JudikaturOGH

4Nc9/13f – OGH Entscheidung

Entscheidung
06. August 2013

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Vizepräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende und die Hofräte Dr. Vogel und Dr. Musger als weitere Richter in der Pflegschaftssache des minderjährigen J***** O***** E*****, geboren am *****, aufgrund der vom Bezirksgericht Feldbach verfügten Vorlage des Akts 4 Ps 198/11v zur Entscheidung gemäß § 111 Abs 2 JN den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die vom Bezirksgericht Feldbach verfügte Übertragung der Zuständigkeit zur Führung des Pflegschaftsverfahrens für J***** O***** E*****, geboren am *****, an das Bezirksgericht Peuerbach wird nicht genehmigt.

Text

Begründung:

Für P***** E*****, geboren ***** 1998, und J***** O***** E*****, geboren ***** 2004, ist beim Bezirksgericht Feldbach ein Pflegschaftsverfahren anhängig. Die Eltern leben getrennt. Mit der Obsorge für P***** ist aufgrund eines Beschlusses des Bezirksgerichts Feldbach vom 14. März 2012 allein der Vater betraut, mit jener für J***** von Gesetzes wegen allein die Mutter. P***** lebt beim Vater, J***** bei der Mutter. Diese zog mit ihm im November 2012 in den Sprengel des Bezirksgerichts Peuerbach.

Bereits am 8. November 2011 hatte der Vater eine bestimmte Regelung seines Rechts auf persönlichen Verkehr (Kontakt) mit J***** beantragt. Das Bezirksgericht Feldbach hielt mit dem Verfahren zunächst nach § 19 AußStrG inne, um den Eltern eine einvernehmliche Regelung zu ermöglichen. Nach der vom Vater beantragen Fortsetzung des Verfahrens verfügte es zunächst nach Anhörung der Eltern und Einholung einer Stellungnahme des Jugendwohlfahrtsträgers mit Beschluss vom 13. Juli 2012 ein einstweiliges Besuchsrecht und erkannte diesem Beschluss vorläufige Vollstreckbarkeit nach § 44 AußStrG zu. Mit Beschluss vom 2. November 2012 traf es nach neuerlicher Einvernahme der Eltern eine endgültige Regelung, die schon die geänderten Verhältnisse nach dem bevorstehenden Umzug berücksichtigte. Mit Beschluss vom 29. November 2012 verhängte es über die Mutter wegen Vereitelung des einstweiligen Besuchsrechts eine Beugestrafe von 450 EUR. Beide Beschlüsse wurden über Rekurs der Mutter vom Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz mit Beschluss vom 21. Jänner 2013 aufgehoben. Es trug dem Erstgericht auf, ein kinderpsychologisches Gutachten zur Frage einzuholen, in welcher Form und welchem Umfang das vom Vater beantragte Besuchsrecht dem Kindeswohl entspreche. In Bezug auf die Durchsetzung des einstweiligen Besuchsrechts sei das Vorbringen der Mutter zu prüfen, dass J***** sich selbst geweigert habe, seinen Vater zu sehen. Dafür sei die Durchführung einer Verhandlung angezeigt. Das Erstgericht werde gegebenenfalls Feststellungen zur Frage zu treffen haben, ob sich die Mutter bemüht habe, Widerständen von J***** entgegenzuwirken.

Mit Beschluss vom 15. März 2013 übertrug das Bezirksgericht Feldbach die Zuständigkeit zur Besorgung der Pflegschaftssache betreffend J***** gemäß § 111 Abs 1 JN an das Bezirksgericht Peuerbach, weil der Wohnsitz von J***** und seiner Mutter nun im Sprengel dieses Gerichts liege. Das Bezirksgericht Peuerbach lehnte die Übernahme unter Hinweis auf die offenen Anträge ab. Die vom Rekursgericht angeordnete Begutachtung könne auch vom Bezirksgericht Feldbach organisiert werden; in Bezug auf die vom Rekursgericht aufgetragene Verhandlung müsse jedenfalls ein Elternteil zu einem fremden Gericht anreisen, die Übertragung bringe daher auch hier keinen Vorteil. Das Bezirksgericht Feldbach legt die Akten zur Entscheidung nach § 111 Abs 2 JN vor.

Rechtliche Beurteilung

Die Übertragung der Zuständigkeit ist nicht zu genehmigen.

1. Ausschlaggebendes Kriterium für die Übertragung der Zuständigkeit ist immer das Kindeswohl (RIS-Justiz RS0047074). Dabei nimmt die Rechtsprechung an, dass der pflegschaftsgerichtliche Schutz in der Regel am besten durch jenes Gericht gewährleistet wird, in dessen Sprengel sich das Kind aufhält (RIS-Justiz RS0047300). Offene Anträge (etwa bezüglich der Änderung des Besuchsrechts) sprechen im Allgemeinen nicht gegen eine Zuständigkeitsübertragung, es sei denn, dem übertragenden Gericht käme zur Entscheidung eine besondere Sachkenntnis zu oder es hätte bereits unmittelbare Beweisaufnahmen durchgeführt (RIS-Justiz RS0047032 [insb T5a, T7, T12, T14, T19, T26]). Eine Aufsplitterung des Pflegschaftsverfahrens für mehrere Kinder aus einer Ehe soll tunlich vermieden werden (6 Nc 10/05f mwN; RIS-Justiz RS0047074 [T3]; zuletzt etwa 2 Ob 48/13t), weil bei Geschwistern Maßnahmen oft aufeinander abzustimmen sein werden und Informationen aus der einen Pflegschaftssache auch für die andere bedeutsam sind (2 Ob 48/13t). Diese Erwägungen gelten in gleicher Weise auch dann, wenn Pflegschaftsverfahren für gemeinsame Kinder eines nicht verheirateten Paares anhängig sind.

2. Im vorliegenden Fall hat sich der zuständige Richter des Bezirksgerichts Feldbach aufgrund mehrerer Einvernahmen einen persönlichen Eindruck von den Eltern verschafft, der auch nach Einholung des vom Rekursgericht aufgetragenen Gutachtens von maßgebender Bedeutung sein wird. Für die abschließende Entscheidung über das Kontaktrecht fehlt nur noch dieses Gutachten, wobei für die Beurteilung des Kindeswohls sowohl die Verhältnisse beim Vater und P***** als auch jene bei der Mutter und J***** maßgebend sein werden. Ein klares Schwergewicht ist hier daher nicht zu erkennen. Dazu kommt, dass das Verfahren für P***** jedenfalls beim Bezirksgericht Feldbach weiterzuführen ist. In diesem Verfahren gibt es derzeit zwar keine offenen Anträge; nach dem Akteninhalt insbesondere einer Verständigung nach § 33 Abs 2 JGG und der Mitteilung des Vaters, dass er bei der Betreuung durch einen Erziehungshelfer unterstützt werde ist aber nicht ausgeschlossen, dass auch hier eine weitere gerichtliche Tätigkeit erforderlich sein könnte. Unter diesen Umständen entspricht es eher dem Kindeswohl, wenn auch das Verfahren für J***** weiter beim Bezirksgericht Feldbach geführt wird. Die Übertragung der Zuständigkeit an das Bezirksgericht Peuerbach ist daher nicht zu genehmigen.

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