10Ob12/13g – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden, die Hofräte Dr. Fellinger, Dr. Hoch, Dr. Schramm und die Hofrätin Dr. Fichtenau als weitere Richter in der Sachwalterschaftssache des R*****, geboren am *****, über den Revisionsrekurs 1. des R*****, vertreten durch die zur Sachwalterin bestellte Dr. E*****, 2. der Dr. E*****, p.a. Vertretungs Netz Sachwalterschaft, Patientenanwaltschaft-Bewohnervertretung, *****, beide Revisionsrekurswerber vertreten durch Dr. Martin Morscher, Rechtsanwalt in Vöcklabruck, gegen den Beschluss des Landesgerichts Ried im Innkreis als Rekursgericht vom 10. Jänner 2013, GZ 14 R 81/12f 86, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Ried im Innkreis vom 22. November 2012, GZ 5 P 97/05p 82, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Akten werden dem Erstgericht zurückgestellt.
Text
Begründung:
Der Wirkungskreis des Sachwalters umfasst laut Beschluss des Erstgerichts vom 29. 3. 2005, 5 P 97/05p 11, die Vertretung vor Ämtern und Behörden sowie die finanziellen Angelegenheiten.
Mit Schreiben vom 13. 11. 2012 beantragte die Sachwalterin, es möge gemäß § 268 Abs 4 ABGB ausgesprochen werden, dass der Betroffene „innerhalb des Wirkungskreises des Sachwalters hinsichtlich des Betriebs und der Zulassungsverpflichtung des PKW ***** frei verfügen und sich verpflichten könne“.
Das Erstgericht wies den Antrag ab.
Das Rekursgericht gab dem von der Sachwalterin namens des Betroffenen sowie im eigenen Namen erhobenen Rekurs nicht Folge. Es sprach aus, dass der ordentliche Revisionrekurs nach § 62 Abs 1 AußStrG zulässig sei.
Gegen die der Sachwalterin am 30. 1. 2013 zugestellte Entscheidung des Rekursgerichts erhob die Sachwalterin namens des Betroffenen und im eigenen Namen Revisionsrekurs. Das Erstgericht legte den Revisionsrekurs dem Obersten Gerichtshof vor.
Rechtliche Beurteilung
1. Der Akt ist dem Erstgericht zur Verbesserung zurückzustellen:
1.1. Der Rechtsvertreter des Betroffenen und der Sachwalterin gab den Revisionsrekurs am 12. 2. 2013 (rechtzeitig) zur Post. Der Rechtsvertreter unterließ in der nicht im Elektronischen Rechtsverkehr übermittelten Eingabe die Bescheinigung, dass die konkreten technischen Möglichkeiten im Einzelfall ausnahmsweise nicht vorliegen (§ 1 Abs 1c ERV 2006 idF BGBl II 2012/141). Gemäß § 89c Abs 5 Z 1 GOG idF BGBl I 2012/26 sind Rechtsanwälte nach Maßgabe der technischen Möglichkeiten zur Teilnahme am Elektronischen Rechtsverkehr verpflichtet. Ein Verstoß gegen diese Bestimmung ist wie ein Formmangel zu behandeln, der zu verbessern ist (§ 89c Abs 6 GOG idF BGBl I 2012/26). Für Eingaben eines Rechtsanwalts ab dem maßgeblichen Stichtag 1. 5. 2012 (§ 98 Abs 15 Z 1 GOG), die auf dem Postweg und nicht im Elektronischen Rechtsverkehr eingebracht werden, ist demnach vom Erstgericht ein fristgebundenes Verbesserungsverfahren durchzuführen (RIS Justiz RS0128266).
1.2. Die bisherige Rechtsprechung (RIS Justiz RS0124215; RS0124335; RS0124555), die in der nicht auf elektronischem Weg eingebrachten Eingabe keinen die geschäftsordnungsgemäße Behandlung hindernden Formmangel erkannte und von einem folgenlosen Verstoß gegen eine reine Ordnungsvorschrift ausging, kann infolge Änderung der Rechtslage für solche Eingaben seit 1. 5. 2012 nicht mehr aufrecht erhalten werden. In gewollter Abkehr von dieser Judikatur müssen die im neu gefassten § 89c Abs 5 GOG idF BGBl I 2012/26 genannten ERV Teilnehmer/innen nunmehr den Elektronischen Rechtsverkehr zwingend verwenden (ErläutRV 1676 BlgNR 24. GP 3). Das gesetzwidrige Absehen von der Nutzung des Elektronischen Rechtsverkehrs durch zur Nutzung Verpflichtete soll als Verletzung einer zwingend einzuhaltenden Formvorschrift (§ 89c Abs 6 GOG idF BGBl I 2012/26) zu einem Verbesserungsverfahren und bei einem Ausbleiben der Verbesserung zur Zurückweisung der Eingabe führen (JAB 1699 BlgNR 24. GP 1).
Demnach sind die Akten dem Erstgericht zurückzustellen. Dieses hat den für die Sachwalterin einschreitenden Rechtsanwalt gemäß § 10 Abs 4 AußStrG unter Setzung einer angemessenen Frist zur Einbringung des Revisionsrekurses durch den Rechtsvertreter im Elektronischen Rechtsverkehr aufzufordern. Wird die gesetzte Frist eingehalten, so gilt das Anbringen als zum ursprünglichen Zeitpunkt eingebracht (§ 10 Abs 5 erster Satz AußStrG).
2. Nach § 48 AußStrG ist das Rechtsmittelverfahren in Außerstreitsachen nunmehr grundsätzlich zweiseitig ausgestaltet. Erhebt der Betroffene nicht selbst das Rechtsmittel, ist ihm dieses zuzustellen und steht es ihm frei, eine Rechtsmittelbeantwortung einzubringen (6 Ob 95/12g). Wie sich aus der Aktenlage ergibt, wurde dem Betroffenen aber bisher nicht die Möglichkeit eingeräumt, sich in Ansehung des von der Sachwalterin (auch) im eigenen Namen erhobenen Revisionsrekurses am Revisionsrekursverfahren zu beteiligen. Dies wird nachzuholen sein, sofern dem Verbesserungsauftrag rechtzeitig und ordnungsgemäß nachgekommen werden sollte.