JudikaturOGH

3Ob121/13k – OGH Entscheidung

Entscheidung
21. August 2013

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden sowie den Hofrat Univ. Prof. Dr. Neumayr, die Hofrätin Dr. Lovrek und die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S*****, vertreten durch Mag. Christian Fauland, Rechtsanwalt in Graz, gegen die beklagte Partei M*****, wegen Ehescheidung, aus Anlass des außerordentlichen Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Rekursgericht vom 25. April 2013, GZ 2 R 139/13w 23, womit infolge Rekurses der klagenden Partei der Beschluss des Bezirksgerichts Graz Ost vom 10. Dezember 2012, GZ 247 C 23/12y 15, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

1. Gemäß § 508a Abs 2 ZPO iVm § 521a Abs 2 ZPO wird der beklagten Partei als Revisionsrekursgegner die Beantwortung des außerordentlichen Revisionsrekurses der klagenden Partei (§ 507a ZPO) freigestellt. Sie ist beim Obersten Gerichtshof binnen 14 Tagen nach Zustellung einzubringen (§ 507a Abs 3 Z 2 ZPO).

2. Die Akten werden dem Erstgericht zur Vornahme von Zustellungen übermittelt.

Text

Begründung:

Zu 1. Der Freistellungsbeschluss bedarf keiner Begründung.

Zu 2. Das Erstgericht wies die vorliegende Scheidungsklage der Frau zurück, weil das vor Schluss der Verhandlung in Rechtskraft erwachsene Urteil des Amtsgerichts Prijedor, Republika Srpska, Bosnien und Herzegowina, über die Scheidungsklage des Mannes gemäß § 97 AußStrG anzuerkennen sei, weshalb das Prozesshindernis der entschiedenen Rechtssache vorliege. Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung und ließ den ordentlichen Revisionsrekurs nicht zu. Die Rekursentscheidung wurde dem Mann in Prijedor mittels internationalem Rückschein zugestellt, der wie schon bei einer vorausgehenden Zustellung dieser Art mit einer unleserlichen Unterschrift versehen beim Erstgericht einlangte. Die Frau erhob einen außerordentliche Revisionsrekurs, dessen Zustellung an den Mann nach der Aktenlage nicht erfolgte.

Rechtliche Beurteilung

Über den Revisionsrekurs der Frau kann vom Obersten Gerichtshof noch nicht entschieden werden:

Bosnien und Herzegowina (BGBl 1994/10) ist ebenso wie Österreich (BGBl 1957/91) Vertragsstaat des Übereinkommens vom 1. März 1954, betreffend das Verfahren in bürgerlichen Rechtssachen, BGBl 1957/91 (Haager Prozessübereinkommen 1954, kurz HPÜ). Weiters wird der Vertrag vom 16. Dezember 1954 zwischen der Republik Österreich und der Föderativen Volksrepublik Jugoslawien über den wechselseitigen rechtlichen Verkehr samt Schlussprotokoll (kurz Rechtshilfevertrag) zwischen Österreich und Bosnien und Herzegowina aufgrund des Prinzips der Kontinuität im Rahmen des Völkerrechts weiter angewendet ( Bajons in Fasching/Konecny ² Anh B §§ 38 bis 40 JN [Stand 30. November 2010] Rz 27). Eine unmittelbare Zustellung durch die Post von Österreich nach Bosnien und Herzegowina ist in diesen Vereinbarungen nicht vorgesehen (10 ObS 347/99y; 3 Ob 56/13a; Schneider/Schwarz Internationaler Rechtshilfeverkehr und Internationale Vollstreckungsrechtshilfe in Zivilsachen Tabelle II Bosnien und Herzegowina [„Gelbes Buch“]). Eine dennoch außerhalb des vorgesehenen Rechtshilfewegs mit internationalem Rückschein vorgenommene Zustellung ist gesetzwidrig und bis zur allfälligen Heilung des Zustellmangels - unwirksam (vgl RIS Justiz RS0036474).

Von einer solchen Heilung der unwirksamen Zustellung der Rekursentscheidung an den Mann kann hier nicht ausgegangen werden, weil die Unterschrift am internationalen Rückschein keiner der beiden (nicht der Richterin zuzuordnenden) Unterschriften am Deckblatt des Protokolls über die Tagsatzung vom 19. November 2012, ON 14, ähnelt; mangels einer vergleichbaren Unterschrift im Akt bleibt es daher fraglich, ob die unleserliche Unterschrift am Rückschein vom Mann stammt.

Der außerordentliche Revisionsrekurs der Frau wäre entsprechend § 528 Abs 3 letzter Satz iVm § 507 Abs 2 ZPO vom Erstgericht an den Mann zuzustellen gewesen, was unterblieben ist.

Das Erstgericht wird diese Zustellungen wirksam nachzuholen haben. Dabei wird zu beachten sein, dass nach Art 14 des Rechtshilfevertrags die zuzustellenden Schriftstücke in der Sprache des ersuchten Gerichts abzufassen oder mit einer Übersetzung in diese Sprache zu versehen sind. Der Rechtshilfevertrag sieht (ebenso wie das HPÜ) eine Zustellung ohne Übersetzung nur an den annahmebereiten Empfänger vor (10 ObS 347/99y; 3 Ob 56/13a).

Das Erstgericht wird daher zunächst eine ordnungsgemäße Zustellung der Rekursentscheidung und des von der Frau (Klägerin) erhobenen Revisionsrekurses an den Beklagten zu veranlassen haben. Da trotz der nach der Aktenlage bestehenden Hinweise auf Deutschkenntnisse des Mannes nicht mit Sicherheit beurteilt werden kann, dass er den Inhalt juristischer Schriftstücke ausreichend versteht, ist eine Übersetzung dieser beiden Schriftstücke erforderlich, was auch für die anzuschließende Rechtsmittelbelehrung (§ 152 Geo) gilt.

Wegen der Freistellung der Revisionsrekursbeantwortung ist auch der vorliegende Beschluss samt der anzuschließenden Rechtsbelehrung zu übersetzen und dem Beklagten im aufgezeigten Rechtshilfeweg zuzustellen (§ 145 Abs 1 Geo; VJ Info 27/2010 BMJ 1. 9. 2010 [keine Direktzustellung wegen Rechtshilfeersuchen]).

Der Akt wird erst nach Einlangen eines allfälligen Rechtsmittels des Beklagten gegen die Rekursentscheidung und einer allfälligen Rechtsmittelbeantwortung bzw nach Ablauf der Frist wieder vorzulegen sein.

Rückverweise