15Os146/12b – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 12. Dezember 2012 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Danek als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner Foregger, Dr. Michel Kwapinski und Mag. Fürnkranz als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Krausam als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Benedikt H***** wegen des Vergehens der Verleumdung nach § 297 Abs 1 erster Fall StGB, AZ 132 Bl 212/09v des Landesgerichts für Strafsachen Wien, über die von der Generalprokuratur gegen den Beschluss dieses Gerichts vom 10. Dezember 2009, AZ 132 Bl 212/09v (ON 10 des Ermittlungsaktes AZ 118 BAZ 1641/08v der Staatsanwaltschaft Wien) erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Ulrich, und der Opfervertreterin Dr. Scheimpflug zu Recht erkannt:
Spruch
Der Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 10. Dezember 2009, AZ 132 Bl 212/09v (ON 10 des Ermittlungsaktes AZ 118 BAZ 1641/08v der Staatsanwaltschaft Wien), verletzt in seinem Punkt 2./ §§ 195 Abs 2 erster Satz, 196 Abs 2 StPO idF BGBl I 2009/52.
Der Beschluss, der im Übrigen unberührt bleibt, wird zu 2./ des Spruchs aufgehoben und der Antrag des Dr. Wolfgang S***** vom 29. Oktober 2009 auf Fortführung des genannten Ermittlungsverfahrens als unzulässig zurückgewiesen.
Text
Gründe:
Dr. Wolfgang S***** erstattete gegen Benedikt H***** bei der Staatsanwaltschaft Wien mit Sachverhaltsdarstellung vom 9. September 2008 Anzeige wegen des Verdachts der Verleumdung nach § 297 Abs 1 erster Fall StGB, weil ihn der Genannte durch eine Anzeige (und Zeugenaussage) vom 21. April 2008 der Begehung einer Körperverletzung nach § 83 StGB falsch verdächtigt habe. Die Staatsanwaltschaft Wien stellte das Ermittlungsverfahren (AZ 118 BAZ 1641/08v) am 6. Oktober 2008 gemäß § 190 Z 1 StPO ein, wovon der anwaltliche Vertreter des Anzeigers mit Note vom 7. Oktober 2008 verständigt wurde (ON 1 S 1).
Mit Sachverhaltsmitteilung vom 13. Februar 2009 wiederum ersuchte der genannte Anzeiger die Staatsanwaltschaft (AZ 122 BAZ 1147/09b), eine Aussage H*****s vom 30. Dezember 2008 im Verfahren AZ 21 P 50/04z des Bezirksgerichts Meidling, wonach ihn Dr. S***** getreten, geboxt und erpresst habe, in Richtung § 297 StGB zu untersuchen. Dieses Verfahren stellte die Staatsanwaltschaft am 15. Oktober 2009 gemäß § 190 Z 2 StPO ein, wovon der anwaltliche Vertreter des Anzeigers mit Note vom selben Tag verständigt wurde (s Register Vj).
Mit Eingabe vom 29. Oktober 2009 beantragte der Anzeiger unter Anführung der AZ 122 BAZ 1147/09b der Staatsanwaltschaft Wien der Sache nach die Fortführung („Wiederaufnahme“) der Ermittlungsverfahren gegen Benedikt H***** wegen § 297 StGB gemäß § 195 Abs 1 StPO (ON 8).
Mit Beschluss vom 10. Dezember 2009, AZ 132 Bl 212/09v (ON 10), wies das Landesgericht für Strafsachen Wien
1./ den Antrag auf Fortführung des Verfahrens gegen Benedikt H***** wegen § 297 Abs 1 erster Fall StGB betreffend dessen Zeugenaussage vor dem Bezirksgericht Meidling am 30. Dezember 2008 (AZ 122 BAZ 1147/09b der Staatsanwaltschaft Wien) ab und gab
2./ dem Antrag auf Fortführung des Verfahrens gegen Benedikt H***** wegen § 297 Abs 1 erster Fall StGB betreffend dessen „Zeugenaussage vom 21. November 2009“ (offenbar gemeint: Anzeige und Zeugenaussage vom 21. April 2008) im Verfahren AZ 118 BAZ 1641/08v der Staatsanwaltschaft Wien (Verdacht der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB) Folge.
Das Landesgericht erachtete zu 2./ den Fortführungsantrag vom 29. Oktober 2009 auf Basis seiner tatsächlichen Annahmen, denen zufolge das in Rede stehende Verfahren gegen Benedikt H***** wegen § 297 Abs 1 StGB am 30. September 2008 (richtig: 6. Oktober 2008) gemäß § 190 Z 1 StPO eingestellt und der Anzeiger von der Einstellung mit Abfertigungsvermerk vom 15. Oktober 2009 (richtig: 7. Oktober 2008) verständigt worden sei, für rechtzeitig, ohne dies zu begründen (ON 10 S 3).
Rechtliche Beurteilung
Dieser Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Wien steht wie die Generalprokuratur in ihrer zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend ausführt zu 2./ mit dem Gesetz nicht im Einklang:
Gemäß § 195 Abs 2 erster Satz StPO in der hier relevanten Fassung des BGBl I 2009/52 war der Fortführungsantrag binnen vierzehn Tagen nach Verständigung von der Einstellung (§ 194 StPO), wurde jedoch das Opfer von der Einstellung nicht verständigt, innerhalb der absoluten (RIS Justiz RS0127939) Frist von drei Monaten ab Einstellung des Verfahrens bei der Staatsanwaltschaft einzubringen. Ein außerhalb dieser Frist eingebrachter Antrag auf Fortführung ist unabhängig von einer Einstellungsverständigung jedenfalls verspätet (RIS Justiz RS0127939) und gemäß § 196 Abs 2 StPO idF BGBl I 2009/52 (nunmehr § 196 Abs 2 erster Satz StPO) als unzulässig zurückzuweisen.
Vorliegend hat das Landesgericht für Strafsachen Wien das Datum des Abfertigungsvermerks in Bezug auf die Verständigung des Anzeigers von der Einstellung des Verfahrens gegen Benedikt H***** wegen § 297 Abs 1 StGB (offenbar in Verwechslung mit dem hier nicht relevanten Verfahren AZ 122 BAZ 1147/09b der Staatsanwaltschaft Wien) mit 15. Oktober 2009 angenommen und auf Basis der mit 30. September 2008 festgestellten Verfahrenseinstellung die Rechtzeitigkeit des mit Schriftsatz vom 29. Oktober 2009 gestellten Fortführungsantrags des Dr. Wolfgang S***** bejaht.
Angesichts der nach den dargestellten Feststellungen zwischen der Verfahrenseinstellung und dem Fortführungsantrag liegenden Zeitspanne von mehr als drei Monaten widerspricht die Annahme der Rechtzeitigkeit des Fortführungsantrags § 195 Abs 2 StPO. Der Antrag wäre gemäß § 196 Abs 2 StPO zurückzuweisen gewesen.
Der Oberste Gerichtshof sah sich, weil dies dem Beschuldigten zum Nachteil gereicht, veranlasst, den Beschluss, der im Übrigen unberührt bleibt, zu 2./ aufzuheben und den Antrag des Dr. Wolfgang S***** vom 29. Oktober 2009 auf Fortführung des Ermittlungsverfahrens der Staatsanwaltschaft Wien zu 118 BAZ 1641/08v als unzulässig zurückzuweisen.