JudikaturOGH

14Os86/13y – OGH Entscheidung

Entscheidung
09. Juli 2013

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 9. Juli 2013 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp als Vorsitzenden, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger und Mag. Marek, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Fürnkranz in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Müller als Schriftführerin in der Strafsache gegen Gerhard K***** wegen Verbrechen des Mordes nach §§ 15, 75 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Geschworenengericht vom 11. März 2013, GZ 37 Hv 125/12k 76, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil wurde Gerhard K***** des Verbrechens des Diebstahls durch Einbruch nach §§ 15, 127, 129 Z 1 StGB (1) sowie zweier Verbrechen des Mordes nach §§ 15, 75 StGB (2) schuldig erkannt.

Danach hat er am 20. Mai 2012 in A***** Claudia H***** und Werner H*****

(1) mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz alkoholische Getränke durch Einbruch wegzunehmen versucht, indem er mit einer Axt zunächst erfolglos versuchte, das Schloss der Eingangstür ihres Wohnhauses aufzuzwängen, sodann die gläserne Terrassentür einschlug und in das Haus eindrang;

(2) zu töten versucht, und zwar

a) Claudia H***** durch zwei gezielte Hiebe mit einer Putzhacke (Gesamtlänge 62 cm, Klingenbreite 17 cm) gegen ihren Körper, wodurch sie am Rücken und am linken Bein massive Blutergüsse und Hautverletzungen erlitt;

(b) Werner H***** durch einen gezielten Hieb mit der unter 2/a beschriebenen Waffe gegen dessen Körper.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus Z 6 und 10a des § 345 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten verfehlt ihr Ziel.

Die Fragenrüge (Z 6) übergeht mit ihrer Kritik am Unterbleiben von Eventualfragen nach den Verbrechen der absichtlichen schweren Körperverletzung („§ 87 StGB“) und den Vergehen der schweren Körperverletzung („§§ 83, 84 StGB“) zu den (jeweils auf Verbrechen des Mordes nach §§ 15, 75 StGB gerichteten) Hauptfragen 2 und 3 schlicht die gerade darauf abzielenden jedoch zufolge Bejahung der Hauptfragen nicht beantworteten Eventualfragen 2, 3, 4 und 5 (fortlaufende Zahl 6, 7, 8 und 9; Beilage 4 zu ON 75) nach den Verbrechen der absichtlichen schweren Körperverletzung nach §§ 15, 87 Abs 1 StGB und den Vergehen der schweren Körperverletzung nach §§ 15, 83 Abs 1, 84 Abs 2 Z 1 StGB und entzieht sich damit einer sachbezogenen Erwiderung.

Prozessförmige Darstellung einer Tatsachenrüge (Z 10a) verlangt, aus aktenkundigen Verfahrensergebnissen (in bestimmten Fällen auch aus nicht in der Hauptverhandlung vorgekommenen Beweismitteln; Ratz , WK-StPO § 281 Rz 481) erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der im Wahrspruch festgestellten entscheidenden Tatsachen zu entwickeln.

Demgegenüber rekurriert die Beschwerde auf den Umstand, dass die Geschworenen die Hauptfragen 2 und 3 jeweils unter Eliminierung der Wortfolge: „mit der verbalen Ankündigung: 'Jetzt zerhack ich euch'“ bejahten, obwohl die beiden Tatopfer (und nur diese) eine derartige Äußerung des Angeklagten (zudem nicht anlässlich der Erstbefragung, sondern erstmals im Rahmen der Tatrekonstruktion im Ermittlungverfahren) wahrgenommen zu haben behaupteten, und nimmt damit nicht auf Verfahrensergebnisse, sondern auf den Wahrspruch und die Erwägungen der Laienrichter Bezug, die nicht zu jenen Aktenteilen zählen, aus denen Bedenken im Sinn des geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes abgeleitet werden können (vgl Ratz , WK-StPO § 345 Rz 16 f).

Mit der daran anknüpfenden These, es widerspreche den „logischen Denkgesetzen“, „in diesem wesentlichen Faktum den Zeugen keinen Glauben zu schenken, deren Aussagen jedoch in Hinblick auf den Tathergang zur Gänze zu folgen“, wird verkannt, dass eine der Sache nach behauptete derartige Beweisregel dem Gesetz fremd ist (§ 258 Abs 2 StPO; zur Zulässigkeit der Annahme partieller Glaubwürdigkeit vgl im Übrigen RIS Justiz RS0098372) und, dass der zur Überzeugung der Tatrichter von der Glaubwürdigkeit eines Zeugen aufgrund des in der Hauptverhandlung gewonnenen persönlichen Eindrucks führende kritisch-psychologische Vorgang als solcher einer Anfechtung aus Z 10a des § 345 Abs 1 StPO entzogen ist (RIS-Justiz RS0099649; Ratz , WK-StPO § 281 Rz 491).

Gleiches gilt für das weitere Vorbringen der Tatsachenrüge, mit dem der Beschwerdeführer unter Bezugnahme auf die Verweisung des Privatbeteiligten Werner H***** mit seinen Ansprüchen auf den Zivilrechtsweg und eine isoliert und aus dem Zusammenhang gerissen zitierte allgemeine Äußerung des medizinischen Sachverständigen zur Ursache der den geltend gemachten Ansprüchen zugrundeliegenden (weder vom Schuldspruch, noch zum damaligen Zeitpunkt vom Gutachtensauftrag umfassten) Verletzung des Genannten (ON 70 S 6; vgl demgegenüber zudem die Ausführungen des Experten im Rahmen der entsprechenden Gutachtenserstattung, mit der er erst im Anschluss beauftragt wurde, ON 75 S 14 ff) die Glaubwürdigkeit des Werner H***** grundsätzlich in Zweifel zu ziehen trachtet.

Soweit die Beschwerde nach Art einer Aufklärungsrüge einen Verstoß gegen „die amtswegige Wahrheitsforschung“ behauptet, gleichzeitig aber einräumt, dass die vermissten Beweisaufnahmen (Untersuchung der Blutspuren am Tatwerkzeug „auf ihre Entstehung [punktuell oder verschmiert]“ sowie der allenfalls vorhandenen Rostspuren auf der Axt und „ausreichende Sicherung“ von Blutspuren auf der Bettwäsche, der Matratze und dem Pyjama der Opfer) wegen der mittlerweile erfolgten Entsorgung des Bettes und vorgenommener „Reinigungshandlungen“ undurchführbar waren (weshalb auch eine entsprechende Antragstellung in der Hauptverhandlung unterblieben sei), erweist sie sich als unschlüssig. Darüber hinaus wird einerseits nicht klar, weshalb den reklamierten Erhebungen konkrete Relevanz für die Wahrheitsforschung zugekommen wäre, und andererseits übersehen, dass die Tatwaffe ohnehin sowohl spurentechnisch (auf DNA, Fingerabdrücke sowie ohne Ergebnis auf Blutanhaftungen) als auch molekularbiologisch untersucht wurde (ON 48 und 54; ON 75 S 21 ff), eine Begutachtung der sichergestellten Einkerbungen am Bett und am Türstock stattfand (ON 75 S 12 ff) und ein auf die kriminaltechnische Auswertung von Spuren an der Bettwäsche und dem Pyjama der Claudia H***** gerichteter Beweisantrag des Beschwerdeführers aus Z 5 des § 345 Abs 1 StPO unbeanstandet in der Hauptverhandlung (im Übrigen zu Recht teils wegen Undurchführbarkeit, teils wegen Unerheblichkeit) abgewiesen wurde (ON 70 S 20 ff).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§§ 344, 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§§ 344, 285i StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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