12Os89/13z – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 5. September 2013 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner Foregger, Mag. Michel und Dr. Michel Kwapinski als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Buchner als Schriftführerin in der Strafsache gegen Mario G***** wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 und Abs 2 vierter Fall StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Schöffengericht vom 16. April 2013, GZ 38 Hv 20/13b 65, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil, das auch einen Privatbeteiligtenzuspruch enthält, wurde Mario G***** des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 und Abs 2 vierter Fall StGB (1./), des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 und Abs 2 erster Fall StGB (2./) und des Vergehens der sexuellen Belästigung und öffentlichen geschlechtlichen Handlung nach § 218 Abs 1 Z 2 StGB (3./) schuldig erkannt, zu einer Freiheitsstrafe verurteilt und gemäß § 21 Abs 2 StGB in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen.
Danach hat er soweit für die Erledigung der Nichtigkeitsbeschwerde von Relevanz in Innsbruck
1./ am 3. Juli 2012 Janine Chantal W***** mit Gewalt, indem er mit seinen Armen ihren Kopf von hinten umfasste und festhielt und sie solcherart in einen unbeleuchteten Hinterhof zerrte, wobei er ihr gleichzeitig ankündigte, es werde ihr nichts passieren, wenn sie nicht schreie und sich nicht wehre, zur Vornahme des Oralverkehrs an ihm sowie zur Duldung der digitalen Penetration von Anus und Vagina, somit zu dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlungen genötigt, wobei die Genannte dadurch in besonderer Weise erniedrigt wurde, dass er ihr in den Mund urinierte und ejakulierte, von ihr verlangte, die Flüssigkeiten hinunterzuschlucken und nach der digitalen Analpenetration seinen Finger in ihren Mund schob;
2./ am 24. Juli 2012 Verena S***** mit Gewalt und durch Entziehung der persönlichen Freiheit, indem er in einem Treppenhaus eines Mehrparteienhauses ihren Hals von hinten mit seiner Ellenbeuge umfasste, sie bis zur Atemnot würgte, sie bäuchlings zu Boden drückte und ihre Hände am Rücken fesselte, zur digitalen Penetration ihrer Vagina und ihres Anus, somit zur Duldung dem Beischlaf gleichzusetzender geschlechtlicher Handlungen genötigt, wobei die Tat eine schwere Körperverletzung (§ 84 Abs 1 StGB), „nämlich eine posttraumatische Belastungsstörung, sohin eine mehr als 24 Tage dauernde Gesundheitsstörung“, zur Folge hatte.
Rechtliche Beurteilung
Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5 und 10 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, der keine Berechtigung zukommt.
Mit der Behauptung undeutlicher und offenbar unzureichender Begründung (Z 5 erster und vierter Fall) eines auf Erniedrigung der Janine-Chantal W***** gerichteten Vorsatzes des Angeklagten durch Einführen seines Fingers in den Mund des Opfers im Anschluss an die digitale Analpenetration geht die Mängelrüge nicht von der Gesamtheit des Urteils aus, weil das Erstgericht die Qualifikation des § 201 Abs 2 vierter Fall StGB vom Nichtigkeitswerber außer Acht gelassen auch aus dem Urinieren und Ejakulieren in deren Mund und dem Zwang, diese Flüssigkeiten hinunterzuschlucken, ableitete (US 1 f, US 5 zweiter Absatz und US 11 sechster Absatz).
Dem zum Schuldspruch 2./ erhobenen Vorwurf unvollständiger, fehlender oder offenbar unzureichender Begründung (Z 5 zweiter und vierter Fall) zuwider haben die Tatrichter die Annahme einer mehr als 24 Tage dauernden Gesundheitsstörung durch den Verweis auf die den Tathergang schildernden Angaben der Verena S***** und auf zwar nicht genau bezeichnete, eine monatelange Behandlung wegen einer am 9. November 2012 noch immer bestehenden posttraumatischen Belastungsstörung und einen entsprechenden Zusammenhang mit der Tathandlung aber belegende medizinische Unterlagen, nämlich eine Therapiebestätigung der Psychotherapeutin Mag. Helga O***** (ON 44), logisch und empirisch einwandfrei begründet (US 10).
Soweit der Beschwerdeführer einen Widerspruch darin erblickt, dass zum Schuldspruch 1./ trotz ebenfalls vorliegender Behandlung keine 24 Tage übersteigende Gesundheitsstörung der Zeugin Janine-Chantal W***** festgestellt, von einer seiner Ansicht nach „offenbar ähnlichen ärztlichen Behandlung“ der Verena S***** hingegen „zwanglos“ eine Gesundheitsstörung abgeleitet worden sei, sowie darauf hinweist, dass die Zeugin S***** Verletzungen psychischer Art selbst nicht erwähnt habe bzw keine entsprechende Aussage eines Sachverständigen vorliege, und den Verweis des Erstgerichts auf medizinische Unterlagen als unzureichend einstuft, bekämpft er im Ergebnis die Beweiswürdigung der Tatrichter nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung.
Der Einwand der Aktenwidrigkeit (Z 5 fünfter Fall) durch Hinweis auf die Angaben der Opfer geht schon deshalb ins Leere, weil die entsprechenden Aussagen in den Entscheidungsgründen gar nicht, somit auch nicht in ihren wesentlichen Teilen unrichtig oder unvollständig wiedergegeben werden (RIS Justiz RS0099547).
Die Argumentation der gegen den Schuldspruch 2./ gerichteten Subsumtionsrüge (Z 10), die Anführung des Begriffs „posttraumatische Belastungsstörung“ reiche für sich allein nicht aus, die Annahme der Qualifikation des § 201 Abs 2 erster Fall StGB zu begründen, geht nicht von der Gesamtheit der Urteilsfeststellungen aus (vgl jedoch RIS Justiz RS0099810; Ratz , WK StPO § 281 Rz 584), wonach sich Verena S***** aufgrund der aus der Tat resultierenden posttraumatischen Belastungsstörung seit August 2012 in psychotherapeutischer Behandlung befindet und somit eine mehr als 24 Tage dauernde Gesundheitsstörung erlitten hat (US 7 zweiter bis vierter Absatz iVm US 2).
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Kompetenz des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).
Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 390a Abs 1 StPO.