7Nc13/13s – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch die Vizepräsidentin Dr. Huber als Vorsitzende sowie die Hofräte Dr. Hoch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Pflegschaftssache des Minderjährigen J***** K*****, geboren am *****, Mutter A***** K*****, vertreten durch Dr. Beate Schauer, Rechtsanwälte in Bruck an der Leitha, Vater DI W***** K*****, wegen § 111 Abs 2 JN, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die mit Beschluss des Bezirksgerichts Neusiedl am See vom 18. 6. 2013, 1 Ps 78/11t 113, ausgesprochene Übertragung der Zuständigkeit zur Führung der Pflegschaftssache an das Bezirksgericht Bruck an der Mur wird genehmigt.
Text
Begründung:
Die Obsorge wurde den Eltern entzogen. Der Minderjährige wurde aus dem Landesklinikum Baden Mödling in Pflege und Erziehung des Vaters entlassen. Das Bezirksgericht Neusiedl am See übertrug wegen des Wohnortswechsels die Zuständigkeit zur Besorgung der Pflegschaftssache gemäß § 111 JN an das Bezirksgericht Bruck an der Mur. Es sei zweckmäßiger, dass dieses Gericht, in dessen Sprengel sich der Minderjährige aufhalte, die Pflegschaftssache führe. Außerdem sei beim Bezirksgericht Neusiedl am See ein Richterwechsel eingetreten, sodass auch aus dieser Sicht die Übertragung zweckmäßig sei. Diesen Beschluss stellte das Bezirksgericht Neusiedl am See den Parteien zu.
Das Bezirksgericht Bruck an der Mur lehnte die Übernahme der Pflegschaftssache unter Hinweis darauf, dass noch drei Anträge der Mutter offen seien, ab.
Das Bezirksgericht Neusiedl am See legt nun die Akten dem Obersten Gerichtshof zur Entscheidung gemäß § 111 Abs 2 JN vor.
Rechtliche Beurteilung
Die Übertragung ist zu genehmigen.
Wenn es im Interesse des Minderjährigen gelegen erscheint, insbesondere wenn dadurch die wirksame Handhabung des pflegschaftsgerichtlichen Schutzes voraussichtlich gefördert wird, kann das zur Besorgung der pflegschaftsgerichtlichen Geschäfte zuständige Gericht seine Zuständigkeit ganz oder zum Teil einem anderen Gericht übertragen (§ 111 Abs 1 JN). Ausschlaggebendes Kriterium einer Zuständigkeitsübertragung ist stets das Kindeswohl (RIS Justiz RS0047074). Dabei ist in der Regel das Naheverhältnis zwischen Pflegebefohlenem und Gericht von wesentlicher Bedeutung, sodass im Allgemeinen das Gericht am Besten geeignet ist, in dessen Sprengel der Minderjährige seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hat und der Mittelpunkt seiner Lebensführung liegt (RIS Justiz RS0047300). Offene Anträge sprechen im Allgemeinen nicht gegen eine Zuständigkeitsübertragung, es sei denn, dem übertragenden Gericht käme zur Entscheidung eine besondere Fachkenntnis zu (RIS Justiz RS0047032, RS0046929).
Im vorliegenden Fall sind Anträge der Mutter offen (Regelung der Besuchskontakte nach Übertragung der Obsorge an den Jugendwohlfahrtsträger, Antrag auf Anberaumung einer Tagsatzung unter Beiziehung aller Parteien und Übergabe des Kindes an die Mutter). Abgesehen davon, dass beim Bezirksgericht Neusiedl am See ein Richterwechsel eingetreten ist, hat die Entlassung des Kindes in die Pflege und Erziehung des Vaters ohnedies eine Änderung der Verhältnisse zur Folge, die eine grundsätzliche (neue) Erörterung der Sachlage erfordert. Es liegt daher im Wohl des Minderjährigen, wenn diese Erörterung bei dem Gericht erfolgt, in dessen Sprengel sich der Minderjährige nunmehr aufhält. Die Übertragung ist daher zu genehmigen.