JudikaturOGH

Ds1/13 – OGH Entscheidung

Entscheidung
08. April 2013

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 8. April 2013 durch den Präsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Ratz als Vorsitzenden sowie die Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Danek und Hon. Prof. Dr. Schroll und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Jensik und Dr. Höllwerth als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Viktorin als Schriftführer im Disziplinarverfahren gegen den Präsidenten des Landesgerichts ***** Dr. ***** über die Berufung der Oberstaatsanwaltschaft wegen des Ausspruchs über die Strafe gegen das Erkenntnis des Oberlandesgerichts Linz vom 29. November 2012, GZ Ds 2/12 12, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators Erster Generalanwalt Dr. Plöchl und des Beschuldigten zu Recht erkannt:

Spruch

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde Dr. ***** eines Dienstvergehens nach § 101 Abs 1 RStDG (§ 57 Abs 1 RStDG) schuldig erkannt, weil er „als Präsident des Landesgerichts ***** in der Zeit vom 1. September 2008 bis Jänner 2011 entgegen § 31 GOG die Dienstaufsicht über die Verwahrungsstelle des Landesgerichts ***** nicht hinreichend ausgeübt“ hat, „sodass anlässlich der Regelrevision des Landesgerichts ***** im Jahr 2011 siebzig unbearbeitete Aufträge zur Ausfolgung oder Vernichtung von Beweisgegenständen und vierhundert unbearbeitete Vernichtungsaufträge vorgefunden wurden und in Einzelfällen Standblätter mitvernichtet wurden, wodurch in vereinzelt gebliebenen Fällen im Nachhinein nicht mehr einwandfrei nachvollziehbar war, welche Gegenstände vernichtet wurden“.

Gemäß § 101 Abs 3 RStDG wurde vom Ausspruch über die Verhängung einer Disziplinarstrafe abgesehen.

Das Disziplinargericht hat dazu im Wesentlichen festgestellt, dass der Beschuldigte als Präsident des Landesgerichts ***** im Rahmen der ihm gemäß § 31 Abs 1 GOG obliegenden Dienstaufsicht seit 1. September 2008 zwar ungefähr halbjährlich die Verwahrungsstelle und den Suchtmittelraum besichtigt, sich von der diebstahlsicheren Verwahrung überzeugt und in das Eingangsbuch Einsicht genommen, jedoch nicht bemerkt habe, dass im Eingangsbuch keine Suchtmitteleingänge verzeichnet waren, darin keine Prüfvermerke angebracht habe und es ihm nicht aufgefallen sei, dass neben dem Eingangsbuch ein eigenes, nicht der Geschäftsordnung entsprechendes Schulheft für das verwahrte Suchtgift geführt worden sei, dessen Eintragungen inhaltlich unzureichend gewesen seien. Weiters sei ihm nicht aufgefallen, dass Suchtmittel teils in nicht versiegelten Behältnissen verwahrt worden und zahlreiche unbearbeitete Vernichtungsaufträge vorhanden gewesen seien. Waffen oder Suchtmittel seien jedoch nicht abhanden gekommen. Nachdem ein Beweisgegenstand nicht aufgefunden worden war, habe sich der Beschuldigte seit Jänner 2011 in verstärktem Ausmaß der Dienstaufsicht über den Leiter der Verwahrungsstelle gewidmet und den Revisor mit der genauen Prüfung beauftragt. Seither werde die Verwahrungsstelle des Landesgerichts ***** korrekt geführt.

Im Übrigen sei die Amtsführung des Beschuldigten tadellos gewesen. Durch die Suspendierung der Vizepräsidentin des Landesgerichts ***** und eines mit Exekutionssachen betrauten Richters des Bezirksgerichts ***** sowie durch die sogenannte „T*****“ sei die Arbeitskraft des Beschuldigten außergewöhnlich stark in Anspruch genommen worden. Diese außergewöhnlichen Ereignisse seien geeignet gewesen, routinemäßigen Tätigkeiten wie die der Dienstaufsicht über den Leiter der Verwahrungsstelle „weniger Beachtung schenken zu können“. Das Disziplinargericht vertrat aus diesen Gründen die Ansicht, das dem Beschuldigten anzulastende Verschulden habe lediglich in einer „leichten Fahrlässigkeit“ bestanden.

Gegen das Absehen vom Ausspruch über die Verhängung einer Disziplinarstrafe richtet sich die Berufung der Oberstaatsanwaltschaft Linz wegen des Ausspruchs über die Strafe, mit der sie die Verhängung einer tat und schuldangemessenen Disziplinarstrafe begehrt; sie schlägt fehl.

Rechtliche Beurteilung

Der Berufung kommt Berechtigung nicht zu.

Mit der (bloßen) Behauptung, es könne nicht ausgeschlossen werden, dass durch die Vernachlässigung der Dienstaufsicht in der Verwahrungsstelle Suchtmittel abhanden gekommen seien, vermag die Berufung die dazu maßgebenden Feststellungen des Disziplinargerichts, wonach hierauf nichts hindeute (ES 2), nicht in Frage zu stellen. Soweit die Berufung eine „ungewöhnlich lange Dauer der mangelnden Dienstaufsicht“ reklamiert, steht im konkreten Fall mit Blick auf §§ 369, 620 Geo dem etwas über zweijährigen Tatzeitraum keine große Zahl unzureichender Überprüfungshandlungen des Beschuldigten gegenüber, sodass dieser Erschwerungsgrund als nicht gewichtig anzusehen ist. Indem die Berufung mit dem pauschalen Verweis auf „Erfordernisse der (positiven) Generalprävention“ der Sache nach behauptet, das Absehen vom Ausspruch über die Verhängung einer Disziplinarstrafe sei deshalb in einem solchen Fall aus dienstlichen Interessen nicht möglich, vermag sie keine konkreten Argumente gegen die vom Disziplinargericht in diesem Zusammenhang für den Beschuldigten ins Treffen geführten Umstände darzulegen.

Vor allem im Hinblick darauf, dass dem Präsidenten des Landesgerichts ***** nach den tatsächlichen Annahmen des angefochtenen Erkenntnisses bloß geringe Schuld zur Last liegt und er die von ihm zunächst im Rahmen seiner Dienstaufsicht nicht bemerkten Missstände der Verwahrungsstelle in der Folge selbst aufgedeckt und dem Erstatter der Disziplinaranzeige mitgeteilt (vgl § 34 Abs 1 Z 16 StGB) hat, ist im Einklang mit der Beurteilung des Erstgerichts davon auszugehen, dass dienstliche Interessen dem Absehen vom Ausspruch über die Verhängung einer Disziplinarstrafe nicht entgegenstehen und ein Schuldspruch allein nach den Umständen des Falls und der Persönlichkeit des Richters genügt, um ihn von weiteren Verfehlungen abzuhalten.

Der Berufung war daher nicht Folge zu geben.

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