8Ob120/12y – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsrekursgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Spenling als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon. Prof. Dr. Kuras, die Hofrätin Dr. Tarmann Prentner und die Hofräte Mag. Ziegelbauer und Dr. Brenn als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach der am ***** verstorbenen K***** P*****, zuletzt wohnhaft in *****, über den Revisionsrekurs der Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur, 1010 Wien, Singerstraße 17 19, gegen den Beschluss des Landesgerichts St. Pölten als Rekursgericht vom 18. Juli 2012, GZ 23 R 275/12g 9, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts St. Pölten vom 22. Mai 2012, GZ 2 A 594/11k 6, bestätigt wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Die Beschlüsse der Vorinstanzen, die im Übrigen als unangefochten unberührt bleiben, werden in Ansehung der Forderung der Republik Österreich („Bezirksgericht Hernals“ zu 24 P 21/12x) auf Zahlung von Gerichtsgebühren nach TP 7 lit c Z 2 GGG in Höhe von 195 EUR (Zahlungsaufforderung vom 29. März 2012) dahin abgeändert, dass
a) diese Forderung als Masseforderung iSd § 154 Abs 2 Z 1 AußStrG iVm § 46 Z 2 IO festgestellt,
b) der Nachlass in diesem Betrag der Republik Österreich zur vollständigen Berichtigung dieser Forderung an Zahlungs statt überlassen und
c) der nach Berichtigung dieser sowie von zwei weiteren bevorrechteten Forderungen verbleibende Nachlass der Wien Energie Fernwärme Wien GmbH zur teilweisen Berichtigung ihrer Forderung von 152,88 EUR und dem Fonds Soziales Wien zur teilweisen Berichtigung seiner Forderung von 10.834,70 EUR, jeweils im Verhältnis zur Summe dieser Forderungen, an Zahlungs statt überlassen wird.
Die dadurch erforderliche Änderung der Vollzugs und Auszahlungsanordnung obliegt dem Erstgericht.
Text
Begründung:
Die Verlassenschaft nach der Erblasserin ist überschuldet. Für sie war vom Bezirksgericht Hernals ein Sachwalter bestellt. Dieser legte nach dem Tod der Erblasserin die Schlussrechnung und beantragte deren Genehmigung sowie die Zuerkennung einer Entschädigung von 850 EUR (einschließlich eines Aufwandsersatzes für Barauslagen von 70 EUR). Mit Beschluss vom 8. März 2012, GZ 24 P 21/12x 44, bestätigte das Pflegschaftsgericht die Schlussrechnung und erkannte dem Sachwalter die beantragte Entschädigung zu. Mit Zahlungsaufforderung vom 29. März 2012 trug das Bezirksgericht Hernals der Verlassenschaft die Zahlung einer Pauschalgebühr gemäß TP 7 lit c Z 2 GGG in Höhe von 195 EUR auf; diese Forderung wurde im Verlassenschaftsverfahren angemeldet.
Das Erstgericht überließ den Nachlass den Gläubigern gemäß §§ 154, 155 AußStrG an Zahlungs statt, und zwar zunächst dem Gerichtskommissär und dem Sachwalter in der jeweils angemeldeten Höhe zur vollständigen Berichtigung ihrer Forderungen, sowie in der Folge dem „Bezirksgericht Hernals“, einem Energieversorger und einer Pflegeinstitution jeweils zur verhältnismäßigen Befriedigung ihrer Forderungen iSd § 154 Abs 2 Z 3 AußStrG.
Das Rekursgericht gab dem von der Republik Österreich gegen diesen Beschluss erhobenen Rekurs nicht Folge. Die Pauschalgebühr für die Bestätigung der Schlussrechnung des Sachwalters betreffe nicht das Verlassenschaftsverfahren. Die Pflegschaftsrechnung nütze dem Verlassenschaftsverfahren auch nicht, weil es sich bei der gerichtlichen Entscheidung nur um eine Unbedenklichkeitsbestätigung handle. Anlässlich der Einführung der in Rede stehenden Pauschalgebühr durch das BBG 2009, BGBl I 2009/52, sei § 154 Abs 2 AußStrG nicht geändert und die Pauschalgebühr im Rahmen eines Insolvenzverfahrens nicht privilegiert worden. Der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, weil der zu klärenden Rechtsfrage nach der Berücksichtigung der in Rede stehenden Pauschalgebühr bei Überlassung des Nachlasses an Zahlungs statt grundsätzliche Bedeutung zukomme.
Gegen diese Entscheidung richtet sich der Revisionsrekurs der Republik Österreich, der darauf abzielt, die Pauschalgebühr für die Bestätigung der Schlussrechnung als Masseforderung anzuerkennen und deren volle Befriedigung anzuordnen.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist zulässig und berechtigt.
1. Die zugrunde liegende Rechtsfrage wurde vom Obersten Gerichtshof zwischenzeitlich geklärt. In der Entscheidung 10 Ob 21/12d wurde mit ausführlicher Begründung ausgesprochen, dass die Pauschalgebühr für die Genehmigung der Pflegschaftsrechnung nach TP 7 lit c Z 2 GGG im Verfahren zur Überlassung einer überschuldeten Verlassenschaft an Zahlungs statt (§ 154 AußStrG) in sinngemäßer Anwendung der §§ 46 und 47 IO als Masseforderung (§ 46 Z 2 IO) zu qualifizieren ist.
2.1 Diesem Ergebnis liegen folgende Überlegungen zugrunde:
Nach § 154 Abs 2 AußStrG ist bei der Überlassung an Zahlungs statt das Vermögen zunächst in sinngemäßer Anwendung der §§ 46 und 47 IO an die Massegläubiger zu verteilen (Z 1), sodann an den Sachwalter des Verstorbenen, soweit ihm für das letzte Jahr Beträge zuerkannt wurden (Z 2), und schließlich an alle übrigen Gläubiger (Z 3). Ist also ein Nachlass überschuldet, so soll durch die Überlassung an Zahlungs statt im Verlassenschaftsverfahren ein der Abwicklung einer Insolvenz entsprechendes Ergebnis erzielt werden. Die in der Insolvenz geltenden Vorschriften über die Masse und Insolvenzforderungen sind daher sinngemäß anzuwenden. Die Verteilung der Aktiva nach § 154 Abs 2 AußStrG ist somit der Rangordnung nach der IO nachgestaltet.
2.2 Gemäß § 46 IO sind Masseforderungen
die Kosten des Insolvenzverfahrens, hier des Verlassenschaftsverfahrens, zu denen etwa die Kosten eines Verlassenschaftskurators und des Gerichtskommissärs gehören (Z 1);
weiters alle Auslagen, die mit der Erhaltung, Verwaltung und Bewirtschaftung der Masse verbunden sind, einschließlich ... der die Masse treffenden Steuern, Gebühren , Zölle, Beiträge zur Sozialversicherung und anderen öffentlichen Abgaben, wenn und soweit der die Abgabgepflicht auslösende Sachverhalt während des Insolvenzverfahrens (also nach Insolvenzeröffnung und hier nach Tod des Erblassers) verwirklicht wird (Z 2).
3.1 Den Vorinstanzen ist darin zuzustimmen, dass die in Rede stehende Pauschalgebühr nicht zu den Kosten des Insolvenzverfahrens (hier des Verlassenschaftsverfahrens) gehört.
3.2 Zu prüfen bleibt daher, ob diese Gebühr als Masseforderung nach § 46 Z 2 IO zu qualifizieren ist. Dafür ist maßgebend, ob die Gebühr die Verlassenschaftsmasse betrifft und sich der die Gebührenpflicht auslösende Sachverhalt nach dem Tod des Erblassers verwirklicht hat. In der Rechtsprechung ist dazu anerkannt, dass für die insolvenzrechtliche Qualifikation von Gebühren als Masseforderungen die Verwirklichung des gebührenpflichtigen Sachverhalts auf die entsprechende Eingabe beim Gericht bzw die spezielle Entscheidungstätigkeit des Gerichts (hier Bestätigung der Schlussrechnung) zu beziehen ist.
Da die pflegschaftsgerichtliche Bestätigung der Schlussrechnung des Sachwalters nach dem Tod des Erblassers erfolgte und diese Entscheidungstätigkeit die Erfassung und damit die Erhaltung bzw Verwaltung der „Verlassenschaftsmasse“ betrifft, sind die Voraussetzungen nach § 46 Z 2 IO gegeben.
4. Der erkennende Senat schließt sich den zusammengefasst dargestellten Überlegungen an. Damit sind die Beschlüsse der Vorinstanzen dahin abzuändern, dass die strittige Gebührenforderung als Masseforderung iSd § 154 Abs 2 Z 1 AußStrG iVm § 46 Z 2 IO festgestellt wird und die Nachlassaktiva in diesem Umfang der Republik Österreich zur vollständigen Befriedigung ihrer Forderung überlassen werden. Die Zuweisung an den Gerichtskommissär bleibt unberührt; in Anbetracht der Höhe der Nachlassaktiva gilt dies auch für die Zuweisung an den Sachwalter. Die Zuweisung an die beiden übrigen Gläubiger, deren Forderungen unter § 154 Abs 2 Z 3 AußStrG fallen und im Verhältnis ihrer Höhe zu verteilen sind, vermindern sich entsprechend.
Die Anpassung der Vollzugs und Auszahlungsanordnung bleibt dem Erstgericht vorbehalten.