10Ob49/13y – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden, die Hofräte Dr. Fellinger, Dr. Hoch, die Hofrätin Dr. Fichtenau und den Hofrat Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei G*****, geboren am 30. April 2000, vertreten durch die Mutter A*****, diese vertreten durch Dr. Martin Holzer, Rechtsanwalt in Bruck an der Mur, gegen die beklagte Partei G*****, wegen 2.000 EUR sA sowie 539,48 EUR sA an Nebenforderung, infolge Rekurses der klagenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Leoben als Berufungsgericht vom 1. August 2013, GZ 1 R 156/13b 22, womit aus Anlass der Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Bezirksgerichts Bruck an der Mur vom 16. April 2013, GZ 4 C 406/12v 18, dieses Urteil und das vorangegangene Verfahren im Umfang eines Betrags von 539,48 EUR sA als nichtig aufgehoben und die Klage insoweit zurückgewiesen wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei hat die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels selbst zu tragen.
Text
Begründung:
Am 3. 8. 2011 ereignete sich ein Vorfall, bei dem der minderjährige Kläger vom Beklagten verletzt wurde.
Der Kläger begehrte vom Beklagten die Zahlung von zuletzt 2.000 EUR an Schmerzengeld sowie den Ersatz seiner Kosten der Privatbeteiligung im Strafverfahren und seines Antrags auf pflegschaftsgerichtliche Genehmigung der vorliegenden Klage in Höhe von insgesamt 539,48 EUR sA.
Der Beklagte bestritt das Klagebegehren und beantragte dessen Abweisung.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren im Umfang des Betrags von 2.000 EUR sA an Schmerzengeld rechtskräftig statt und wies das Mehrbegehren von 539,48 EUR sA an Kosten der Privatbeteiligung bzw der pflegschaftsgerichtlichen Genehmigung der Klage ab. Es vertrat die Rechtsansicht, dass dem Kläger aufgrund der von ihm bei dem erwähnten Vorfall erlittenen Verletzungen ein Schmerzengeld in Höhe von 2.000 EUR gebühre. Das Kostenersatzbegehren des Klägers sei hingegen abzuweisen, weil die Kosten der Privatbeteiligung bzw des Antrags auf pflegschaftsgerichtliche Genehmigung ziffernmäßig nicht aufgeschlüsselt und auch nicht nachgewiesen worden seien. Die Kosten des Antrags auf pflegschaftsgerichtliche Genehmigung wären als vorprozessuale Kosten in das Kostenverzeichnis aufzunehmen gewesen.
Das Berufungsgericht hob aus Anlass der Berufung des Klägers das Ersturteil unter Nichtigerklärung des Verfahrens in dem noch strittigen Umfang, als auch über das Kostenersatzbegehren des Klägers entschieden wurde, auf und wies die Klage hinsichtlich des gesamten Kostenersatzbegehrens in Höhe von 539,48 EUR sA zurück, weil die vom Kläger geltend gemachten vorprozessualen Kosten in das Kostenverzeichnis hätten aufgenommen werden müssen und für eine Geltendmachung dieser Kosten in der Hauptforderung der Rechtsweg verschlossen sei.
Gegen diese Entscheidung richtet sich der „Revisionsrekurs“ (richtig: Rekurs) des Klägers mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss ersatzlos aufzuheben und in der Sache selbst dahin zu Recht zu erkennen, dass der Beklagte schuldig sei, dem Kläger auch die geltend gemachten Kosten in Höhe von insgesamt 539,48 EUR sA zu ersetzen.
Der Beklagte hat sich am Rechtsmittelverfahren nicht beteiligt.
Der Rekurs ist unabhängig vom Wert des Entscheidungsgegenstands und dem Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO, § 528 Abs 1 ZPO zulässig (§ 519 Abs 1 Z 1 ZPO). Er ist aber nicht berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Der Kläger macht im Wesentlichen geltend, das Berufungsgericht hätte mangels Geltendmachung die angebliche Nichtigkeit des Ersturteils und des diesem Urteil vorangegangen Verfahrens nicht aufgreifen dürfen, zumal die angebliche Unzulässigkeit des Rechtswegs gemäß § 42 Abs 1 JN iVm § 104 JN durch die Einlassung des Beklagten in der Sache selbst geheilt worden sei. Die Kosten des Klägers für die Privatbeteiligung im Strafverfahren seien aus dem Titel des Schadenersatzes ersatzfähig, weil ihre Geltendmachung im Strafverfahren wegen der Erledigung dieses Verfahrens durch Diversion nicht möglich gewesen sei. Im Verfahren zur Einholung der pflegschaftsgerichtlichen Genehmigung der gegenständlichen Klagsführung sei ebenfalls ein gesonderter Kostenersatz nicht beschlussmäßig behandelbar.
Diesen Ausführungen ist Folgendes entgegenzuhalten:
Der Rechtsmittelwerber wendet sich zu Recht nicht gegen die zutreffenden Ausführungen des Berufungsgerichts, wonach sowohl die Kosten der Privatbeteiligung im vorangegangen Strafverfahren als auch die Kosten der Einholung einer pflegschaftsgerichtlichen Genehmigung der Klagsführung nach ständiger Rechtssprechung und herrschender Lehre einen notwendigen Prozessvorbereitungsaufwand darstellen und daher als vorprozessuale Kosten zu qualifizieren sind (vgl Fucik in Rechberger , ZPO³ Vor § 40 Rz 5; Bydlinski in Fasching/Konecny ² § 41 ZPO Rz 42 f; Obermaier , Kostenhandbuch² Rz 382 f jeweils mwN; 2 Ob 135/07b ua; RIS Justiz RS0035912). Ein Zuspruch von vorprozessualen Kosten ist jedoch nur dann möglich, wenn sie in das Kostenverzeichnis aufgenommen worden sind, es sei denn, dass die Akzessorietät dieses Anspruchs, etwa weil der Hauptanspruch vor Erhebung der Klage befriedigt worden ist, nicht gegeben ist (vgl RIS Justiz RS0036070). Eine solche Ausnahme liegt hier nach zutreffender Rechtsansicht des Berufungsgerichts nicht vor, weshalb der Kläger seine strittigen vorprozessualen Kosten in das Kostenverzeichnis hätte aufnehmen müssen, was er jedoch nicht gemacht hat. Für die Geltendmachung vorprozessualer Kosten als Teil der Hauptforderung steht nach ständiger Rechtsprechung der streitige Rechtsweg nicht offen (vgl Bydlinski in Fasching/Konecny ² Vor §§ 40 ff ZPO Rz 4, E. Kodek in Rechberger , ZPO³ § 477 Rz 9 mwN; 2 Ob 59/93 mwN ua).
Die Frage der Zulässigkeit des Rechtswegs bildet eine absolute Prozessvoraussetzung, die in jeder Lage des Verfahrens bis zur Rechtskraft der Entscheidung auch von Amts wegen (etwa aus Anlass eines zulässigen Rechtsmittels) wahrzunehmen ist. Maßgebend ist dabei die Sach und Rechtslage im Zeitpunkt der Entscheidung über die Voraussetzung. Eine Heilung dieses Mangels (etwa durch rügelose Einlassung) ist nicht vorgesehen. Ihr Fehlen führt vielmehr immer auch in der Rechtsmittelinstanz zur Nichtigerklärung des durchgeführten Verfahrens einschließlich bereits gefällter Entscheidungen und zur Zurückweisung der Klage (vgl Mayr in Rechberger , ZPO³ § 42 JN Rz 1 mwN). Es liegt auch keine das Rechtsmittelgericht bindende Entscheidung des Erstgerichts über die Zulässigkeit des Rechtswegs vor, weil sich das Erstgericht in seiner Entscheidung mit dieser Frage inhaltlich gar nicht auseinandergesetzt hat.
Da die Entscheidung des Berufungsgerichts mit den dargelegten Grundsätzen im Einklang steht, musste dem Rekurs des Klägers ein Erfolg versagt bleiben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 40, 50 ZPO.