JudikaturOGH

6Nc8/13y – OGH Entscheidung

Entscheidung
27. Mai 2013

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm und Univ. Prof. Dr. Kodek als weitere Richter in der Pflegschaftssache des mj S***** G*****, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die vom Bezirksgericht Steyr verfügte Übertragung der Zuständigkeit in der Pflegschaftssache an das Bezirksgericht Hietzing wird genehmigt.

Text

Begründung:

Am 18. 3. 2013 beantragte die Kindesmutter, ihren ehemaligen Lebensgefährten zur Zahlung von Unterhalt für das gemeinsame Kind S***** zu verpflichten. Die Kindesmutter wohnte damals im Frauenhaus Steyr. In der Folge übersiedelte die Kindesmutter nach 1130 Wien.

Mit Beschluss vom 5. 4. 2013 übertrug das Bezirksgericht Steyr die Zuständigkeit zur Besorgung dieser Pflegschaftssache gemäß § 111 JN an das Bezirksgericht Hietzing. Im Hinblick auf den Aufenthalt des Kindes in 1130 Wien erscheine es zweckmäßiger, wenn das Bezirksgericht Hietzing diese Pflegschaftssache führe.

Das Bezirksgericht Hietzing lehnte die Übernahme der Zuständigkeit mit der Begründung ab, dass das Bezirksgericht Steyr bereits in die Unterhaltssache „eingetreten“ sei. Daraufhin legte das Bezirksgericht Steyr den Akt zur Genehmigung der Übertragung dem Obersten Gerichtshof vor.

Hierzu hat der Oberste Gerichtshof erwogen:

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 111 Abs 1 JN kann, wenn dies im Interesse eines Mündels oder Pflegebefohlenen gelegen erscheint und namentlich wenn dadurch die wirksame Handhabung des dem Pflegebefohlenen zugedachten vormundschafts oder kuratelsbehördlichen Schutzes voraussichtlich befördert wird, das zur Besorgung der vormundschafts oder kuratelbehördlichen Geschäfte zuständige Gericht von Amts wegen oder auf Antrag seine Zuständigkeit zur Gänze oder die Aufsicht und Fürsorge über die Person des Pflegebefohlenen oder die Ausübung der dem Gerichte in Ansehung der Vermögensangelegenheiten des Pflegebefohlenen zukommenden Obliegenheiten ganz oder zum Teile einem anderen Gericht übertragen. Die Übertragung wird nach § 111 Abs 2 JN wirksam, wenn das andere Gericht die Zuständigkeit oder die ihm übertragenen Geschäfte übernimmt. Im Falle der Weigerung des anderen Gerichts bedarf die Übertragung des zu ihrer Wirksamkeit der Genehmigung des den beiden Gerichten zunächst übergeordneten gemeinsamen höheren Gerichts.

Ausschlaggebendes Kriterium für die Übertragung der Zuständigkeit zur Führung der Pflegschaftssache für Minderjährige ist immer das Kindeswohl (RIS Justiz RS0047074).

Nach ständiger Rechtsprechung sind offene Anträge kein grundsätzliches Übertragungshindernis (RIS Justiz RS0047027; 2 Nc 2/05z ua). Es hängt von den Umständen des Einzelfalls ab, ob die Entscheidung über einen solchen Antrag durch das bisherige Gericht zweckmäßiger ist (2 Nc 2/05z).

Im vorliegenden Fall ist zu berücksichtigen, dass der ursprüngliche Aufenthaltsort im Sprengel des bisherigen Gerichts evidentermaßen vorübergehender Natur war (Frauenhaus). Die Voraussetzungen für eine Übertragung der Zuständigkeit gemäß § 111 Abs 1 JN liegen in der Regel dann vor, wenn die Pflegschaftssache jenem Gericht übertragen wird, in dessen Sprengel wie im vorliegenden Fall der Mittelpunkt der Lebensführung des Pflegebefohlenen liegt. Dabei kann auch keine Rede davon sein, dass das bisher zuständige Gericht wegen seiner bisherigen Ermittlungen und Tatsachenkenntnisse und seiner eingehenden Vertrautheit mit den Problemen zur Entscheidung besser geeignet ist (dazu 5 Nc 11/09y). Vielmehr beschränkte sich die bisherige Tätigkeit des früheren Gerichts auf die Aufforderung zu einer schriftlichen Äußerung (ON 4).

Die Übertragung der Pflegschaftssache an das Bezirksgericht des Aufenthaltsorts des Kindes war daher zu genehmigen.

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