12Os34/13m – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 4. Juli 2013 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner Foregger, Mag. Michel und Dr. Michel Kwapinski als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Bandarra als Schriftführer in der Strafsache gegen Ernst C***** wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 und Abs 2 erster Fall StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Wels als Schöffengericht vom 24. Oktober 2012, GZ 11 Hv 24/11k 43, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil, das auch einen Privatbeteiligtenzuspruch enthält, wurde Ernst C***** des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 und Abs 2 erster Fall StGB (1./) und des Vergehens des sexuellen Missbrauchs von Jugendlichen nach §§ 15 Abs 1, 207b Abs 3 StGB (2./) schuldig erkannt.
Danach hat er in L*****
1./ zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt im Herbst 2009 Christian V***** mit Gewalt, indem er diesen im Bereich des Bauches festhielt, mit der Hand dessen Oberkörper hinunterdrückte und diesen in den Penis biss, sowie durch Freiheitsentziehung, indem er Christian V***** in ein Zimmer einsperrte, zur Duldung einer dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlung, nämlich des Oralverkehrs an ihm, genötigt, wobei die Tat eine schwere Körperverletzung, nämlich eine länger als 24 Tage dauernde Gesundheitsschädigung (psychische Störung) zur Folge hatte;
2./ zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt im Juli 2010 den am 24. November 1994 geborenen Christian V*****, der somit das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hatte, unmittelbar durch ein Entgelt, indem er ihm dafür 20 Euro anbot, zu verleiten versucht, eine geschlechtliche Handlung, nämlich einen Oralverkehr, an sich durchführen zu lassen.
Rechtliche Beurteilung
Dagegen richtet sich die auf Z 5, 9 lit a, 9 lit b und 10 des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, der keine Berechtigung zukommt.
Soweit die Mängelrüge zu Schuldspruchpunkt 1./ jeweils unsubstantiiert eine undeutliche, unvollständige und widersprüchliche Begründung behauptet (Z 5 erster, zweiter und dritter Fall) und vermeint, aus den Aussagen des Angeklagten und der auf dessen Antrag in der Hauptverhandlung vernommenen Zeugen ergäbe sich ein anderes Bild, nämlich das eines „Problemkindes“ (des Opfers) einerseits und der Eindruck eines hilfsbereiten, für dieses die Vaterrolle übernehmenden Angeklagten andererseits, bekämpft sie nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung die erstgerichtliche Beweiswürdigung.
Dem Beschwerdevorbringen zuwider haben sich die Tatrichter ausführlich sowie logisch und empirisch einwandfrei insbesondere mit dem aussagepsychologischen Gutachten Dris. O*****, aber auch mit sämtlichen den Angeklagten be- und entlastenden Beweisergebnissen auseinandergesetzt (US 5 bis 10).
Gegenstand der Rechts- und Subsumtionsrüge ist der Vergleich des zur Anwendung gebrachten materiellen Rechts, einschließlich prozessualer Verfolgungs voraussetzungen, mit dem festgestellten Sachverhalt. Den tatsächlichen Bezugspunkt bildet dabei die Gesamtheit der in den Entscheidungsgründen getroffenen Feststellungen, zu deren Verdeutlichung das Erkenntnis (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO) herangezogen werden kann. Von diesem Gesamtzusammenhang ausgehend ist zur Geltendmachung eines aus Z 9 oder 10 gerügten Fehlers klarzustellen, aus welchen ausdrücklich zu bezeichnenden Tatsachen welche rechtliche Konsequenz hätte abgeleitet werden sollen (RIS Justiz RS0099810; Ratz ,WK StPO § 281 Rz 581, 584).
Indem der Beschwerdeführer anstelle einer Argumentation auf Basis des Urteilssachverhalts bloß die Richtigkeit der zur subjektiven Tatseite getroffenen Feststellungen (US 3) bestreitet, wird er diesen Anforderungen mit seiner zum Schuldspruch 1./ nominell auch aus Z 9 lit a, der Sache nach nur aus Z 10 geäußerten Kritik an der Annahme der Qualifikation nach § 201 Abs 2 erster Fall StGB nicht gerecht.
Gleiches gilt für die Rechtsrüge (Z 9 lit a und lit b) zum Schuldspruchpunkt 2./:
Auch in diesem Umfang versucht sie im Ergebnis bloß, die zum Bedeutungsinhalt der inkriminierten Äußerung des Angeklagten in objektiver und subjektiver Hinsicht getroffenen Konstatierungen (US 4), die sie teils schlicht übergeht, teils negiert, durch für sie günstigere zu ersetzen und auf diesem Weg der leugnenden Verantwortung des Nichtigkeitswerbers zum Durchbruch zu verhelfen.
Die nach Art einer im schöffengerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung behauptete mangelnde Nachvollziehbarkeit der hiezu angestellten beweiswürdigenden Erwägungen der Tatrichter scheitert schon im Ansatz.
Ein Feststellungsmangel wird geltend gemacht, indem unter Hinweis auf einen nicht durch Feststellungen geklärten, jedoch indizierten Sachverhalt eine vom Erstgericht nicht gezogene rechtliche Konsequenz angestrebt wird, weil dieses ein Tatbestandsmerkmal, einen Ausnahmesatz (§ 281 Abs 1 Z 9 lit a bis c StPO) oder eine andere rechtliche Unterstellung bei der rechtlichen Beurteilung nicht in Anschlag gebracht hat (RIS Justiz RS0118580; Ratz , WK-StPO § 281 Rz 600).
Mit der Behauptung eines „Tatbildirrtums gemäß § 8 StGB“ in Ansehung des durch die inkriminierte Äußerung bereits erreichten Versuchsstadiums und eines „ebenfalls in Frage kommenden“, angesichts der bloß „pauschalen Äußerung“ auch nicht vorwerfbaren Rechtsirrtums im Sinn des § 9 Abs 1 StGB, weil sich der Angeklagte „nichts dabei gedacht habe“, als er Christian V***** 20 Euro anbot, wenn er mit ihm heimgehe, und „sicherlich darüber geirrt hat, dass diese Aussage das Versuchsstadium einer Straftat sein kann“, verfehlt die Beschwerde (Z 9 lit b, dSn auch lit a; vgl RIS Justiz RS0088923; Ratz , WK StPO § 281 Rz 634; Höpfel in WK 2 § 9 Rz 19 iVm § 8 Rz 21) einmal mehr die gebotene Orientierung am Urteilssachverhalt, wonach diese Äußerung darauf abzielte, das Opfer zu einem (weiteren) Sexualkontakt, nämlich der Vornahme von Oralverkehr, zu bestimmen (US 4). Überdies ergeht sie sich in eigenständigen Beweiswerterwägungen, ohne ein das Vorliegen eines Irrtums konkret indizierendes Sachverhaltssubstrat aufzuzeigen.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Kompetenz des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).
Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 390a Abs 1 StPO.