Klage vom 19. 3. 2010 begehrt der Kläger die Feststellung, dass er seit 4. 7. 2009 Anspruch auf Ruhegenuss nach dem BB PG 2001 (idF BGBl I 2001/86) habe, dies insbesondere unter Nichtberücksichtigung der nicht verfassungskonformen Regelungen der § 2 Abs 1 Z 3, § 4, § 8, § 53 Abs 2, § 53a Abs 2 und 3, § 54a, § 60 Abs 5, § 64 BB PG (jeweils idF BGBl I 2003/71) und der § 5 Abs 2 bis 5, § 37 Abs 2 und 3, § 62 Abs 10 und §§ 66 bis 71 BB PG (jeweils idF BGBl I 2004/142; Modifikation des Klagebegehrens im zweiten Rechtsgang, Schriftsatz des Klägers ON 12). Die nach dem 31. 12. 2003 erfolgten Verschlechterungen des Pensionsrechts der ÖBB Bediensteten, insbesondere durch Erhöhung der Wartefrist und Reduktion des Steigerungsbetrags würden einen Eingriff in das verfassungsrechtlich gewährleistete Recht auf Eigentum darstellen und auch gegen den Gleichheitssatz verstoßen.

Die Beklagte bestritt, beantragte Klageabweisung und entgegnete im Wesentlichen, dass die gesetzlichen Eingriffe in die Rechtsposition des Klägers sachlich gerechtfertigt, maßvoll und damit nicht verfassungswidrig seien.

Das Erstgericht wies auch im zweiten Rechtsgang das auf Feststellung eines Pensionsanspruchs bereits seit dem 4. 7. 2009 gerichtete Klagebegehren ab. Der Kläger könne sich nach der geltenden Rechtslage erst mit Ablauf des 3. 1. 2014 über eigenes Ersuchen in den Ruhestand versetzen lassen. Gemäß § 89 Abs 1 und Abs 2 B VG sei dem erstinstanzlichen Gericht die Prüfung der Verfassungskonformität eines Gesetzes verwehrt.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Die vom Kläger geäußerten Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der durch das Budgetbegleitgesetz 2003 und das Pensionsharmonisierungsgesetz 2004 geänderten Bestimmungen des BB PG würden nicht überzeugen.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision des Klägers aus dem Grunde der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne einer Stattgebung des Klagebegehrens abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Insbesondere werden im Rahmen der Anregung zur Einleitung eines Gesetzesprüfungsverfahrens die schon im Verfahren vor den Vorinstanzen erhobenen Bedenken wegen Verletzung des Grundrechts auf Eigentum und wegen Verletzung des Gleichheitssatzes releviert.

Die Beklagte beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung , die Revision des Klägers zurückzuweisen, in eventu, ihr keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, aber nicht berechtigt.

Aus Anlass der Revision hat der Oberste Gerichtshof mit Beschluss vom 29. Mai 2013, 9 ObA 15/13s, die der vom Kläger monierten Verschlechterung seiner Rechtsposition durch die nach dem 31. 12. 2003 erfolgten Änderungen des Pensionsrechts der ÖBB Bediensteten zugrunde liegenden Gesetzesbestimmungen beim Verfassungsgerichtshof angefochten.

Mit Erkenntnis vom 12. 12. 2013, G 53/2013 17, gelangte der Verfassungsgerichtshof zum Ergebnis, dass die gesetzlichen Maßnahmen, die zu einer Verschlechterung des Pensionsrechts der ÖBB Bediensteten führten, verfassungsrechtlich unbedenklich seien. Er vertritt in der Begründung seines Erkenntnisses kurz zusammengefasst folgende Ansicht:

Die vom Obersten Gerichtshof (wegen einer Verletzung des Vertrauensschutzes) als verfassungswidrig erachteten Bestimmungen sind Teil eines Regelungskomplexes, der insgesamt das Ziel verfolgt, zur Erreichung einer langfristigen Sicherung der österreichischen Altersversorgungssysteme bzw Finanzierbarkeit des öffentlichen Pensionssystems und der Budgetentlastung beizutragen.

Dass derartige Regelungen grundsätzlich im öffentlichen Interesse liegen, hat der Verfassungsgerichtshof bereits mehrfach ausgesprochen.

Die Bemessung des Ruhegenusses auf der Grundlage von Durchrechnungszeiträumen mit Wirkung vom 1. 1. 2003 war bereits im Jahr 1997 Teil des Pensionsrechts der ÖBB Bediensteten. Somit stand Betroffenen für die Einführung der neuen Berechnungsmethode bereits vor deren Inkrafttreten ein Zeitraum von fünf Jahren zur Verfügung, um sich auf die geänderte Rechtslage einzustellen.

Mit dem BudgetbegleitG 2003 wurde das Ausmaß des Durchrechnungszeitraumes spiegelgleich zu den Pensionsreformmaßnahmen für Bundesbeamte weiter angehoben. Für den damit verbundenen Eingriff in die Pensionshöhe hat der Gesetzgeber zwei Übergangssysteme vorgesehen:

Neben § 53a Abs 2 BB-PG, der eine generelle etappenweise Anhebung des Durchrechnungszeitraumes für Betroffene vornimmt, die in den näher genannten Zeiträumen ihren Ruhestand antreten, bezweckt die Verlustdeckelung von § 53b bis § 53d leg cit, im Einzelfall unangemessen hohe Absenkungen des Ruhegenusses während eines Zeitraums, in dem sich die Betroffenen nicht mehr ausreichend auf die neue Rechtslage einstellen können, zu verhindern und somit Härtefälle zu vermeiden.

Zudem hat der Gesetzgeber mit § 64 Abs 2 und Abs 3 BB PG weitere Maßnahmen eingeführt, die die ab 2004 im Vergleich zur Rechtslage bis zum 31. 12. 2003 bewirkten Verluste begrenzen sollen: Während § 64 Abs 3 leg cit als zeitlich befristete Übergangsbestimmung konzipiert ist (Anstieg der Verlustdeckelung von 5 % auf 9,75 %), kommt § 64 Abs 2 leg cit ab erstmaligen Pensionsbemessungen im Jahr 2024 zur Anwendung (generelle Verlustdeckelung von 10 %).

Dass von der Regelung Fallgruppen erfasst wären, die aus besonderen Gründen unverhältnismäßig hart getroffen würden, behauptet der Oberste Gerichtshof nicht.

Auch wenn für Personen, die kurz vor der Erreichung des Pensionsalters stehen, die bewirkte Kürzung der Pensionshöhe durch das BudgetbegleitG 2003 als plötzlich zu qualifizieren wäre, ist der Eingriff auf Grund des Systems der dargestellten Übergangsregelungen nicht als so intensiv zu qualifizieren, dass dies zur Unsachlichkeit führte.

Mit Inkrafttreten des BudgetbegleitG 2003 wurde die im Jahr 2000 eingeführte Wartefrist in § 2 Abs 1 Z 3 BB PG von 18 auf nunmehr 60 Monate verlängert. Gleichzeitig wurde der jährliche Steigerungsbetrag in § 8 BB PG (für jedes weitere Dienstjahr nach den ersten zehn Dienstjahren) auf nunmehr 1,229 % gekürzt.

Zur Milderung dieser Eingriffe wurden erneut Übergangsbestimmungen vorgesehen, die einerseits in § 54a Abs 2 BB PG eine differenzierte zehnjährige -Übergangsregelung für die Anhebung der Wartefrist enthält. Die volle Wartefrist von 60 Monaten nach § 2 Abs 1 Z 3 BB PG gelangt erst für jene ÖBB Bediensteten zur Anwendung, die die Anwartschaft auf Ruhegenuss im Höchstausmaß nach dem 1. Quartal 2014 erreichen. Für die Berechnung des Steigerungsbetrages wiederum normiert § 64 Abs 1 BB PG eine Übergangsvorschrift zu § 8 Abs 1 leg cit, wonach vor dem 1. 1. 2004 angefallene Zeiten ab dem elften Dienstjahr für das Ausmaß des Ruhegenusses mit dem der Rechtslage vor Inkrafttreten des BudgetbegleitG 2003 entsprechenden Prozentsatz zu veranschlagen sind. Die Beibehaltung des bisherigen Prozentsatzes des Ruhegenusses für einen Teil der ruhegenussfähigen Gesamtdienstzeit fällt umso mehr ins Gewicht, je mehr solcher Zeiten vor dem 1. 1. 2004 erworben wurden, und kommt daher ÖBB Bediensteten, die kurz vor der Erreichung des Pensionsalters stehen, besonders zugute.

Bei den in Rede stehenden Rechtsänderungen geht es um die Beseitigung eines - verglichen mit der für die Bundesbeamten maßgeblichen Rechtslage, der das BB PG nachgebildet ist und nach der ein Pensionsantritt durch Erklärung frühestens nach Erreichen des Mindestalters (derzeit Übergangsphase, ab dem Jahr 2017 65 Jahre) erfolgen kann atypisch frühen Pensionsanfallsalters, welches den Angaben der Bundesregierung zufolge bei unkündbaren ÖBB Bediensteten im Zeitraum 2003 bis 2006 durchschnittlich 52,45 Jahre, bei Bundesbeamten (ohne Postbeamte) im selben Zeitraum hingegen 58,75 Jahre betrug. Schließlich ist auch zu berücksichtigen, dass das gesetzliche Pensionsalter der ÖBB Bediensteten gemäß § 2 Abs 1 Z 1 BB PG schrittweise (siehe § 54a Abs 1 BB PG) bis zum Geburtsjahrgang 1956 auf 61,5 Jahre und die erforderliche ruhegenussfähige Gesamtdienstzeit schrittweise auf 42 Jahre erhöht wird und damit auch über das Jahr 2017 hinaus einen im Vergleich zu den Bundesbeamten früheren Pensionsantritt ohne Abschläge (§ 5 Abs 2 BB-PG) ermöglicht.

Der Gesetzgeber hat zwar durch die bekämpften Maßnahmen insgesamt einen nicht unerheblichen Eingriff in das Pensionsrecht der ÖBB Bediensteten vorgenommen. Zugleich hat er aber unter Anwendung eines differenzierten Systems von begleitenden Regelungen das Gewicht des Eingriffs so weit gemildert, dass er die verfassungsrechtlichen Grenzen nicht überschritten hat.

Nach Zustellung dieses Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofs ist das Revisionsverfahren von Amts wegen fortzusetzen.

Im Rahmen des Revisionsverfahrens war nur noch die allfällige Verfassungswidrigkeit der im Fall des Klägers anzuwendenden Bestimmungen zu beurteilen. Da der Verfassungsgerichtshof die dagegen erhobenen Bedenken als nicht berechtigt angesehen hat, war der Revision des Klägers nicht Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO. Der Fortsetzungsantrag vom 10. 2. 2014 war nicht zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig. Das Verfahren wurde von Amts wegen fortgesetzt.

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