JudikaturOGH

11Os154/12z – OGH Entscheidung

Entscheidung
11. Dezember 2012

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 11. Dezember 2012 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Zehetner als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab, Mag. Lendl, Mag. Michel und Dr. Oshidari als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Meier als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Hüseyin Y***** wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Schöffengericht vom 19. Juni 2012, GZ 36 Hv 2/12g 31, sowie dessen Beschwerde gegen den gemäß § 494a Abs 1 Z 2, Abs 4, Abs 6 StPO gefassten Beschluss nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Hüseyin Y***** des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB schuldig erkannt.

Danach hat er am 23. Dezember 2010 in Salzburg Sarah K***** mit Gewalt, nämlich durch Verabreichung eines lorazepamhaltigen Präparats, mithin eines betäubenden Mittels ohne deren Einwilligung zur Duldung eines Vaginalverkehrs, sohin des Beischlafs genötigt.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten aus § 281 Abs 1 Z 4 und 5 StPO.

Der Erledigung der Verfahrensrüge (Z 4) ist voranzustellen, dass in der Nichtigkeitsbeschwerde nachgetragene Argumente für einen in der Hauptverhandlung gestellten Beweisantrag prozessual verspätet und somit unbeachtlich sind (RIS Justiz RS0099117 und RS0099618; Ratz , WK StPO § 281 Rz 325).

Ohne Verletzung von Verteidigungsrechten verfiel der Antrag auf Vernehmung der Zeugen „Gertrude H***** ... und Petra G***** ... zum Beweis dafür, dass der Angeklagte bereits mehrfach etliche Gäste nach der Sperrstunde nach Hause gebracht und diese sogar bis ins Schlafzimmer begleitet hat, es jedoch nie zu Übergriffen irgendwelcher Art gekommen ist, weiters zum Beweis dafür, dass der Angeklagte nie Probleme damit gehabt hat, Sexualpartnerinnen zu finden“ (ON 22 S 20), der Abweisung durch das Schöffengericht (ON 22 S 21). Denn entgegen der Behauptung, diese Beweisführung sei „wesentlich und relevant, da damit aufgezeigt wird, dass der Angeklagte überhaupt keinen Grund gehabt hat, K.O. Tropfen zu verwenden, damit er Sexualpartnerinnen findet und auch nicht gewalttätig ist bzw die ihm vorgeworfenen Tathandlungen für ihn untypisch sind“ zielten die Beweisthemata sinnfällig nicht auf subsumtionsrelevante Tatsachen ab, aber auch nicht auf erhebliche Umstände, sohin auf solche, die nach Denkgesetzen und Lebenserfahrung nicht gänzlich ungeeignet sind, den Ausspruch über eine entscheidende Tatsache, das heißt für Schuldspruch oder Subsumtion bedeutende Tatsachenfeststellungen zu beeinflussen ( Ratz , WK StPO § 281 Rz 340 ff; RIS Justiz RS0118319; zum Tatmotiv RIS Justiz RS0088761).

Die Abweisung (ON 30 S 23) des Antrags auf „Einholung eines pharmakokinetischen Gutachtens zum Beweis dafür, dass dem Opfer der Wirkstoff Lorazepam vor 05:00 Uhr am 23. Dezember 2010 verabreicht worden ist, nachdem die Sachverständige selbst angegeben hat, dass nur ein solches Gutachten Auskunft darüber geben kann, wann und wie der Wirkstoff abgebaut wird“ (ON 30 S 22), beeinträchtigte den Angeklagten genauso wenig in seinem Grundrecht auf effiziente Verteidigung (Art 6 Abs 3 lit d MRK): Die beigezogene gerichtsmedizinische Expertin hatte das begehrte Gutachten lediglich im Zusammenhang mit der Anzahl der verabreichten Tabletten mit dem Wirkstoff Lorazepam genannt (ON 30 S 21). Die Tauglichkeit der ergänzenden Expertise für das von ihm genannte Beweisthema wurde vom Beschwerdeführer ohne Begründung lediglich behauptet (§ 55 Abs 1 letzter Satz StPO; RIS Justiz RS0099453, RS0099189), wobei (um zu zeigen, dass das Begehren nicht bloß einer Erkundung diente s dazu Ratz , WK StPO § 281 Rz 330) eine nähere Antragsfundierung im Gegenstand schon deshalb vonnöten gewesen wäre, weil bei einer unbestrittenen Resorptionszeit mit Wirkungseintritt des in Rede stehenden Stoffs zwischen zehn und vierzig Minuten (ON 30 S 19) unter Zugrundelegung einer Verabreichung vor 05:00 Uhr die Bewusstseinsstörung beim Opfer (entgegen allen anderen Beweisergebnissen US 4, 7) jedenfalls vor 06:00 Uhr hätte eintreten müssen.

Unter Widerspruch im Sinne des dritten Falls der Z 5 des § 281 Abs 1 StPO versteht man, dass zwei Aussagen nach den Denkgesetzen nebeneinander nicht bestehen können ( Ratz , WK StPO § 281 Rz 438 f). Der Mängelrüge entgegen kann ein solcher Formalfehler nicht darin erblickt werden, dass das Erstgericht von einer Verabreichung des verfahrensgegenständlichen Präparats (das wie erwähnt eine Resorptionszeit von zehn bis vierzig Minuten aufweist US 10) nach 06:00 Uhr (US 5) und einem Erinnerungsverlust der jungen Frau (als eine der Folgen des Wirkstoffs) ab ca 06:00 Uhr (US 10) ausging.

Dem Vorwurf der Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) zuwider musste im Ersturteil nicht gesondert erwähnt werden, dass die medizinische Sachverständige den genauen Zeitpunkt der Verabreichung des bewusstseinstrübenden Stoffs nicht eingrenzen konnte (ON 30 S 22), weil die Tatzeit aufgrund anderer damit nicht konfligierender Beweisergebnisse (Zeugenaussagen K*****, L***** und Hi***** US 4, 7; Blutuntersuchung US 7 f; Einlassung des Angeklagten zu einem einverständlichen Geschlechtsverkehr US 9 f) ermittelt werden konnte.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung und die (implizierte) Beschwerde folgt (§§ 285i, 498 Abs 3 StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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