12Os101/13i – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 17. Oktober 2013 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner Foregger, Mag. Michel und Dr. Michel Kwapinski als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin MMag. Vasak als Schriftführerin in der Strafsache gegen Mokhmad U***** wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Linz als Jugendschöffengericht vom 7. Mai 2013, GZ 25 Hv 19/13a 25, sowie über dessen Beschwerde gegen einen gleichzeitig gefassten Beschluss gemäß § 494a StPO nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Mokhmad U***** des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB (I./), zweier Vergehen der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs 1, 84 Abs 1 StGB (II./), des Verbrechens der absichtlich schweren Körperverletzung nach §§ 15 Abs 1, 87 Abs 1 StGB (III./1./), des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs 1 StGB (III./2./), des Vergehens des Diebstahls nach §§ 127, 15 Abs 1 StGB (IV./), der Vergehen der Entfremdung unbarer Zahlungsmittel nach §§ 15 Abs 1, 241e Abs 3 StGB (V./), der Vergehen der Urkundenunterdrückung nach §§ 15 Abs 1, 229 Abs 1 StGB (VI./) sowie mehrerer Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall, Abs 2 SMG (VII./) schuldig erkannt.
Danach hat er in L***** und andernorts
I./ am 14. Oktober 2012 mit einem bislang nicht ausgeforschten Mittäter (§ 12 StGB) Ömer E***** mit Gewalt und Drohung mit gegenwärtiger Gewalt für Leib oder Leben (§ 89 StGB) unter Verwendung einer Waffe fremde bewegliche Sachen mit dem Vorsatz, sich oder einen Dritten durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, weggenommen, indem der unbekannte Täter Ömer E***** am Arm packte, gegen eine Wand drückte und festhielt, während Mokhmad U***** ihn unter Vorhalt eines Messers zur Herausgabe seines Bargeldes aufforderte, seine Taschen durchsuchte und ihm zumindest 130 Euro Bargeld wegnahm;
II./ nachgenannte Personen vorsätzlich am Körper verletzt, wobei die Verletzungen an sich schwer sind, nämlich
1./ am 27. Juni 2010 Christian N*****, indem er ihm zwei Faustschläge und mehrere Fußtritte versetzte, wodurch dieser einen operativ einzurichtenden Nasenbeinbruch sowie ein Hämatom am rechten Auge und Prellungen im Bereich des Rückens erlitt;
2./ am 30. November 2012 Oliver W*****, indem er ihm einen Faustschlag ins Gesicht versetzte, wodurch dieser eine Blow out Fraktur der linken Orbita und Emphyseme am linken Auge erlitt;
III./ am 30. November 2012
1./ versucht, einem bislang Unbekannten eine schwere Körperverletzung (§ 84 Abs 1 StGB) absichtlich zuzufügen, indem er ein Halbliterglas nach ihm warf, wobei die Tat beim Versuch blieb, weil das Glas sein Ziel nicht traf;
2./ im Zuge der unter Punkt III./1./ angeführten Tat Alfred F*****, den das Glas tatsächlich im Gesicht traf, fahrlässig in Form von Platzwunden an der Nase und an der Stirn am Körper verletzt;
IV./ mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz fremde bewegliche Sachen anderen weggenommen oder wegzunehmen versucht, und zwar
1./ am 16. April 2011 Gewahrsamsträgern des Unternehmens P***** einen Gürtel;
2./ am 29. Oktober 2012 Gewahrsamsträgern des Unternehmens D***** Schuhe;
3./ am 1. Jänner 2013 Patrick S***** eine Geldbörse mit 30 Euro Bargeld;
V./ anlässlich der unter Punkt IV./3./ begangenen Tat unbare Zahlungsmittel des Patrick S*****, nämlich eine Bankomatkarte der C***** und eine Bankomatkarte der R*****, über welche er nicht oder nicht allein verfügen durfte, mit dem Vorsatz, deren Verwendung im Rechtsverkehr zu verhindern, zu unterdrücken versucht;
VI./ anlässlich der unter Punkt IV./3./ begangenen Tat Urkunden, über die er nicht oder nicht alleine verfügen durfte, nämlich eine E Card, eine ÖBB Vorteilscard, einen deutschen Personalausweis und einen Studentenausweis, mit dem Vorsatz zu unterdrücken versucht, dass diese im Rechtsverkehr zum Beweis eines Rechtes, eines Rechtsverhältnisses oder einer Tatsache gebraucht werden;
VII./ vorschriftswidrig Suchtgift erworben und besessen, wobei er die Straftaten ausschließlich zum persönlichen Gebrauch begangen hat, nämlich
1./ im Februar 2012 eine geringe Menge Kokain;
2./ im Februar/März 2012 in zwei Angriffen jeweils eine Menge Kokain;
3./ seit August 2011 bis zuletzt am 16. November 2012 eine unbekannte Menge Cannabiskraut/Marihuana;
4./ am 29. September 2012 eine geringe Menge Cannabiskraut/Marihuana;
5./ seit ca Mitte November 2011 bis zuletzt am 16. November 2012 eine unbekannte Menge Subutex (Buprenorphin);
6./ am 17. November 2012 01, Gramm Metamphetamin;
7./ ab einem unbekannten Zeitpunkt bis zum 25. November 2012 Kokain und Marihuana;
8./ seit zumindest 26. November 2012 bis zuletzt am 22. Dezember 2012 eine unbekannte Menge Cannabiskraut, Kokain, MDMA, Amphetamin, Metamphetamin und Morphine;
9./ am 22. Dezember 2012 einen Marihuana Joint sowie Subutex (Buprenorphin = US 9).
Rechtliche Beurteilung
Dagegen richtet sich die auf Z 5 und 10a des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, der keine Berechtigung zukommt.
Entgegen dem Punkt I./ des Schuldspruchs betreffenden Vorbringen des Angeklagten (inhaltlich Z 5 zweiter Fall) hat sich das Erstgericht mit Widersprüchen zwischen den Angaben des Zeugen Ömer E***** vor der Polizei und in der Hauptverhandlung auseinandergesetzt (US 10 f), weshalb von Unvollständigkeit nicht gesprochen werden kann.
Mit den Ausführungen, den Angaben des Zeugen vor der Polizei wäre „der höchste Wahrheitsgrad beizumessen, da das so eben Erlebte unmittelbar präsent“ war, zur Zeit der Hauptverhandlung wäre „eine weit geringere Erinnerung gegeben“, wird Aktenwidrigkeit (Z 5 letzter Fall) nicht zur Darstellung gebracht.
Der Nichtigkeitswerber übersieht, dass der zur Überzeugung der Tatrichter von der Glaubwürdigkeit eines Zeugen aufgrund des von diesem in der Hauptverhandlung gewonnenen persönlichen Eindrucks führende kritisch psychologische Vorgang als solcher der Anfechtung mit Mängelrüge entzogen ist (RIS Justiz RS0106588).
Inwiefern die Feststellungen des Erstgerichts zu Punkt I./ des Schuldspruchs „in klarer Aktenwidrigkeit“ (Z 5 letzter Fall) stehen sollten, bleibt offen. Der Rechtsmittelwerber führt aus, auf dem in der Hauptverhandlung vorgeführten Überwachungsvideo lasse sich „keinesfalls eine vierte Person erblicken“, und übersieht damit, dass nach den erstgerichtlichen Konstatierungen der Raub an Ömer E***** von zwei Tätern verübt wurde. Mit dem Vorbringen, auf dem Video sei zu sehen, dass die Personen „letztlich freundschaftlich“ auseinandergehen, wird lediglich ein Beweismittel vom Rechtsmittelwerber eigenständig interpretiert, ohne Nichtigkeit aufzuzeigen.
Insgesamt erschöpft sich das Vorbringen der Mängelrüge in einer Bekämpfung der den Tatrichtern vorbehaltenen Beweiswürdigung nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung.
Die Punkt VII./ des Schuldspruchs betreffende Diversionsrüge (Z 10a) setzt sich über die Konstatierung hinweg, wonach sich der Angeklagte keiner amtsärztlichen Untersuchung unterzog (US 17), und verfehlt damit prozessordnungskonforme Darstellung (vgl RIS Justiz RS0119091). Das Beschwerdevorbringen, dem Angeklagten wären die beiden Ladungsbescheide des Gesundheitsamts nicht zugestellt worden, unterliegt dem im Nichtigkeitsverfahren geltenden Neuerungsverbot (RIS Justiz RS0098978).
Zum umfassenden Aufhebungsantrag wurde kein die Punkte II./ bis VI./ des Schuldspruchs betreffendes Vorbringen erstattet (§§ 285 Abs 1, 285a Z 2 StPO).
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Kompetenz des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung und die (implizite) Beschwerde folgt (§§ 285i, 498 Abs 3 letzter Satz StPO).
Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 390a Abs 1 StPO.