5Ob62/13y – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch die Hofrätin Dr. Hurch als Vorsitzende sowie die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Lovrek, Dr. Höllwerth, Mag. Wurzer und Mag. Malesich als weitere Richter in der Grundbuchsache der Antragsteller 1. A***** L*****, 2. A***** L*****, beide *****, 3. C***** K***** und 4. T***** K*****, beide *****, alle vertreten durch Dr. Christian Frühwirt, öffentlicher Notar in Bad Radkersburg, wegen grundbücherlicher Eintragungen in den EZ ***** und EZ ***** je GB *****, über den Rekurs der Antragsteller gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Rekursgericht vom 27. November 2012, AZ 4 R 219/12y, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Feldbach vom 25. Juli 2012, TZ 21616/12, bestätigt wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Akten werden dem Erstgericht zurückgestellt.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
1.1. Nach § 1 Abs 1 Satz 1 ERV können alle Eingaben und Beilagen von Eingaben an Gerichte und Staatsanwaltschaften nach Maßgabe der §§ 5, 8a, 9, 10 und 10a ERV elektronisch eingebracht werden. Gemäß § 5 Abs 1 ERV müssen elektronisch eingebrachte Eingaben und elektronisch zuzustellende Erledigungen sowie Beilagen der Schnittstellenbeschreibung nach § 5 Abs 2 ERV entsprechen. Eingaben und Erledigungen können grundsätzlich auch als PDF Anhang entsprechend der Schnittstellenbeschreibung nach § 5 Abs 2 ERV übermittelt werden.
1.2. Nach § 5 Abs 2 ERV hat das Bundesministerium für Justiz eine Beschreibung über die Art der Datenübermittlung, der vollständigen Datenstruktur, der zulässigen Beilagenformate, einschließlich der Regeln über die Feldinhalte und den höchstzulässigen Umfang für alle elektronischen Eingabe und Erledigungsarten (Schnittstellenbeschreibung) auf der Website „www.edikte.justiz.gv.at“ bekannt zu machen. Darüber hinaus haben die Übermittlungsstellen allfällige Spezifikationen der von ihnen angebotenen Zusatzdienste auf ihrer Website zu veröffentlichen.
1.3. Gemäß § 10 Abs 1 Satz 1 ERV können auch Eingaben und Beilagen im Grundbuchverfahren elektronisch eingebracht werden.
2. Nach § 89c Abs 5 Z 1 GOG idF BGBl I 2012/26 sind Rechtsanwälte und Notare nach Maßgabe der technischen Möglichkeiten zur Teilnahme am Elektronischen Rechtsverkehr verpflichtet. Ein Verstoß gegen diese Bestimmung ist wie ein Formmangel zu behandeln, der zu verbessern ist (§ 89c Abs 6 GOG idF BGBl I 2012/26). Für Eingaben eines Rechtsanwalts oder Notars ab dem maßgeblichen Stichtag 1. 5. 2012 (§ 98 Abs 15 Z 1 GOG), die wie hier der Revisionsrekurs der Antragsteller auf dem Postweg und nicht im Elektronischen Rechtsverkehr eingebracht werden, ist demnach ein Verbesserungsverfahren durchzuführen. Die bisherige Rechtsprechung (RIS Justiz RS0124215; RS0124335; RS0124555), die in der nicht auf elektronischem Weg eingebrachten Eingabe keinen die geschäftsordnungsgemäße Behandlung hindernden Formmangel erkannte und von einem folgenlosen Verstoß gegen eine reine Ordnungsvorschrift ausging, kann infolge Änderung der Rechtslage für solche Eingaben seit 1. 5. 2012 nicht mehr aufrecht erhalten werden. In gewollter Abkehr von dieser Judikatur müssen die im neu gefassten § 89c Abs 5 GOG idF BGBl I 2012/26 genannten ERV Teilnehmer/innen in Hinkunft den Elektronischen Rechtsverkehr zwingend verwenden (ErläutRV 1676 BlgNR 24. GP 3). Das gesetzwidrige Absehen von der Nutzung des Elektronischen Rechtsverkehrs durch zur Nutzung Verpflichtete soll als Verletzung einer zwingend einzuhaltenden Formvorschrift (§ 89c Abs 6 GOG idF BGBl I 2012/26) zu einem Verbesserungsverfahren und bei einem Ausbleiben der Verbesserung zur Zurückweisung der Eingabe führen (JAB 1699 BlgNR 24. GP 1; RIS Justiz RS0128266).
3. Die Rechtsmittelwerber haben den Revisionsrekurs nicht im Elektronischen Rechtsverkehr eingebracht und dazu eine Bestätigung ihres Software Betreuers vorgelegt, wonach die Einbringung von Revisionsrekursen im Grundbuch WebERV nicht möglich sei. Daraus kann aber noch nicht abgeleitet werden, dass die technischen Möglichkeiten zur Einbringung des Rechtsmittels im Elektronischen Rechtsverkehr überhaupt fehlten.
3.1. Nach den „Neuerungen im Grundbuch ERV“ (Dateiname: GB_NeuerungenERV.doc Dok-Version: 1.5 vom 24. 01. 2012; http://www.edikte.justiz.gv.at/edikte/km/kmhlp 05.nsf/all/gbneu!OpenDocument) wurden „aus Gründen der Übersichtlichkeit (...) für die GB-Version 1.5 gegenüber der in Produktion befindlichen GB ERV Version 2.0v unter 4.1.2 näher aufgelistete Strukturelemente aus den Schemadateien entfernt, darunter auch die (auch bislang nicht freigeschaltet gewesene) „Folgeeingabe/Rekurs, Folgeeingabe/Zurück-ziehung“. Daraus folgt zunächst, dass im Grundbuchverfahren eine besondere Struktur für die elektronische Einbringung eines Rechtsmittels nicht zur Verfügung steht.
3.2. ERV technisch sind Rechtsmittel im Grundbuchverfahren allerdings keine Folgeanträge (keine Eingabe unter der bisherigen TZ); vielmehr sind Rechtsmittel als „sonstige/sonstige Neueintragung“ (neue TZ) erforderlichenfalls verbunden mit einem in einem GOG Archiv zu hinterlegenden PDF Anhang einzubringen.
3.3. Es mag zwar zutreffen, dass der ERV Grundbuch eine eigene Anwendung bildet und nicht als Bestandteil des ERV Verfahrensautomation Justiz (VJ) anzusehen ist; im vorliegenden Kontext geht es allerdings ausschließlich um die Einhaltung des § 89c Abs 5 GOG, welche Bestimmung nicht zwischen einzelnen ERV Anwendungen unterscheidet. Solange daher für ein Rechtsmittel in Grundbuchsachen keine gesonderte Struktur zur Verfügung steht, welche gemäß § 10 Abs 3 ERV 2006 zwingend einzuhalten wäre, wird dem § 89c Abs 5 GOG auch dadurch entsprochen, dass das Rechtsmittel im ERV Verfahrensautomation Justiz (VJ) als „sonstige Ersteingabe“ mit PDF Anhang unter Bezugnahme auf die TZ des Erstgerichts eingebracht wird.
4. Da die vorgelegte Bestätigung keinen Rückschluss darauf zulässt, dass eine Einbringung des Rechtsmittels m ERV Verfahrensautomation Justiz (VJ) ausnahmsweise technisch nicht möglich wäre, sind die Akten, um die Rechtsmittelwerber nicht mit einer bislang im Verfahren nicht vertretenen Rechtsansicht zu überraschen, dem Erstgericht zurückzustellen, das sie gemäß § 75 Abs 2 AußStrG iVm § 10 Abs 4 AußStrG § 82a GBG gilt nur das verfahrenseinleitende Grundbuchgesuch unter Setzung einer angemessenen Frist zur Einbringung ihres Revisionsrekurses im Elektronischen Rechtsverkehr (im Sinn von 3.2. bzw 3.3.) aufzufordern haben wird. Wird die gesetzte Frist eingehalten, so gilt der Revisionsrekurs als zum ursprünglichen Zeitpunkt eingebracht (§ 10 Abs 5 Satz 1 AußStrG).