12Os114/13a – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 12. Dezember 2013 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner Foregger, Mag. Michel und Dr. Michel Kwapinski als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin MMag. Vasak als Schriftführern in der Strafsache gegen Mario C***** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Mario C*****, Gabriela B***** und Mario H***** gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Jugendschöffengericht vom 27. Juni 2013, GZ 34 Hv 39/13t 36, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerden aller Angeklagter und die Berufung der Angeklagten Gabriela B***** wegen des Ausspruchs über die Schuld werden zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen (wegen des Ausspruchs über die Strafe) werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.
Den Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil, welches auch rechtskräftige Freisprüche aller Angeklagter enthält, wurden Mario C*****, Gabriela B***** und Mario H***** des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB schuldig erkannt.
Danach haben sie am 25. Mai 2012 in I***** im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter mit Gewalt Indira J***** circa 150 Euro sowie eine Brieftasche (Wert circa 30 Euro) und Dragana M***** circa 1.000 Euro, somit fremde bewegliche Sachen, mit dem Vorsatz weggenommen, sich oder Dritte durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, indem sie im Lokal „K*****“ an der Bar Platz nahmen, Gabriela B***** die Kellnerin Indira J***** zunächst darum bat, ihr einen 5 Euro Schein zu wechseln, Mario C***** und Mario H***** sich im Anschluss hinter die Bar begaben, einer der beiden Indira J***** einen Stoß versetzte, während der andere die Schublade öffnete und daraus zwei Geldtaschen entnahm.
Rechtliche Beurteilung
Den dagegen von Mario C*****, Gabriela B***** und Mario H***** erhobenen Nichtigkeitsbeschwerden aus den Gründen der Z 5, 5a, 10 und 11 des § 281 Abs 1 StPO kommt keine Berechtigung zu.
Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Mario C*****:
Entgegen der eine unvollständige (Z 5 zweiter Fall) und offenbar unzureichende (Z 5 vierter Fall) Begründung reklamierenden Mängelrüge haben sich die Tatrichter durchaus umfassend mit den Verantwortungen der Angeklagten und den Angaben der Zeugin Indira J***** auseinandergesetzt (vgl US 11 bis 14). Weshalb diese Erwägungen eine Scheinbegründung sein und gegen Denkgesetze oder grundlegende Erfahrungssätze verstoßen sollen (vgl Ratz , WK StPO § 281 Rz 444; RIS Justiz RS0116732, RS 0118317), legt die Rüge nicht dar.
Indem die Tatsachenrüge (Z 5a) die Identifizierung der Angeklagten durch das Opfer thematisiert und den vom Erstgericht gewählten Beweiswürdigungsansatz der Lebensnähe kritisiert und im Übrigen mit Gerichtsnotorietät vermengt , gelingt es ihr nicht, erhebliche Bedenken beim Obersten Gerichtshof zu erwecken. Darüber hinaus legt der Beschwerdeführer nicht dar, inwiefern der seinerseits unterbliebene Antrag auf Durchführung eines Ortsaugenscheins zum Beweis der guten Lichtverhältnisse im Lokal „K*****“ mit Blick auf die unstrittige Anwesenheit aller drei Angeklagter am Tatort einen entscheidungswesentlichen Umstand betreffen könnte.
Zur Nichtigkeitsbeschwerde der Gabriela B*****:
Die von der Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) vermisste Begründung in Ansehung der Urteilsannahme eines bewussten und gewollten Zusammenwirkens findet sich abgeleitet aus der äußeren „Vorgangsweise“ auf US 15 f. Der Schluss von einem gezeigten Verhalten auf ein zugrunde liegendes Wollen oder Wissen ist ohne weiteres rechtsstaatlich vertretbar und bei leugnenden Angeklagten in aller Regel methodisch gar nicht zu ersetzen (vgl Ratz , WK StPO § 281 Rz 452; RIS Justiz RS0116882, RS0098671).
Prozessordnungskonforme Darstellung der Tatsachenrüge (Z 5a) verlangt grundsätzlich die Ableitung erheblicher Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde liegenden entscheidenden Tatsachen (das sind schuld oder subsumtionserhebliche Tatumstände, nicht aber im Urteil geschilderte Begleitumstände oder im Rahmen der Beweiswürdigung angestellte Erwägungen) aus konkret zu benennenden Verfahrensergebnissen (RIS Justiz RS0117961, RS0119583; Ratz , WK StPO § 281 Rz 481). Überdies ist zu verlangen, die ins Treffen geführten aktenkundigen Beweismittel hinsichtlich ihrer Eignung, erhebliche Bedenken hervorzurufen, an der Gesamtheit der beweiswürdigenden Erwägungen zu messen ( Ratz , WK StPO § 281 Rz 487 mwN). Weder das selektive Herausgreifen einzelner Beweiswürdigungserwägungen zur Glaubwürdigkeit der Zeugin Indira J***** noch das Anstellen von Spekulationen über die Beleuchtungssituation im Lokal „K*****“ tragen diesen Anforderungen Rechnung. Die Beschwerdeführerin übergeht dabei, dass sich die erkennenden Richter mit der Frage der Anwesenheit der drei Angeklagten am Tatort überhaupt nicht auseinanderzusetzen hatten, zumal dies von den Angeklagten nicht bestritten wurde. In diesem Sinne stellt der Umstand, dass die Zeugin Indira J***** nicht in der Lage war, die Angeklagten zu identifizieren, eben gerade keinen entscheidungswesentlichen Umstand dar. Mit den Verantwortungen der Angeklagten zum Geschehnisablauf setzte sich das Schöffengericht im Übrigen ausführlich auseinander, folgte in der Beweiswürdigung jedoch den Angaben des Opfers Indira J***** und verwarf die Angaben der Angeklagten als unglaubwürdig. Der kritisch-psychologische Vorgang der freien richterlichen Beweiswürdigung basierend auf dem in der Hauptverhandlung durch die Tatrichter gewonnenen persönlichen Eindruck ist sowohl der Anfechtung nach Z 5 als auch nach Z 5a des § 281 Abs 1 StPO entzogen (vgl RIS Justiz RS0099419).
Auch das Beschwerdevorbringen zur Subsumtionsrüge (Z 10) nimmt nicht Maß an der Gesamtheit der tatrichterlichen Entscheidungsgründe. Die Behauptung einer fehlenden Gewalteinwirkung auf das Opfer Indira J***** übergeht die Ausführungen im Urteil, wonach einer der beiden männlichen Täter die Kellnerin durch Drücken mit beiden Händen gegen den Oberkörper „wegschubste“, wodurch sie gegen die hintere Mauer fiel (vgl US 14 f) und verfehlt damit den im festgestellten Urteilssachverhalt gelegenen Bezugspunkt materiellrechtlicher Nichtigkeit (RIS Justiz RS0099810).
Entgegen der Sanktionsrüge (Z 11) ging das Erstgericht betreffend die Angeklagte Gabriela B***** bei der Strafbemessung sehr wohl von dem durch die Anwendung des § 5 Z 4 JGG gemilderten Strafrahmen von bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe aus (vgl US 17). Mit dem Vorbringen, das Erstgericht hätte eine gelindere Strafe aussprechen und der Angeklagten eine Entzugstherapie ermöglichen müssen, werden bloße Berufungsgründe, keine Nichtigkeit iSd Z 11 angesprochen.
Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Mario H*****:
Die Ausführungen zur Mängelrüge (Z 5 vierter Fall), das Schöffengericht hätte die Feststellungen betreffend das bewusste und gewollte Zusammenwirken der drei Angeklagten nicht begründet, übergehen die ausführlichen Erwägungen (US 15 f).
Mit seiner Tatsachenrüge (Z 5a) vermag der Beschwerdeführer keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zu Grunde liegenden entscheidenden Tatsachen zu erwecken, weil er unter teilweiser Wiederholung der Ausführungen zur Mängelrüge lediglich den tatrichterlichen Feststellungen eigene Auffassungen und Erwägungen gegenüberstellt und sich damit nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung gegen die Beweiswürdigung des Schöffensenats wendet.
Soweit die Subsumtionsrüge (Z 10) hinsichtlich des Indira J***** versetzten „Schubsers“ die Erfüllung des Gewaltbegriffs des § 142 Abs 1 StGB negiert, orientiert auch diese sich nicht an der Gesamtheit der Urteilskonstatierungen. Diesbezüglich kann auf die Ausführungen zur Nichtigkeitsbeschwerde der Gabriela B***** verwiesen werden.
Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher ebenso wie die von der Angeklagten Gabriela B***** angemeldete (ON 41), im kollegialgerichtlichen Verfahren gesetzlich jedoch nicht vorgesehene Berufung wegen Schuld bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen (wegen des Ausspruchs über die Strafe) folgt (§ 285i StPO).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.