14Os84/12b – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 29. Jänner 2013 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp als Vorsitzenden, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger und Mag. Marek, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Fürnkranz in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Fruhmann als Schriftführerin in der Strafsache gegen Haybe S***** wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 18. April 2012, GZ 142 Hv 40/12m 43, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Mag. Leitner und des Verteidigers Mag. Müller, zu Recht erkannt:
Spruch
In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil aufgehoben, eine neue Hauptverhandlung angeordnet und die Sache an das Landesgericht für Strafsachen Wien verwiesen.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Haybe S***** vom Vorwurf, er habe „am 29. September 2010 im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit einem unbekannt gebliebenen Mittäter (§ 12 StGB) Snezana K***** mit Gewalt zur Duldung des Beischlafs genötigt, indem er und sein(e) Mittäter diese abwechselnd festhielten und schlugen und den vaginalen Geschlechtsverkehr mit ihr vollzogen“, gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.
In den Gründen gingen die Tatrichter zwar davon aus, dass Snezana K***** gemäß ihren Angaben am Tattag auf die von ihr beschriebene Weise von zwei Männer vergewaltigt wurde (US 3), sahen es aber nicht als erwiesen an, dass es sich bei Haybe S***** um einen der Täter handelte (US 5). Dazu führten sie im Wesentlichen aus, die eindeutige Identifizierung des Angeklagten durch das Tatopfer und den Zeugen Michael K***** sei deshalb nicht verlässlich, weil beide auch Samir S***** in dem gegen ihn geführten Verfahren als den zweiten der beiden Vergewaltiger wiedererkannt hätten, obwohl dieser mangels Übereinstimmung seiner DNA mit den am Tatort sichergestellten Spuren „als Täter ausgeschlossen“ und demgemäß rechtskräftig freigesprochen worden war. Zudem sei in der Unterhose der Snezana K***** und in deren Vaginalbereich „lediglich die DNA des Angeklagten festgestellt“ worden, „was wiederum zu der Aussage, sie wäre von zwei Tätern vergewaltigt worden, nicht passt“.
Zusammenfassend kam das Erstgericht zum Schluss, dass es „zweifelsohne … zu einem Geschlechtsverkehr zwischen dem Angeklagten und Snezana K***** gekommen“ sei, im Zweifel könne jedoch nicht festgestellt werden, „ob dieser nunmehr freiwillig gegen Bezahlung zu einem früheren Zeitpunkt erfolgte, wie es der Angeklagte angab, oder ob es sich um eine Vergewaltigung von dem Angeklagten im Zusammenhang mit einem zweiten Täter handelt, so wie es die Zeugin angab“ (US 5).
Rechtliche Beurteilung
Die gegen den Freispruch aus Z 5 des § 281 Abs 1 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft ist berechtigt.
Sie macht unter dem Gesichtspunkt unvollständiger Begründung (Z 5 zweiter Fall) zutreffend unterlassene Berücksichtigung belastender Verfahrensergebnisse geltend.
So gingen die Tatrichter über den in Ansehung der dargestellten Negativfeststellung erheblichen Umstand, dass der Angeklagte Snezana K***** anlässlich einer Gegenüberstellung in der Hauptverhandlung gerade nicht als die Frau erkannte, mit der er gegen Bezahlung geschlechtlich verkehrt haben will (ON 42 S 31), ebenso ohne Erörterung hinweg wie darüber, dass die (in den Entscheidungsgründen bloß erwähnte; vgl dazu Ratz , WK StPO § 281 Rz 429) an der Unterwäsche der Genannten nachgewiesene DNA Spur des Haybe S***** anlässlich einer Untersuchung unmittelbar nach der Vergewaltigung am 29. September 2010 festgestellt wurde (ON 2), an welchem Tag der Angeklagte wie immer geartete sexuelle Kontakte gar nicht explizit behauptet hatte.
Zu Recht releviert die Beschwerdeführerin überdies, dass die am selben Tag erfolgte Sicherstellung eines an den ursprünglich als Mittäter verfolgten Samir S***** adressierten Briefes in der Wohnung des Tatopfers im Urteil zwar angeführt wurde (US 4), eine Auseinandersetzung mit dem diesbezüglichen daktyloskopischen Untersuchungsergebnis, nach dem sich auf diesem Schreiben Fingerabdrücke des Angeklagten fanden (ON 21), aber gänzlich unterblieb und auch die Tatsache, dass die Auswertung einer am Tatort sichergestellten DNA Spur ein Mischprofil mehrerer (am ehesten von drei) Personen ergeben hat (ON 5 S 7), nicht erörtert wurde.
Da die Tatrichter diese in der Beschwerde der Staatsanwaltschaft hervorgehobenen Beweisergebnisse nicht in den Kreis ihrer Erwägungen zur gerügten Negativfeststellung einbezogen, ist die diesbezügliche Beweiswürdigung auf Nichtigkeit nach Z 5 zweiter Fall des § 281 Abs 1 StPO begründende Weise unvollständig geblieben ( Ratz , WK StPO § 281 Rz 421).
Gründet das Gericht wie hier den Freispruch auf die Verneinung der Täterschaft des Angeklagten im Zweifel zu dessen Gunsten, ohne eine Aussage zu sämtlichen Tatbestandselementen zu treffen, reicht es für den Erfolg einer Nichtigkeitsbeschwerde nicht hin, einen Begründungsmangel bloß in Ansehung der getroffenen Urteilsannahme (der Negativfeststellung zur Täterschaft) aufzuzeigen. Vielmehr ist überdies hinsichtlich jener Tatbestandsmerkmale, zu denen das Urteil keine Konstatierungen enthält, ein Feststellungsmangel (Z 9 lit a) geltend zu machen (RIS Justiz RS0118580 [T17]).
Auch diesem Erfordernis entspricht die Beschwerde, indem sie wenngleich nominell aus Z 5 im Zusammenhang mit der Darstellung der für eine Täterschaft des Angeklagten sprechenden, in der Hauptverhandlung vorgekommenen Verfahrensergebnisse und der auf solchen beruhenden Feststellung des Erstgerichts zum Geschlechtsverkehr zwischen dem Angeklagten und Snezana K***** vorbringt, aus diesen Umständen lasse sich der einzig (durch Feststellungen zu manifestierende) logische Schluss ableiten, dass der Angeklagte die ihm zur Last gelegte Vergewaltigung auch tatsächlich (in objektiver und subjektiver Hinsicht) begangen hat.
Das angefochtene Urteil war daher zur Gänze aufzuheben.