12Os23/13v – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 7. März 2013 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner Foregger, Mag. Michel und Dr. Michel Kwapinski als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Viktorin als Schriftführer in der Strafsache gegen Matthias H***** und weitere Angeklagte wegen des Verbrechens des sexuellen Missbrauchs einer wehrlosen oder psychisch beeinträchtigten Person nach § 205 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Jakob P***** sowie über die Berufung des Angeklagten Fabio N***** gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Jugendschöffengericht vom 22. Juni 2012, GZ 23 Hv 15/12f 44, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.
Dem Angeklagten Jakob P***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil, das auch in Rechtskraft erwachsene Schuldsprüche weiterer Angeklagter enthält, wurde Jakob P***** des Verbrechens des sexuellen Missbrauchs einer wehrlosen oder psychisch beeinträchtigten Person nach §§ 12 dritter Fall, 205 Abs 1 StGB (2./) schuldig erkannt.
Danach haben (soweit für das Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerde von Bedeutung) am 9. Juli 2011 in I*****
1./ Matthias H***** die Denise K*****, die wegen einer tiefgreifenden Bewusstseinsstörung, nämlich einer schweren Alkoholintoxikation unfähig war, die Bedeutung des Vorgangs einzusehen und dieser Einsicht nach zu handeln, unter Ausnützung dieses Zustands missbraucht, indem er an ihr geschlechtliche Handlungen vornahm, nämlich über einen Zeitraum von ca 20 Minuten teils mehrere Finger gleichzeitig in ihre Scheide einführte, Oralverkehr durchführte und ihr auf die Brüste griff;
2./ Jakob P***** zu der zu 1./ geschilderten Tat beigetragen, indem er den Reißverschluss der Hose des Opfers öffnete, diese gemeinsam mit Matthias H***** nach unten zog und die Unterhose des Opfers zur Seite schob.
Rechtliche Beurteilung
Gegen dieses Urteil richtet sich die aus Z 4, 5, 9 lit a, 10a und 11 des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Jakob P*****, der keine Berechtigung zukommt.
Der Verfahrensrüge (Z 4), die ein der Zeugin Isabell Pö***** in der Hauptverhandlung zu Unrecht eingeräumtes Aussageverweigerungsrecht behauptet, steht bereits entgegen, dass sich der Beschwerdeführer der beanstandeten Gewährung gar nicht widersetzt hat (vgl ON 43 S 16). Lediglich dann kommt aber eine Urteilsanfechtung aus Z 4 des § 281 Abs 1 StPO in Betracht (vgl Kirchbacher , WK StPO § 159 Rz 28, Ratz , WK StPO § 281 Rz 362, 364).
Ob eine berechtigte oder eine unberechtigte Aussageverweigerung vorliegt, bestimmt sich im Übrigen nach der Entscheidung des Gerichts über das Entschlagungsrecht, räumt der Richter dem Zeugen ein solches ein, kann von einer unberechtigten Aussageverweigerung im Sinne des § 252 Abs 1 Z 3 erster Fall StPO keine Rede sein (vgl 11 Os 5/05b, 13 Os 8/05h), weshalb auch der in der Hauptverhandlung gestellte Antrag auf Verwertung der Angaben der Zeugin Isabell Pö***** zu Recht abgewiesen wurde (vgl Kirchbacher , WK StPO § 252 Rz 97).
Der Vollständigkeit halber sei auch festgehalten, dass die Angaben der Zeugin (ON 4 S 107 f) Jakob P***** gar nicht entlasten.
Soweit der Beschwerdeführer auf das Gutachten des Sachverständigen und den fraglichen Alkoholisierungsgrad des Tatopfers verweist und das Fehlen einer Feststellung zum genauen Zeitpunkt seiner Beteiligung und zudem auch behauptet, dass sein Tatbeitrag noch zu einem Zeitpunkt erfolgt sei, als Denise K***** zufolge mittelstarker Alkoholisierung die Bedeutung des Vorgangs noch einzusehen vermochte, macht er der Sache nach den Nichtigkeitsgrund der Z 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO geltend.
Die gesetzmäßige Ausführung einer Rechtsrüge nach § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO erfordert das strikte Festhalten an dem im Urteil festgestellten Sachverhalt (RIS Justiz RS0099658, RS0099810). Diesen Anfechtungskriterien wird die Nichtigkeitsbeschwerde nicht gerecht, weil sie die auf US 3 f getroffenen Konstatierungen übergeht, wonach die Tathandlungen sehr wohl unter Ausnutzung des von § 205 Abs 1 StGB geforderten Zustands begangen wurden, wobei sich die Tatrichter im Rahmen der tatrichterlichen Beweiswürdigung auch mit dem Gutachten des Sachverständigen Prim. Univ. Doz. Dr. Carl M***** und auch mit dem Rauschzustand des Tatopfers zum Zeitpunkt des Eingreifens des Beschwerdeführers eingehend auseinandersetzten (US 13 f).
Aus welchem Grund ein während der Tat geleisteter Beitrag zur Tatbestandsmäßigkeit nicht genügen sollte, leitet die Rechtsrüge (Z 9 lit a), obwohl zur prozessförmigen Ausführung gefordert, nicht methodengerecht aus dem Gesetz ab (RIS Justiz RS0116565). Im Übrigen setzt sich die Behauptung, der Erstangeklagte habe sich schon mitten in der sexuellen Betätigung befunden, als der Beschwerdeführer eingriff, über die tatsächlich getroffenen Urteilsannahmen (vgl US 4) hinweg.
Lediglich der Vollständigkeit halber ist aber festzuhalten, dass ein sonstiger Tatbeitrag im Sinne der dritten Alternative des § 12 StGB (zeitlich) bis zur Deliktsvollendung geleistet werden kann (RIS Justiz RS0090346). Ob der unmittelbare Täter die Tat auch ohne die Handlung des Beitragstäters ausführen hätte können, ist im Übrigen auch unerheblich (RIS Justiz RS0108726).
Die Darstellung einer Diversionsrüge ist unter Beachtung der Notwendigkeit des kumulativen Vorliegens der Voraussetzungen nach § 7 Abs 1 und 2 JGG auf der Basis der Urteilsfeststellungen methodisch korrekt zu entwickeln (RIS Justiz RS0124801; Ratz , WK StPO § 281 Rz 659 f).
Indem der Rechtsmittelwerber (Z 10a) bloß behauptet, das Gericht hätte aufgrund des untergeordneten Tatbeitrags und der Schadensgutmachung von 1.000 Euro bei durch die Tathandlungen entstandenen nicht unerheblichen Verletzungen (US 12) und psychischen Beeinträchtigungen der Missbrauchten (US 17) nach § 7 JGG diversionell vorgehen müssen, wird er den Anfechtungskriterien nicht gerecht.
Die Sanktionsrüge (Z 11) bringt mit ihrer Kritik an der Nichtanwendung des § 37 Abs 1 StGB bei gleichzeitiger Bezugnahme auf die vom Schöffensenat in der Schwere der Tat erblickten Begründung nur einen Berufungsgrund zur Darstellung. Damit wurde vom Erstgericht nämlich gerade nicht auf den Strafrahmen des § 205 Abs 1 StGB, sondern auf das historische Ereignis selbst Bezug genommen (vgl zur unterschiedlichen Begrifflichkeit Ratz in WK² Vor §§ 28 bis 31 Rz 1).
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Kompetenz des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§ 285i StPO).
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.