JudikaturOGH

12Os155/13f – OGH Entscheidung

Entscheidung
23. Januar 2014

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 23. Jänner 2014 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden, durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger, Mag. Michel und Dr. Michel-Kwapinski als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Nagl als Schriftführerin in der Strafsache gegen Kenan G***** und Ahmet S***** wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten sowie über die Berufung des Privatbeteiligten Daniel F***** gegen das Urteil des Landesgerichts Feldkirch als Schöffengericht vom 18. September 2013, GZ 52 Hv 33/13v 30, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Den Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden Kenan G***** und Ahmet S***** des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB, Kenan G***** auch des Vergehens nach § 50 Abs 1 Z 1 und Z 3 WaffG schuldig erkannt.

Danach haben zusammengefasst wiederge-geben

I./ Kenan G***** und Ahmet S***** zwischen 18. und 24. Dezember 2010 in B***** im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz mit Gewalt und unter Verwendung einer Faustfeuerwaffe Daniel F***** konsumreife Cannabispflanzen im Wert von rund 4.000 Euro weggenommen;

II./ Kenan G***** bei der vorgenannten Tat unbefugt eine Schusswaffe der Kategorie B besessen und geführt, obwohl ihm dies laut Bescheid der Bezirkshauptmannschaft B***** verboten ist.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5 und Z 5a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Kenan G***** und jene des Ahmet S*****, die sich auf § 281 Abs 1 Z 5, 5a, „9“, 10 und 11 StPO stützt. Beide verfehlen ihr Ziel.

Vorauszuschicken ist, dass der Nichtigkeitsgrund der Z 5 auf Undeutlichkeit (erster Fall), Unvollständigkeit (zweiter Fall), inneren Widerspruch (dritter Fall), fehlende oder offenbar unzureichende Begründung (vierter Fall) sowie Aktenwidrigkeit (fünfter Fall) der angefochtenen Entscheidung zielt. Dabei ist unter dem Aspekt der gesetzeskonformen Darstellung stets an der Gesamtheit der Entscheidungsgründe Maß zu nehmen (RIS-Justiz RS0119370; Ratz , WK-StPO § 281 Rz 394).

Undeutlichkeit ist gegeben, wenn nicht für sämtliche unter dem Gesichtspunkt der Nichtigkeitsgründe relevanten Urteilsadressaten, somit sowohl für den Beschwerdeführer als auch das Rechtsmittelgericht, unzweifelhaft erkennbar ist, ob eine entscheidende Tatsache in den Entscheidungsgründen festgestellt worden oder aus welchen Gründen die Feststellung entscheidender Tatsachen erfolgt ist.

Unvollständig ist ein Urteil genau dann, wenn das Gericht bei der für die Feststellung entscheidender Tatsachen angestellten Beweiswürdigung erhebliche, in der Hauptverhandlung vorgekommene (§ 258 Abs 1 StPO) Verfahrensergebnisse unberücksichtigt ließ.

Widersprüchlich sind zwei Aussagen, wenn sie nach den Denkgesetzen nicht nebeneinander bestehen können.

Offenbar unzureichend ist eine Begründung, die den Gesetzen folgerichtigen Denkens oder grundlegenden Erfahrungssätzen widerspricht.

Aktenwidrig ist ein Urteil, wenn es den eine entscheidende Tatsache betreffenden Inhalt einer Aussage oder Urkunde in seinen wesentlichen Teilen unrichtig oder unvollständig wiedergibt.

Der formelle Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 5a StPO greift seinem Wesen nach erst dann, wenn aktenkundige Beweisergebnisse vorliegen, die nach allgemein menschlicher Erfahrung gravierende Bedenken gegen die Richtigkeit der bekämpften Urteilsannahmen aufkommen lassen. Eine über die Prüfung erheblicher Bedenken hinausgehende Auseinandersetzung mit der Überzeugungskraft von Beweisergebnissen wie sie die Berufung wegen Schuld des Einzelrichterverfahrens einräumt wird dadurch nicht eröffnet (vgl RIS-Justiz RS0119583).

Gegenstand von Rechts- und Subsumtionsrüge ist der Vergleich des zur Anwendung gebrachten materiellen Rechts, einschließlich prozessualer Verfolgungsvoraus-setzungen, mit dem festgestellten Sachverhalt. Den tatsächlichen Bezugspunkt bildet dabei die Gesamtheit der in den Entscheidungsgründen getroffenen Feststellungen, zu deren Verdeutlichung das Erkenntnis herangezogen werden kann (RIS-Justiz RS0099810).

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Erstangeklagten:

Den Ausführungen der Mängelrüge zuwider sind die verschiedenen Angaben des Zeugen Daniel F***** dazu, inwieweit ihm der Angeklagte Kenan G***** bereits vor der Tat bekannt war, weder im oben dargelegten Sinn widersprüchlich noch betreffen sie eine entscheidende Tatsache. Das Gericht war daher nicht gehalten sich mit jedem Detail dieser Aussage auseinanderzusetzen (RIS-Justiz RS0106642).

Die von der Beschwerde ins Treffen geführte „denkmögliche“ Variante der unmittelbaren Täterschaft eines Dritten, etwa jener Person, die das Opfer schließlich beim Fluchtfahrzeug wahrgenommen hat, ist spekulativ und stellt sich ebenso wie die Bezeichnung der vom Tatopfer bezeugten Verfolgung der Täter, die ihn zunächst in Todesangst versetzt hatten, als „gänzlich lebensfremd“, als schlichte, im schöffengerichtlichen Verfahren jedoch unzulässige Bekämpfung der Beweiswürdigung dar.

Mit dem Hinweis auf die konkreten Tatmodalitäten gelingt es der Tatsachenrüge (Z 5a) nicht, erhebliche Bedenken gegen die tatrichterliche Lösung der Schuldfrage zu wecken.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Zweitangeklagten:

Die Kritik der Mängelrüge übersieht, dass dem Tatzeitpunkt fallbezogen keine entscheidende Bedeutung zukommt, weil eine Konkretisierung desselben nur dann nichtigkeitsrelevant geboten ist, wenn dies faktisch oder rechtlich entscheidend ist (RIS-Justiz RS0098557). Der darauf bezogene Einwand der Undeutlichkeit (Z 5 erster Fall) geht daher ins Leere.

Der Umstand, dass der Angeklagte Ahmet S*****, wie von ihm angegeben, Daniel F***** erst zwei Jahre nach seinem Austritt beim Unternehmen Gr***** im Jahr 2009 wieder getroffen hat, ist weder von entscheidender noch von erheblicher Bedeutung und konnte daher im Urteil sanktionslos unerwähnt bleiben.

Die Einwände, es sei lebensfremd, dass sich ein Opfer einer solchen Tat, die angeblich Folgen von Krankheitswert nach sich gezogen habe, niemandem anvertraue, und dass der Angeklagte Ahmet S***** einen Bekannten ohne jegliche Vermummung ausraube, weil er im Hinblick auf die Schwere der Tat mit einer Anzeige rechnen müsse, stellen (bloß) eine in dieser Form unzulässige Kritik an der Beweiswürdigung dar. Dies gilt ebenso für die Beschwerdeausführungen zur Glaubwürdigkeit der Angeklagten und des Zeugen sowie zum (vom Erstgericht angenommenen) fehlenden Motiv des Daniel F***** für eine Falschbezichtigung. Jener kritisch-psychologische Vorgang, der aufgrund des in der Hauptverhandlung gewonnenen persönlichen Eindrucks zur Überzeugung der Tatrichter von der Glaubwürdigkeit eines Zeugen, aber auch von der mangelnden Glaubwürdigkeit eines Angeklagten führt, ist als solcher einer Anfechtung mit Mängelrüge überhaupt entzogen (RIS Justiz RS0106588). Das diesbezügliche Beschwerdevorbringen geht daher von vornherein ins Leere. Das trifft im Rahmen der Mängelrüge auch auf den Einwand zu, das Gebot der Fairness des Verfahrens verbiete es, die Angeklagten wiederholt dazu aufzufordern, Erklärungen für die belastenden Angaben eines Zeugen zu finden.

Entgegen der Beschwerdebehauptung hat das Erstgericht die Feststellungen zur subjektiven Tatseite sehr wohl und durchaus ausreichend unter Hinweis auf das objektive Tatgeschehen begründet (US 15; RIS Justiz RS0116882).

Der Einwand der Aktenwidrigkeit (Z 5 letzter Fall) in Ansehung der Frequenz der zwischen den Angeklagten vor der Tat stattgefundenen, dem Konsum von Cannabis dienenden Treffen betrifft keine entscheidende Tatsache und kann daher auf sich beruhen.

Auch dem Angeklagten Ahmet S***** gelingt es mit der Tatsachenrüge (Z 5a) nicht, unter bloßem Verweis auf die leugnenden Einlassungen der Angeklagten beim Obersten Gerichtshof erhebliche Bedenken gegen die Feststellungen zum Tathergang zu wecken.

Soweit der Beschwerdeführer undifferenziert aus „Z 9, 10 und 11“ materielle Nichtigkeit geltend macht, verfehlt er die vorgenannten gesetzlichen Anforderungen schon im Ansatz.

Die Subsumtionsrüge (Z 10) erfordert ein striktes Festhalten am konstatierten Urteilssachverhalt, weswegen der Beschwerdeführer mit dem Einwand, „das Gericht hätte im Zweifel davon ausgehen müssen, dass dem Zweitangeklagten nicht bekannt war, dass der Erstangeklagte eine Waffe verwende“, den Rahmen des Nichtigkeitsgrundes gänzlich verlässt. Der Zweifelsgrundsatz im Übrigen kann weder Gegenstand einer Rechts- bzw Subsumtionsrüge (RIS Justiz RS0099756) noch einer Mängelrüge (RIS Justiz RS0102162) sein.

Auch die Sanktionsrüge (Z 11) orientiert sich nicht an der Urteilsannahme arbeitsteiligen Vorgehens beider Angeklagter, indem sie substratlos von dieser abweichend vorbringt, bei der Strafzumessung wäre zu berücksichtigen gewesen, dass der Angeklagte Ahmet S***** lediglich einen Tatbeitrag geleistet habe.

Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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