JudikaturOGH

14Os9/14a – OGH Entscheidung

Entscheidung
25. Februar 2014

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 25. Februar 2014 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp als Vorsitzenden, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger und Mag. Marek sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und Dr. Oshidari in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Ent als Schriftführer in der Strafsache gegen David H***** wegen des Vergehens des Diebstahls nach § 127 StGB und anderer strafbarer Handlungen, AZ 1 U 71/04b des Bezirksgerichts Güssing, über die von der Generalprokuratur gegen das Urteil dieses Gerichts vom 7. Juni 2010 (ON 19) und gegen jenes des Landesgerichts Eisenstadt als Berufungsgericht vom 21. Februar 2011, AZ 10 Bl 33/10y (ON 25), erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin der Generalprokuratur, Generalanwältin Dr. Geymayer, zu Recht erkannt:

Spruch

In der Strafsache AZ 1 U 71/04b des Bezirksgerichts Güssing verletzen

1. das Urteil dieses Gerichts vom 7. Juni 2010, GZ 1 U 71/04b 19, im Schuldspruch wegen jeweils eines Vergehens des Diebstahls nach § 127 StGB und der Verletzung der Unterhaltspflicht nach § 198 Abs 1 StGB die genannten Bestimmungen und § 270 Abs 2 Z 5 StPO iVm § 447 StPO;

2. das Urteil des Landesgerichts Eisenstadt als Berufungsgericht vom 21. Februar 2011, AZ 10 Bl 33/10y (ON 25), im Unterbleiben der Aufhebung der zu 1. bezeichneten Schuldsprüche § 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO iVm § 471 StPO.

Das Urteil des Bezirksgerichts Güssing vom 7. Juni 2010, GZ 1 U 71/04b 19, wird im Schuldspruch wegen der Vergehen des Diebstahls nach § 127 StGB und der Verletzung der Unterhaltspflicht nach § 198 Abs 1 StGB aufgehoben und die Sache im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Bezirksgericht Güssing verwiesen.

Text

Gründe:

Mit Urteil des Bezirksgerichts Güssing vom 7. Juni 2010, GZ 1 U 71/04b 19, wurde David H***** jeweils eines Vergehens nach § 27 Abs 1 (erster und zweiter Fall) SMG (idF vor BGBl 2007/110), des Diebstahls nach § 127 („Abs 1“) StGB und der Verletzung der Unterhaltspflicht nach § 198 Abs 1 StGB schuldig erkannt und zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe verurteilt.

Nach dem Referat der entscheidenden Tatsachen im Urteilstenor (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO) hat er

„in der Zeit vom 1. Jänner 2001 bis 3. Mai 2004 in Wien, S*****, O***** und anderen Orten Cannabisprodukte und XTC Tabletten erworben und besessen, sowie am 31. 12. 2004 in 1110 Wien ein Handy der Marke Nokia im Werte von EUR 600,-- zum Nachteil der Silvia I***** in Bereicherungsabsicht widerrechtlich an sich gebracht“ und

„weiters seit April 2007 bis 7. 6. 2010 seine im Familienrecht begründete Unterhaltspflicht gegenüber Justin S*****, geb. 3. 7. 2006 gröblich verletzt, indem er keinerlei oder nur unzureichende Unterhaltszahlungen geleistet hat und dadurch bewirkt hat, dass der Unterhalt oder die Erziehung des unterhaltsberechtigten Kindes gefährdet war oder ohne Hilfe von anderer Seite gefährdet gewesen wäre.“

Nach den Feststellungen (US 2) hat David H***** „am 31. 12. 2004 in Wien auch widerrechtlich ein Handy an sich gebracht, und zwar zum Nachteil der Sylvia I*****, wobei (er) das Handy aus der Schublade mitgenommen hat als er auf Besuch war und dann bei einem Bekannten namens Miki gegen ein anderes Handy der Marke Nokia eingetauscht hat.“

Weiters konstatierte das Bezirksgericht: „Schließlich ist David H***** der Vater des mj. Justin S*****, geb. 3. 7. 2006. Das Kind befindet sich in Pflege und Erziehung bei der Kindesmutter Astrid S*****. Er (i)hat sich ab 1. 4. 2007 zu einer monatlichen Unterhaltsleistung von EUR 200,-- verpflichtet, er hat (habe) nur im Jahre 2007 durch Drittschuldnerexekution äußerst geringfügige Beträge (ca. EUR 36,-- im Jahre 2008 von EUR 105,--) bezahlt, sodass der Unterhaltsrückstand bereits im Mai 2009 EUR 5.058,38 betragen hat. Dem mj. Justin S***** wird seit 1. 8. 2007 monatlich Unterhaltsvorschuss von EUR 105,40 und ab 1. 10. 2007 von EUR 200,-- gewährt. Der Beschuldigte hat sich hinsichtlich der Unterhaltsverletzung für schuldig bekannt und sich in einer Niederschrift vom 6. 5. 2010 geeinigt, den Unterhaltsrückstand per Mai 2010 von EUR 7.492,72 mit monatlich ab 1. Juni 2010 EUR 250,--, das heißt EUR 200,-- laufenden Unterhalt und EUR 50,-- Rückstand zu bezahlen.“

Mit Urteil des Landesgerichts Eisenstadt als Berufungsgericht vom 21. Februar 2011, AZ 10 Bl 33/10y, wurde einer zum Vorteil des Angeklagten gegen den Schuldspruch wegen des Vergehens nach § 27 Abs 1 (erster und zweiter Fall) SMG ergriffenen Berufung der Staatsanwaltschaft wegen Nichtigkeit (§ 468 Abs 1 Z 4 StPO iVm § 281 Abs 1 Z 10a StPO; ON 20) Folge gegeben, das erstinstanzliche Urteil „in seinem Ausspruch betreffend § 27 Abs 1 SMG sowie im Strafausspruch aufgehoben und zur neuerlichen Verhandlung an das Erstgericht zurückverwiesen“ (laut US 2 zu einem Verfahren nach §§ 35 iVm 37 SMG).

Ein Urteil in einem weiteren Rechtsgang wurde bislang nicht gefällt.

Rechtliche Beurteilung

Wie die Generalprokuratur in ihrer Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes zutreffend aufzeigt, stehen die bezeichneten Urteile des Bezirksgerichts Güssing und des Landesgerichts Eisenstadt als Berufungsgericht mit dem Gesetz nicht im Einklang:

Gemäß § 270 Abs 2 Z 5 StPO iVm § 447 StPO ist das Bezirksgericht unter anderem verpflichtet, in seiner schriftlichen Urteilsbegründung in gedrängter Darstellung, aber mit voller Bestimmtheit anzugeben, welche Tatsachen es als erwiesen oder als nicht erwiesen angenommen hat. Im Fall eines Schuldspruchs sind Feststellungen zum objektiven Tathergang (mit allen für den Schuldspruch und den Strafsatz entscheidungswesentlichen Details) und korrespondierende Konstatierungen zur subjektiven Tatseite zu treffen ( Danek , WK StPO § 270 Rz 30, 35).

Diebstahl nach § 127 StGB besteht objektiv in der Wegnahme einer fremden Sache, demnach im Bruch fremden Gewahrsams unter gleichzeitiger Begründung neuen Gewahrsams gegen den Willen des bisherigen Sachinhabers und setzt in subjektiver Hinsicht einen auf sämtliche äußeren Tatbildmerkmale bezogenen Vorsatz des Täters sowie Zueignungs und Bereicherungstendenz im Zeitpunkt der Sachwegnahme voraus ( Leukauf/Steininger Komm 3 § 127 RN 20, 50 ff; Fabrizy , StGB 11 § 127 Rz 1 ff; Bertel in WK 2 StGB § 127 Rz 31 ff).

Den subjektiven Tatbestand erfassende Konstatierungen sind den Entscheidungsgründen des in Rede stehenden Urteils des Bezirksgerichts Güssing nicht zu entnehmen und können auch durch die eine „Bereicherungsabsicht“ referierenden Ausführungen im Urteilstenor nicht ersetzt werden (RIS Justiz RS0114639, RS0118775 [T3, T4]).

Ein Schuldspruch nach § 198 Abs 1 StGB erfordert in objektiver Hinsicht die gröbliche Verletzung einer im Familienrecht begründeten Unterhaltspflicht bei tatsächlich bestehender Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen und in subjektiver Hinsicht einen Gefährdungsvorsatz ( Markel in WK 2 § 198 Rz 7, 39, 42, 49 ff; Fabrizy , StGB 11 § 198 Rz 1 ff; Leukauf/Steininger Komm 3 § 198 RN 15, 19 f).

Konstatierungen zu den persönlichen Verhältnissen des David H***** und zu seiner Intention im relevanten Tatzeitraum sind dem Urteil des Bezirksgerichts Güssing ebenso wenig zu entnehmen, wie eine Auseinandersetzung damit, ob und inwieweit dem („derzeit beschäftigungslosen“ [US 1]) Angeklagten im Tatzeitraum (seit April 2007) Unterhaltsleistungen möglich und zumutbar gewesen wären und inwieweit eine Gefährdung des Kindesunterhalts von seinem (zumindest bedingten) Vorsatz umfasst war.

Das Landesgericht Eisenstadt als Berufungsgericht wäre gehalten gewesen, die demnach mit materieller Nichtigkeit (§ 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO) behafteten Schuldsprüche nach § 127 StGB und nach § 198 Abs 1 StGB aus Anlass seiner Entscheidung über die Berufung der Staatsanwaltschaft von Amts wegen aufzuheben und die neue Verhandlung und Entscheidung über die betreffenden Anklagepunkte aufzutragen (§ 471 StPO iVm § 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO). Es ließ das Feststellungsdefizit jedoch unbeanstandet.

Eine für David H***** nachteilige Wirkung der Gesetzesverletzungen war nicht auszuschließen, weshalb sich der Oberste Gerichtshof veranlasst sah (§ 292 letzter Satz StPO), deren Feststellung auf die im Spruch ersichtliche Weise mit konkreter Wirkung zu verknüpfen.

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