JudikaturOGH

12Os132/13y – OGH Entscheidung

Entscheidung
12. Dezember 2013

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 12. Dezember 2013 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden, durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner Foregger, Mag. Michel und Dr. Michel Kwapinski als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin MMag. Vasak als Schriftführerin in der Strafsache gegen Wolfgang P***** wegen Verbrechen nach § 3g VG über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Geschworenengericht vom 13. August 2013, GZ 15 Hv 32/13m 86, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil wurde Wolfgang P***** der Verbrechen nach § 3g VG schuldig erkannt.

Danach hat er sich in K***** auf andere als die in den §§ 3a bis 3f VG bezeichnete Weise im nationalsozialistischen Sinne betätigt, und zwar

1./ am 17. Dezember 2010, indem er im Lokal „M*****“ seine rechte Hand zum „Hitler-“ bzw „Deutschen-Gruß“ erhob und „Heil“ rief;

2./ nach dem Sommer 2011, indem er auf einer Internet-Plattform das Bild eines Kleinkindes in Hitlerverkleidung einstellte.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die auf § 345 Abs 1 Z 10a und 11 lit a StPO gestützte (irrig als Berufung wegen Nichtigkeit bezeichnete) Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten. Sie schlägt fehl.

Der Nichtigkeitsgrund des § 345 Abs 1 Z 10a StPO greift seinem Wesen nach erst dann, wenn aktenkundige Beweismittel vorliegen, die nach allgemein menschlicher Erfahrung gravierende Bedenken gegen die Richtigkeit der bekämpften Urteilsannahmen aufkommen lassen, also intersubjektiv, gemessen an Erfahrungs- und Vernunftsätzen, eine unerträgliche Fehleinschätzung qualifiziert nahelegen. Eine über die Prüfung erheblicher Bedenken hinausgehende Auseinandersetzung mit der Überzeugungskraft von Beweisergebnissen wird dadurch nicht ermöglicht (RIS-Justiz RS0119583).

Die (zu 1./ erstattete) Tatsachenrüge erweckt mit dem Hinweis auf vermeintliche Divergenzen zwischen den Schilderungen der Zeugen Benjamin L***** (ON 85 S 7 ff) und Alexander M***** (ON 85 S 9 ff) sowie einer eigenständigen Würdigung der Verfahrensresultate beim Obersten Gerichtshof keine sich aus den Akten ergebenden gravierenden Bedenken gegen die Richtigkeit der im Wahrspruch konstatierten Tatsachen.

Die insofern erfolgte Bezugnahme auf die Niederschrift der Geschworenen (§ 331 Abs 3 StPO) ist schon vom Ansatz her verfehlt, weil diese Niederschrift eine Begründung für die Beweiswürdigung darstellt und somit nicht gleichzeitig deren Gegenstand bilden kann (RIS Justiz RS0115549; Ratz , WK StPO § 345 Rz 16 mwN).

Der Einwand, es handle sich beim Ausruf „Heil“ bloß um einen in Westösterreich üblichen und „Erfolg, Glanz und Gesundheit“ verheißenden Gruß sowie beim Handheben „bei lebensnaher Betrachtung“ um eine typische „Aushol- oder Abwehrbewegung während einer Rauferei“, zielt ebenfalls bloß auf eine Überprüfung der den Geschworenen vorbehaltenen Beweiswürdigung außerhalb der von Z 10a erfassten Sonderfälle ab.

Mit einer eigenständigen Interpretation des Bedeutungsinhalts des Ausrufs „Heil“ (1./) sowie des Einstellens eines als Adolf Hitler verkleideten Kleinkindes in eine Internetplattform (2./) und der daran anknüpfenden Verneinung der Tatbildlichkeit dieser Verhaltensweisen verfehlt auch die Rechtsrüge (Z 11 lit a) den in den festgestellten Tatsachen des Wahrspruchs gelegenen gesetzlichen Bezugspunkt (RIS-Justiz RS0101013, RS0101527, RS0101148). Sie übersieht, dass die Beurteilung der Sachverhaltsgrundlagen des (normativen) Tatbestandsmerkmals „nationalsozialistisch“ (einschließlich des Bedeutungsinhalts inkriminierter Äußerungen und Handlungen) auf der Feststellungsebene angesiedelt und somit den Geschworenen vorbehalten ist. Bejahen diese die Schuldfrage, ist davon auszugehen, dass sie eben jene Voraussetzungen als erwiesen angenommen haben, aufgrund derer das zu beurteilende Sachverhaltselement dem normativen Tatbestandsmerkmal „nationalsozialistisch“ entspricht, weshalb eine Anfechtung mittels Rechts- und Subsumtionsrüge insofern ausscheidet (RIS-Justiz RS0119234; Lässig in WK 2 VG § 3g Rz 17).

Indem der Nichtigkeitswerber den im Verdikt (subintelligiert) bejahten Vorsatz (RIS-Justiz RS0089089) auf Betätigung im nationalsozialistischen Sinn schlicht bestreitet, spricht er keine materiell rechtliche Nichtigkeit an (vgl RIS Justiz RS0101148, RS0101013, RS0101527), sondern unternimmt bloß (erneut) den Versuch, die den Geschworenen vorbehaltene Würdigung der Verfahrensergebnisse auf Basis eigener Überlegungen in Zweifel zu ziehen.

Gleiches gilt für die Kritik, die Geschworenen hätten eine zum Tatzeitpunkt (1./) vorliegende tiefgreifende Bewusstseinsstörung verfehlt nämlich ausschließlich unter Berufung auf das insofern erstattete Gutachten des Sachverständigen Dr. Max N***** (ON 85 S 16 f) verneint, ohne die Einlassung des Angeklagten zu seinem Alkohol- und Tablettenkonsum (ON 85 S 4 ff) bzw die Bekundung des Zeugen Johann Mö***** zu berücksichtigen, wonach eine Vernehmung aufgrund der Alkoholisierung des Angeklagten nicht möglich war (ON 85 S 14). Der Nichtigkeitswerber übersieht, dass den Geschworenen keine „anfechtungsfeste“ Begründung ihres Wahrspruchs, somit keine ausdrückliche beweiswürdigende Auseinandersetzung mit widersprechenden Verfahrensergebnissen abverlangt ist ( Philipp , WK StPO § 331 Rz 6) und aus dem Inhalt der in § 331 Abs 3 StPO bezeichneten Niederschrift der Geschworenen keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der im Wahrspruch festgestellten entscheidenden Tatsachen (Z 10a) abgeleitet werden können (RIS-Justiz RS0100809, neuerlich RS0115549).

Unter dem Gesichtspunkt der §§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall, 244 StPO ist zu bemerken, dass die erfolgte Bedachtnahme nach § 31 StGB bloß auf die Urteile des Landesgerichts Klagenfurt vom 16. November 2011, AZ 14 Hv 102/11w, sowie vom 11. April 2012, AZ 15 Hv 38/12t, nicht aber auf jenes des Landesgerichts Klagenfurt vom 29. Februar 2012, AZ 14 Hv 15/12b, rechtsirrig erfolgte. Liegen nämlich zwischen Tatbegehung und Aburteilung mehrere bestrafende Urteile, ist auf alle Bedacht zu nehmen, wenn wie hier sämtliche Taten vor dem ersten Urteil (nämlich jenem des Landesgerichts Klagenfurt vom 16. November 2011, AZ 14 Hv 102/11w) liegen (US 3; vgl auch ON 83), somit alle Vor-Urteile durch das in § 31 Abs 1 StGB beschriebene Verhältnis verknüpft sind (RIS-Justiz RS0112524; Ratz in WK 2 § 31 Rz 5). Die Behebung des insofern rechtsfehlerhaften Sanktionsausspruchs kann vorliegend mit der Entscheidung über die Berufung erfolgen (vgl RIS Justiz RS0118870; Ratz , WK-StPO § 290 Rz 29).

Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten war daher in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur jedoch entgegen der hiezu erstatteten Äußerung des Verteidigers bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§§ 285d Abs 1, 344 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§§ 285i, 344 StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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