12Os1/13h – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 11. April 2013 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner Foregger, Mag. Michel und Dr. Michel Kwapinski als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Viktorin als Schriftführer in der Strafsache gegen Wolfgang H***** wegen des Verbrechens des sexuellen Missbrauchs einer wehrlosen oder psychisch beeinträchtigten Person nach § 205 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Korneuburg vom 1. August 2012, GZ 631 Hv 5/12z 21, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen, auch einen Privatbeteiligtenzuspruch enthaltenden Urteil wurde Wolfgang H***** des Verbrechens des sexuellen Missbrauchs einer wehrlosen oder psychisch beeinträchtigten Person nach § 205 Abs 1 StGB schuldig erkannt.
Danach hat er am 21. Jänner 2012 in F***** eine wehrlose Person, nämlich die aufgrund ihrer Alkoholisierung tief schlafende und somit willenlose Bettina R*****, unter Ausnützung ihres Zustands dadurch missbraucht, dass er an ihr geschlechtliche Handlungen vornahm, indem er sie im Unterleibsbereich und an den Brüsten streichelte, ihr den Slip herunterzog, sie im Bereich der Vagina streichelte, seinen Penis in die Hand nahm und sie damit im Bereich ihrer Vagina streichelte und schließlich mit seinem Penis vaginal in sie eindrang.
Rechtliche Beurteilung
Die vom Angeklagten aus Z 5 und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde verfehlt ihr Ziel.
Widersprüchlich sind zwei Aussagen, wenn sie nach den Denkgesetzen nicht nebeneinander bestehen können. Im Sinn der Z 5 dritter Fall können die Feststellungen über entscheidende Tatsachen in den Urteilsgründen (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) und deren Referat im Erkenntnis (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO), die Feststellungen über entscheidende Tatsachen in den Urteilsgründen, die zu den getroffenen Feststellungen über entscheidende Tatsachen angestellten Erwägungen sowie die Feststellungen über entscheidende Tatsachen in den Urteilsgründen und die dazu angestellten Erwägungen zueinander in Widerspruch stehen.
In diesem Sinn schließt die Urteilsannahme, es könne nicht mit Sicherheit festgestellt werden, ob sich der Angeklagte sogleich neben die schlafende Zeugin Bettina R***** gelegt habe (US 6, 16), die weitere Konstatierung, er habe sich gegen ca 10:30 Uhr desselben Tags zu der noch immer auf der Couch tief schlafenden und alkoholisierten Bettina R***** begeben und sich selbst bis auf ein T Shirt entkleidet (US 6), der Rüge zuwider nicht grundsätzlich aus, sodass der behauptete Widerspruch nicht vorliegt.
Dieser beträfe überdies ebenso wenig eine entscheidende Tatsache wie die Aussage des Zeugen Michael W*****, der die Verantwortung des Angeklagten stützte, Wolfgang H***** habe es zur Bedingung gemacht, auch auf der von Bettina R***** benutzten Couch zu schlafen (US 20), und den die Tatrichter als unglaubwürdig erachteten. Der insoweit erhobene Einwand offenbar unzureichender Begründung (Z 5 vierter Fall) geht daher ins Leere.
Soweit die Beschwerde den Versuch unternimmt, aus dem Umstand bereits anlässlich seines Erwachens bestehender körperlicher Nähe zum Tatopfer und im Wege eigenständiger Beweiswerterwägungen zum Bedeutungsgehalt seiner Reaktion auf die Vorhaltungen der munter werdenden Frau den vom Erstgericht angenommenen Missbrauchsvorsatz zu bestreiten, bekämpft sie nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässigen Schuldberufung die tatrichterliche Beweiswürdigung. Eine offenbar unzureichende Begründung wird damit nicht zur Darstellung gebracht.
Die Ausführungen des Ersturteils, Bettina R***** habe die Angaben des Angeklagten, sie hätte ihr Gesäß an ihn geschmiegt, eindringlich bestritten (US 13), finden in ihrer Aussage in der Hauptverhandlung auf die Frage des Vorsitzenden, ob dies stimme oder nicht „Nein. Also zumindest nicht bewusst, wenn ich schlafe, ja. Was man im Schlaf oft macht, ja, aber sicherlich nicht bewusst“ (ON 19 S 40) Deckung. Die behauptete Aktenwidrigkeit (Z 5 letzter Fall) durch in ihren wesentlichen Teilen unrichtige oder unvollständige Wiedergabe des eine entscheidende Tatsache betreffenden Inhalts einer Aussage liegt daher nicht vor.
Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) sagt nicht, welche Feststellungen zur inneren Tatseite über die ohnedies getroffenen (US 9, s auch 20 ff) hinaus sie vermisst (§§ 285 Abs 1, 285a Z 2 StPO). Vielmehr bestreitet sie neuerlich unter eigenständiger Bewertung der Äußerung des Beschwerdeführers „Reg dich nicht so auf, du hast dich vorher auch nicht gewehrt“ (vgl US 7) den konstatierten Missbrauchsvorsatz und verfehlt damit mangels Festhaltens am gesamten Urteilssachverhalt (RIS Justiz RS0099810) den vom Gesetz geforderten Bezugspunkt.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Kompetenz des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).
Die Kostenersatzpflicht des Angeklagten beruht auf § 390a Abs 1 StPO.